Corona-bedingte Einschränkungen können im Veranstaltungsbereich zu kreativen Lösungen führen: Zwei große Konferenzen wurden im März an der Goethe-Universität digital durchgeführt, teilweise sogar mit Gewinn für die Teilnehmenden.
Was tun, wenn plötzlich eine Konferenz aufgrund der Ausbreitung eines Virus nicht mehr stattfinden kann? Vor dieser Frage standen die Organisatoren zweier großer und wichtiger Konferenzen, die im März auf dem Campus Westend stattfinden sollten. Abzusagen wäre zwar eine Option gewesen, aber man entschied kurzfristig, den virtuellen Raum für den Diskurs und Austausch zu nutzen. Doch wie kann man ein mit unzähligen Vorträgen und Diskussionen gespicktes Programm unter Zeitdruck in den digitalen Raum verlegen? Wie kann man Ersatz schaffen für informelle Gespräche am Büfett und am Stehtisch?
Globales Konferenz-Dorf
Zum zehnjährige Bestehen der „Learning Analytics & Knowledge Conference“ (LAK20) sollten im März auf dem Campus Westend Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt erwartet werden. Ausrichter waren das DIPF, die Goethe-Universität sowie die TU Darmstadt. Die Konkurrenz, die internationale Konferenz mit Strahlkraft auszurichten, war groß gewesen, wie Hendrik Drachsler, Professor für Informatik mit dem Schwerpunkt Educational Technologies am DIPF und an der Goethe-Universität, noch in der UniReport-Ausgabe Februar betonte:
„Wir waren daher schon überrascht, dass wir uns durchsetzen konnten, aber freuen uns natürlich auch, eine solch international besetzte Veranstaltung in Frankfurt durchführen zu können.“ Drachsler und sein Team hatten sich im Vorfeld gut auf die Veranstaltung mit 600 Teilnehmenden vorbereitet und auch die Unterstützung von Stiftungen wie der Jacobs Foundation und der Schleicher Stiftung sowie privaten Unternehmen wie dem Springer Verlag und Cambridge Spark für die Konferenz einwerben können.
Im Laufe des Februars dann deutete sich an, dass sich der Ausbruch des COVID-19-Virus in China zu einer globalen Krise ausweiten könnte. Reisebeschränkungen wurden in Kraft gesetzt, die Universitäten erließen zunehmend Maßnahmen, um den Lehr- und Forschungsbetrieb auf die große Herausforderung einzustellen. Um die weitere Verbreitung des Virus einzudämmen, war ab dem 13. März nun auch das Campusleben an der Goethe-Universität in den Notbetrieb übergegangen – eine reguläre Durchführung der LAK20 war nun nicht mehr möglich.
Viele Veranstaltungen im universitären Kontext wurden abgesagt, der Druck auf die Veranstalter der LAK20 nahm damit deutlich zu. Doch man entschied, die Veranstaltung nicht ausfallen zu lassen. Ein reines Online-Format musste aus dem Boden gestampft werden. Aber gerade mal zwölf Tage blieben Drachsler und seinem Team, sich auf die neue Lage einzustellen. Das Organisationsteam kontaktierte Redner, Präsentatoren und Teilnehmende, beriet, wie die Veranstaltung ohne „reale“ Kontakte, ohne Workshops mit Präsenz stattfinden konnte. Die Veranstaltungs- App wurde von ihren Funktionen her den neuen Bedürfnissen angepasst. Die LAK20- Website überarbeitete man zu einer Plattform, die partizipative Formate wie ein Diskussionsforum und eine Mediengalerie bot.
Da die LAK20 eine internationale Konferenz ist, mussten die verschiedenen Zeitzonen der Vortragenden berücksichtigt werden. Die Sessions hatten teilweise bis zu 110 Teilnehmende. Damit erreichten die Präsentationen eine höhere Verbreitung als bei einem real anwesenden Publikum. Eingesetzt wurden zusätzlich auflockernde und weniger förmliche Elemente außerhalb der eigentlichen Konferenz: virtuelle Treffpunkte wie eine „Kaffeemaschine“ und eine „Parkbank in der Sonne“; die Community traf sich auch schon mal zum Motto „Tragt einen witzigen Hut!“
Öffnung für mehr Teilnehmende
Ein Vorteil für die erfolgreiche Durchführung der LAK20 als Online-Konferenz war sicherlich das hohe Maß an technischer Expertise seitens der Teilnehmenden: Die Community kennt sich mit MOOCs, Online-Seminaren und dem virtuellen Arbeiten in räumlich verteilten Teams gut aus. Denn in Learning Analytics geht es darum, digital basierte Lernprozesse zu untersuchen und weiterzuentwickeln. Rückblickend konstatieren Drachsler und sein Team:
Das soziale Miteinander, der Austausch und das Knüpfen von Netzwerken ist in einer rein virtuellen Konferenz nicht im gleichen Maße möglich. Sie betonen gleichwohl: „Das Fehlen physischer Präsenz bedeutet nicht das Ende des wissenschaftlichen Dialogs.“ Denn einen Vorteil in dem Online-Format sieht man in der Ausweitung der Teilnehmendenzahl. Nicht alle Interessierten aus der globalen Community der Learning Analytics hätten den Weg nach Frankfurt antreten können.
„Es wurde der Weg geöffnet, der LAK20 auf weniger mühsame Weise und bei geringerem Kostenaufwand beizuwohnen.“ Regionale Konferenzen, so lautet das positive Fazit, könnten sich einem globalen Publikum öffnen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit bieten, ihre Forschung online vorzustellen.
Mehr zur Konferenz unter www.dipf.de/de/dipf-aktuell/dipf-in-den-medien/ eine-konferenz-geht-online
»Digitale Transformation« ganz praktisch
700 Teilnehmende hatten sich für die Jahrestagung des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. (VHB) an der Goethe-Universität angemeldet – so viele wie noch nie. Doch wie bei der LAK20 stand auch hier die Frage im Raum, ob die Veranstaltung ausfallen muss, da eine Durchführung als Präsenzveranstaltung wegen der aktuellen Covid- 19-Gefahr nicht mehr möglich war. Doch das Organisationsteam um Prof. Mark Wahrenburg griff das Tagungsmotto „Digitale Transformation“ kreativ auf und stellte in nur fünf Tagen Vorbereitungszeit eine digitale Konferenz auf die Beine.
Und die große Herausforderung konnte wirklich gestemmt werden: Zahlreiche Vorträge und über 80 Sessions, davon bis zu sechs parallel, liefen nahezu störungsfrei mit dem universitätseigenen System Vidyo an den vier Konferenztagen ab. Prof. Dr. Raimond Maurer, Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften, freut sich: „So viele interessante Themen, insbesondere zu unserem Generalthema der digitalen Transformation, konnten intensiv diskutiert werden. Vielen Dank an Mark Wahrenburg, seinem Organisationsteam und der Medientechnik des HRZ für diese Meisterleistung; danken möchte ich ebenso allen in die Durchführung Involvierten für ihre spontane Bereitschaft, den Weg der Digitalisierung gerade in dieser schwierigen Zeit mit uns gemeinsam zu gehen.“ Ein Großteil der Sessions wird weiterhin über das Videoportal on demand abrufbar sein.
Informationen zur VHB-Jahrestagung findet man unter www.bwl2020.org
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.20 des UniReport erschienen.