Klaus Heyne-Preis zur Erforschung der Deutschen Romantik geht an den Kunsthistoriker Miguel A. Gaete

Der Wissenschaftspreis zur Erforschung der Deutschen Romantik – gestiftet von dem Kinderarzt und Romantikenthusiasten Prof. Dr. Klaus Heyne aus Kiel – wird 2023 zum zweiten Mal verliehen: Preisträger ist Dr. Miguel A. Gaete mit seiner Arbeit über die romantische und koloniale Prägung deutscher Künstler, die im 19. Jahrhundert Chile bereisten.

Preisträger des Romantik-Preises der Goethe-Universität Frankfurt: Miguel Gaete (Foto:privat)

Gemälde und Zeichnungen von sechs bislang wenig bekannten deutschen Künstlern auf ihrer Reise in die spanisch-amerikanischen Kolonien im 19 Jahrhundert hat der Kunsthistoriker Miguel A. Gaete in seiner kulturwissenschaftlichen Studie untersucht. Die Künstler zeichneten die indigene Bevölkerung, sie malten südamerikanische Plateaus und beobachteten die lokale Flora und Fauna. Wie Gaete in seiner Dissertationsschrift „Depicting Terra Incognita: German Romanticism, Arts, Sciences, and the Colonial Gaze in Chile, 1800–1899“ zeigt, hatten die Künstler dabei nicht nur Humboldts Südamerikabilder vor Augen und romantische Theorien zum Verhältnis von Mensch und Natur, Landschaft und Ästhetik im Gepäck. Die Bilder ihrer Chilereise sind auch geprägt von zeitgenössischen Vorstellungen von ‚Rasse‘, ‚Volk‘ und europäischer Überlegenheit, die in direkter Beziehung zu kolonialistischen Ambitionen betrachtet werden müssen.

Für seine postkolonial reflektierte Studie erhält der gebürtige Chilene Miguel A. Gaete den Klaus Heyne-Preis, der 2023 zum zweiten Mal vergeben wird. Der Goethe-Universität gestiftet hat den Preis der Kinderarzt und Romantikenthusiast Prof. Dr. Klaus Heyne (1937–2017) aus Kiel, um herausragende Beiträge zur Erforschung der Deutschen Romantik auszuzeichnen. Der mit 15.000 Euro dotierte, im Zwei-Jahres-Rhythmus vergebene Wissenschaftspreis wird am 11. Oktober 2023 feierlich an der Goethe-Universität verliehen.

Auszeichnet werde Gaete für seine Grundlagenarbeit für die künftige Erforschung der kultur- und diskursgeschichtlichen Zusammenhänge zwischen romantischer Kunst und kolonialen Strukturen, so die Jury des Heyne-Preises. Ihr gehören an: Katharina Boehm, Professorin für Englische Literatur und Kultur an der Universität Passau, Dr. Aurelio Fichter, Geschäftsführer der Benvenuto Cellini Gesellschaft e.V., sowie Dr. Mareike Hennig, Leiterin des Goethe-Hauses, der Goethe-Galerie- und Kunstsammlungen im Freien Deutschen Hochstift Frankfurt; die Goethe-Universität ist in der Jury vertreten durch die Kunsthistorikerin Prof. Dr. Mechthild Fend und die beiden Literaturwissenschaftler*innen Prof. Dr. Roland Borgards und Prof. Dr. Frederike Middelhoff.

Frederike Middelhoff, Vorsitzende der Kommission, betont: „Gaetes Arbeit bedeutet einen ersten Meilenstein hinsichtlich unserer Erkenntnisse über die Motivationen, wissenschaftlichen Vernetzungen und künstlerischen Praktiken von Künstlern, die in kolonialen Kontexten tätig waren und zugleich der deutschsprachigen Romantik nahestanden. Die Preisschrift veranschaulicht, wie diese romantisch inspirierten Bilder dieser Künstler das im 19. Jahrhundert geläufige Bild von Chile aus ihrem ‚kolonialen Blick‘ (colonial gaze) nachhaltig prägten. Gaetes kritische Untersuchung gibt wichtige Impulse für eine kunst- und kulturwissenschaftliche Romantikforschung, die sich mit den diskursgeschichtlichen Problemfeldern und dem kolonialen Erbe der Romantik auseinandersetzen muss. Es versteht sich von selbst, dass die Studie die damit verknüpften weitläufigen Fragen nicht umfassend beantworten kann. Hierzu brauchen wir weitere Untersuchungen, zu denen Gaete erste konzentrierte Probebohrungen geliefert hat. Gaete wird diese Perspektiven mithilfe des Heyne-Preises im Rahmen einer internationalen Tagung weiterentwickeln, die 2024 an der Goethe-Universität ausgerichtet wird. Wir sind sehr froh, dass der Heyne-Preis dazu verhelfen kann, diese wichtige Forschung zu befördern.“

Der Preisträger hat sich gegen eine Vielzahl innovativer Bewerbungen aus der germanistischen, musikwissenschaftlichen, philosophiegeschichtlichen und komparatistischen Romantikforschung durchgesetzt. Dr. Miguel A. Gaete ist gebürtiger Chilene, studierte Kunstgeschichte in Santiago und Barcelona und forscht derzeit mit einem Stipendium der Gerda Henkel-Stiftung. Gaete, der seine preisgekrönte Dissertation an der University of York (Großbritannien) abgeschlossen hat, führt bereits einen Doktortitel in Philosophie der Autonomous University of Madrid. Er absolvierte mehrere Fellowships und Stipendienaufenthalte in Deutschland, u.a. in Jena und Weimar. Sein Dissertationsprojekt erscheint als Monografie in diesem Jahr im New Yorker Verlag Cambria Press unter dem Titel „Cultural Exchanges and Colonial Legacies in Latin America: German Romanticism in Chile, 1800–1899“. Derzeit bereitet Gaete ein weiteres Manuskript für den Druck vor, mit dem Titel „The Leader of the Time: Carl Alexander Simon, Romanticism, and Imaginations in Southern Chile“.

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