Dänen siezen nicht

Im Rahmen eines Tandemprojektes haben dänische Germanistik-Studierende deutsche Dänisch-Studierende in Frankfurt besucht. Dabei stand der interkulturelle Austausch auch mit dänischer Literatur auf dem Programm.

Autorin Anne Cathrine Bomann (l.) und ihre Übersetzerin Franziska Hüther.
Autorin Anne Cathrine Bomann (l.) und ihre Übersetzerin Franziska Hüther.

Im November gab es bereits vier Online-Sitzungen, aber der Höhepunkt des Seminars ist immer das „reale“ Treffen, erzählt Marlene Hastenplug, Dänisch-Lektorin an der Goethe-Universität: „Die Studierenden unseres Tandem-Projektes sind einfach begeistert, aufeinanderzutreffen und dabei ihre Sprachkompetenzen zu testen: Die Deutschen können ihr Dänisch ausprobieren, die Dänen ihr Deutsch.“ Deutsch, sagt die selber schon lange in Frankfurt wohnende Dänin, sei zwar als Fremdsprache unter jungen Dänen nicht besonders beliebt, die meisten fokussieren eher auf Englisch. Aber diejenigen, die sich für die Sprache des großen Nachbarn interessieren, zeigen eine große Begeisterung dafür, auch für die Kultur. Neben dem Sprachkurs, den Marlene Hastenplug für die Gäste über das Internationale Studienzentrum (ISZ) an der Goethe-Universität organisiert hatte, standen weitere spannende Themen auf dem Programm. So stattete die dänische Romanautorin Anne Cathrine Bomann mit ihrem neuen Roman „Akvariet“ dem Seminar einen Besuch ab, begleitet von ihrer deutschen Übersetzerin Franziska Hüther. „Wir haben uns besonders darüber gefreut, da Franziska eine Alumna der Skandinavistik an der Goethe-Universität ist“, erklärt Marlene Hastenplug. Im Mittelpunkt des Romans steht die Geschichte einer jungen Frau, die auf Weisung des Jobcenters in einem öffentlichen Aquarium (Akvariet – das Aquarium) arbeiten muss und sich dort mit einem Kraken anfreundet. „Da fangen die Feinheiten des Übersetzens bereits an“, sagt Marlene Hastenplug: Während es im Deutschen viele Begriffe für diese Spezies gebe (Oktopus, Kraken, Tintenfisch), beschränke sich das Dänische auf ein Wort. „Aber es sind auch sprachlich-kulturelle Eigenheiten, die von der Übersetzerin entschieden werden müssen: Im Deutschen stehen Sie und Du für Distanz und Nähe. Im Dänischen wird aber generell geduzt, auch wenn noch die Form des Siezens existiert – diese wird aber wohl nur noch vom dänischen Königshaus verwendet“, lacht die Lektorin. Neben diesen sprachlichen Aspekten des Übersetzens wurden auch noch weitere Themen der Literaturvermittlung im Seminar erörtert. „Der deutsche Titel des Romans von Anne Cathrine Bomann, der immerhin kürzlich in der FAZ besprochen wurde, lautet übrigens nicht ‚Aquarium‘“, erzählt Hastenplug. Man entschied sich beim Verlag für „Rosa“, den Namen des Kraken. Die textliche und graphische Gestaltung des Titels eines Buches werde meistens vom Verlag entschieden, berichtete Übersetzerin Franziska Hüther im Seminar. Dies entscheide natürlich auch über die Wahrnehmung eines Romans auf dem stark umkämpften Buchmarkt.

Das mit den Unis in Kopenhagen und in Göttingen veranstaltete Tandemseminar hatte im Wintersemester 2023/24 gemeinsam eine App entwickelt: „KulturSchmæck“ (ein Kulturquiz) macht spielerisch deutsch-dänische Differenzen sichtbar. Im laufenden Seminar konnte nun die App um einige Kategorien erweitert werden. Unter anderem sind nun die Themen „Fremdsprachengebrauch“ und „Höflichkeit“ dazugekommen. Die App funktioniert so: Reale Aussagen von Passanten, die jeweils auf Deutsch und Dänisch von den Studierenden eingelesen und eingesprochen wurden, müssen den beiden Ländern zugeordnet werden. Da ist beispielsweise die 25-jährige Frau in der Bibliothek, die sagt: „Komme ich immer pünktlich? Das ist bei mir ein wunder Punkt. Ich versuche es, aber leider gelingt es mir nicht immer.“ Kommt sie aus Dänemark oder aus Deutschland? Nicht immer entsprechen die richtigen Zuordnungen den Erwartungen, manche Aussagen scheinen nicht die kulturellen Stereotypen, die Dänen und Deutsche voneinander haben, zu bestätigen. Sich in Verbindung mit dem Spracherwerb darüber zu verständigen, ist eines der Ziele des Seminars. Frankfurt kommt bei den dänischen Gästen übrigens immer sehr gut an. „Eine Studierende sprach sogar von ‚Traumfurt‘“, lacht Marlene Hastenplug. Für kommenden Juni ist ein Gegenbesuch der Frankfurter Studierenden in Kopenhagen geplant: „Wir sind schon gespannt, welches Programm dann die Dänen in dieser mindestens genauso traumhaften Stadt für uns vorbereiten.“

App »KulturSchmæck« →

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