Ambiguitätstoleranz statt Weltoffenheit: Stadtöffentlicher Vortrag von Prof. Natan Sznaider am 26. April

Im Rahmen des Hearings „Zwischen Antisemitismuskritik und Rassismuskritik. Erziehungswissenschaftliche und pädagogische Implikationen der documenta-Kontroverse“ an der Goethe-Universität wird Prof. Natan Sznaider (Wien) in seinem stadtöffentlichen Vortrag unter anderem über die Paradoxien jüdischer Existenz in der Moderne und antisemitische Weltbilder auf der documenta 15 sprechen. Alle Interessierten sind herzlich zum Abendvortrag eingeladen.

Abendvortrag: „Antisemitismus zwischen Emanzipation und Judenfrage“
Prof. Dr. Natan Sznaider, Senior Fellow am IFK in Wien
Grußwort: Dr. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt
26. April, 18.00 Uhr, Goethe-Universität,
Raum 1.811, Casino, Campus Westend

In seinem Eröffnungsvortrag wird Prof. Dr. Natan Sznaider, zurzeit Senior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien, versuchen, die Paradoxien jüdischer Existenz in der Moderne zu verstehen. Als Figuren der Partikularität unterminieren die Juden den universellen Anspruch der Aufklärung. Sie wurden und sind Außenseiter der Aufklärung, obwohl oder gerade, weil Juden theoretische gleich werden konnten. Der Preis für diese Gleichheit war die öffentliche Unsichtbarkeit der Juden als Juden, die auch von vielen Juden als solche akzeptiert wurde. Es geht also in seinem Vortrag um Gleichheit, um Gleichheit in einer Welt der Unterschiede, Gleichheit in einer Welt, wo gerade die Juden auf ihrer Differenz bestanden und auch so von der nichtjüdischen Welt betrachtet werden. Das Bestehen auf dieser nicht universellen Haltung zur Welt ist bis heute eine schwer erträgliche Zumutung in einer Gesellschaft gleicher Freiheits- und Rederechte. Auch bei der documenta 15 ging es um antisemitische Weltbilder, die als solche nicht so gesehen wurden. Der Vortrag wird die Ausstellung des Sommers 2022 in einen größeren Rahmen verstehen wollen. Das Konzept der Ambiguitätstoleranz wird als Alternative zum Begriff der Weltoffenheit vorgestellt.

documenta 15 im vergangenen Juni: Nach heftiger Kritik wird ein Kunstwerk des Kunstkollektivs Padi entfernt. (Foto: Kira Stephanie Loba/Shutterstock)
Zum Hearing „Zwischen Antisemitismuskritik und Rassismuskritik. Erziehungswissenschaftliche und pädagogische Implikationen der documenta-Kontroverse“

Die Kontroverse hat einmal mehr deutlich gemacht, dass im politisch aufgeladenen Konflikt zwischen Antisemitismuskritik und Rassismuskritik Verständigung oft nur schwer möglich ist. Der Konflikt fordert nicht nur die Erinnerungspolitiken der Gegenwart heraus. Er stellt auch die Grundlagen einer „Erziehung nach Auschwitz“ vor neue Begründungsprobleme. Wo liegen die Unterschiede, wo die Gemeinsamkeiten von Antisemitismus- und Rassismuskritik? Wie lässt sich eine auf diese Konzepte bezogene „Erziehung nach Auschwitz“ in Deutschland begründen, wie das Erkenntnisprinzip ‚Kritik‘ als Proprium historisch-politischer Bildung verstehen, das beide Positionen doch für sich in Anspruch nehmen? Ausgehend von diesen Fragen diskutieren Expert:innen aus Erziehungs- und Kulturwissenschaften Perspektiven einer zeitgemäßen „Erziehung nach Auschwitz“. Die Veranstaltung bildet den Auftakt einer vierteiligen Hearing-Reihe des Lehr- und Forschungsforums „Erziehung nach Auschwitz“ (am FB Erziehungswissenschaften) und der Jüdischen Akademie.

Hearings „Erziehung nach Auschwitz“ in der Gegenwart

Theodor W. Adornos Radiovortrag „Erziehung nach Auschwitz“ (1966) hat nicht nur Generationen von Pädagog:innen nach 1968 in ihrem Selbstverständnis geprägt. Er hat auch den Umgang mit der NS-Geschichte in Deutschland nachhaltig beeinflusst. Heute fordern vielfältige Veränderungen der Gegenwart die Vermittlung der NS-Geschichte in Kultur und Pädagogik heraus. Das neu gegründete Lehr- und Forschungsforum „Erziehung nach Auschwitz“ (FB Erziehungswissenschaften) und die Jüdische Akademie diskutieren in vier thematischen Hearings Perspektiven einer zeitgemäßen „Erziehung nach Auschwitz“ mit Expert:innen aus Erziehungs- und Kulturwissenschaften, aus dem Kulturbetrieb und der pädagogischen Praxis.

Weitere Termine: 19./20.6.2023; 1./2.11.2023; 31.1/1.2 2024

Veranstalter ist der Fachbereich Erziehungswissenschaften, Lehr- und Forschungsforum „Erziehung nach Auschwitz“, und die Jüdische Akademie Frankfurt; gefördert wird die Reihe durch die Georg und Franziska Speyer‘sche Hochschulstiftung.

Mehr zum Programm des ersten Hearings unter https://tinygu.de/6uCl8

Relevante Artikel

Kein richtiges Leben im falschen?

Drei Romanheld*innen werden auf ganz unterschiedliche Weise mit den Widersprüchen der Gegenwartsgesellschaft konfrontiert: Die Erziehungswissenschaftlerin Yandé Thoen-McGeehan hat gerade ihren

Öffentliche Veranstaltungen

You cannot copy content of this page