Einführung von FOLIO: “The Future of Libraries is Open”

Mit 11,86 Millionen Medieneinheiten – darunter allein 8,25 Millionen analoge Werke – zählt die Universitätsbibliothek Frankfurt am Main (UB) zu den größten Bibliotheken Deutschlands. Ihre Geschichte reicht bis ins Jahr 1484 zurück. Heute übernimmt die UB eine Vielzahl an Aufgaben: Sie fungiert als wissenschaftliche Bibliothek für die Stadt Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet, als Universitätsbibliothek mit zahlreichen Landesaufgaben sowie als überregionale Schwerpunktbibliothek für die Literaturversorgung.
Doch wie verwaltet man eine so große Medienmenge und macht sie gleichzeitig zugänglich? Die UB Frankfurt setzt dabei auf eine leistungsfähige technische Infrastruktur. Im Zentrum steht das Bibliotheksmanagementsystem, das zentrale Werkzeug für die Erwerbung, Katalogisierung und Ausleihe von Medien. Seit 1997 verwendet die UB das System PICA, das über Jahrzehnte hinweg zuverlässig sämtliche Bestands- und Leihvorgänge abbildete. Doch nach fast 30 Jahren ist die Technik in die Jahre gekommen. Die Wartung von System und Hardware wurde zunehmend aufwendig. Gleichzeitig sind neue Anforderungen hinzugekommen, etwa die Verwaltung elektronischer Ressourcen oder Open-Access-Publikationen. Aspekte, die sich mit der bestehenden Infrastruktur nur unzureichend abbilden ließen. Diese Herausforderungen betreffen nicht nur die UB Frankfurt, sondern Bibliotheken weltweit.
Entscheidung für das Open-Source-Bibliothekssystem FOLIO
Gemeinsam mit rund 60 wissenschaftlichen Bibliotheken des hebis-Verbunds (Verbund wissenschaftlicher Bibliotheken in Hessen und Teilen von Rheinland-Pfalz) arbeitete die UB Frankfurt ab 2020 an der Auswahl eines neuen Bibliothekssystems. Nach umfangreicher Analyse, Anforderungsdefinition und Marktsondierung fiel die Entscheidung auf das Open-Source-System FOLIO („The Future of Libraries is Open“).
FOLIO wird von einer internationalen Bibliotheks-Community in Zusammenarbeit mit kommerziellen Partnern entwickelt. Zu den prominenten Anwenderinstitutionen zählen unter anderem die Library of Congress sowie die Universitätsbibliotheken Stan-
ford und Cornell. In Deutschland beteiligen sich unter anderem die Verbünde GBV (Zusammenschluss von Bibliotheken in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein Thüringen und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz), hebis und der Bibliotheksverbund Bayern (BVB) sowie die Universitätsbibliothek Leipzig aktiv an der Weiterentwicklung.
FOLIO-Einführung im hebis-Verbund
In der ersten Phase der Einführung wurde zunächst eine umfassende Analyse durchgeführt, um notwendige Funktionserweiterungen für wissenschaftliche Bibliotheken im hebis-Verbund zu identifizieren. Nach der Implementierung der wichtigsten fehlenden Funktionalitäten begann die Detailplanung für den Produktivbetrieb und die Systemmigration der hebis-Bibliotheken.
Erstmals wird ein Bibliothekssystem nicht lokal, sondern dezentral bei einem deutschen Cloud-Anbieter betrieben. Eine Lösung, die Effizienz, Skalierbarkeit und Wirtschaftlichkeit vereint. Die Universitätsbibliotheken Frankfurt, Darmstadt, Gießen, Kassel, Mainz und Marburg einigten sich auf einen gemeinsamen Migrationsplan. Als Pilotbibliotheken starteten Frankfurt, Gießen und Mainz mit der Migration einzelner Systembereiche: Mainz und Gießen mit der „Benutzung“, Frankfurt mit der „Erwerbung“.
Mammutaufgabe: Systemwechsel bei laufendem Bibliotheksbetrieb
Der Wechsel auf das neue Bibliothekssystem FOLIO stellte die UB Frankfurt vor große Herausforderungen. Ein solcher Umstieg im laufenden Betrieb gleicht einem Umzug: Daten müssen übertragen, Altes überprüft und Neues eingerichtet werden. Doch während ein Smartphone-Wechsel oft mit nur einem Klick erfolgt, erfordert die Migration in einer Bibliothek dieser Größe präzise Planung, technische Abstimmung und die enge Zusammenarbeit vieler Beteiligter.
Die Datenlandschaft ist komplex: Titeldaten, Bestellungen, Lieferanteninformationen, Budgets – vieles davon wurde über Jahrzehnte hinweg von verschiedenen Bibliotheksmitarbeitenden gepflegt. Unterschiedliche Arbeitsweisen und Systemanpassungen im Laufe der Zeit führten zu uneinheitlichen Eingaben, die im Zuge der Umstellung bereinigt werden mussten.
Anfang 2022 gründete die UB Frankfurt interne Arbeitsgruppen, um sich frühzeitig mit FOLIO vertraut zu machen. Der Fokus lag zunächst auf dem Modul „Erwerbung“: Lieferantendaten wurden geprüft, Workflows angepasst und Budgets eingerichtet, alles wurde intensiv getestet. Da FOLIO damals noch keinen automatischen Bestellversand bot, verwendete die UB Frankfurt ein von der UB Regensburg entwickeltes und an ihre Bedürfnisse angepasstes Skript.
Erfolgreicher Start – FOLIO im Einsatz
Im März 2025 begann das Team der Bibliothek Sprach- und Kulturwissenschaften der UB Frankfurt als Erstes mit der Erwerbung von Medien über das neue System FOLIO. Zeitgleich startete auch das Open-Access-Team mit der Verwaltung von wissenschaftlichen Anfragen in FOLIO. Hier kam es jedoch zu technischen Problemen, die den Umstieg verzögerten.
Während ein Teil der FOLIO-Arbeitsgruppe die Datenübertragung vorbereitete, schulte ein anderer Teil im Mai und Juni rund 84 Mitarbeitende in fünf Modulen an 34 Präsenz-Schulungstagen. Ergänzend bot die Arbeitsgruppe eine Online-Sprechstunde und einen offenen Chat-Kanal für alle Bibliotheksmitarbeitenden an. Dieser wurde so gut angenommen, dass er dauerhaft bestehen bleibt.
Anfang Juli 2025 erfolgte der vollständige Wechsel vom alten System zu FOLIO. Die FOLIO-Arbeitsgruppe unterstützte die Mitarbeitenden weiterhin intensiv vor Ort und digital, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.
Nächste Schritte: Fokus auf Benutzung und Ausleihe
Nach der erfolgreichen Einführung der Module „Erwerbung“ und „Open Access“ richtet sich der Fokus nun auf die „Benutzung“. Bis Ende 2026 soll der komplette Umstieg abgeschlossen sein. Im Mittelpunkt stehen umfassende Tests, Workflow-Anpassungen sowie die Vorbereitung der Ausleih- und Nutzerdaten: darunter bestehende Ausleihen, Vormerkungen, Mahngebühren sowie die Anbindung an das Suchportal der UB, Selbstverbuchungsstationen, Rückgabeautomaten und den Bestellzetteldruck. Ziel ist es, Beeinträchtigungen für die Bibliotheksnutzenden am Umstellungstag so gering wie möglich zu halten. Über den weiteren Verlauf wird die Universitätsbibliothek informieren.
Thomas Risse und Petra Schneider











