Goethe in progress 2024

Goethe in progress 2024 – Forschung

Für gut befunden

Für welche Projekte haben die Forschenden national und international Förderungen eingeworben, was wurde erfolgreich erforscht, wer wurde ausgezeichnet? 2024 wurden so viele ERC-Grants bewilligt wie noch nie: Von acht Anträgen gingen vier als ERC Starting Grant-Projekte an Early Career Researchers der Universität. Zwei Forschungsverbünde – SCALE und das bestehende Exzellenzcluster CPI – haben darüber hinaus im Wettbewerb der „Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder“ nächste Hürden genommen.

Begutachtet und für gut befunden wurden auch zwei Forschungsinstitute der Goethe-Universität: das Frobenius-Institut und das Zentrum für Interdisziplinäre Afrikaforschung. Ein weiteres – das FIAS – feierte sein 20jähriges Bestehen. Ganz neu ist dagegen „Baby Diamond“: Hessens erster Quantencomputer eröffnet seit Dezember den Forschenden der Goethe-Universität neue Möglichkeiten im Hochleistungsrechnen.

Foto: picture alliance/dpa | Helmut Fricke

Die drei Aufgaben des „Baby Diamond“

Am 16. Dezember 2024 erhielt die Goethe-Universität ihren eigenen Quantencomputer, den ersten in Hessen. Was leistet „Baby Diamond“ im Wechselspiel mit klassischen Computern? Und warum stehen die Studierenden schon Schlange?

Quantencomputer geben große Versprechen: Die nächste Computer-Generation wollen sie sein, die einmal viel schneller rechnen kann als heutig Supercomputer, und das auch noch deutlich energieeffizienter. Sie wollen Landwirtschaft und Verkehr nachhaltiger, Städte und Netze intelligenter und Medikamente besser machen. Sie wollen Wetter, Klima und Umwelt simulieren und so die biologische Vielfalt schützen und den Klimawandel bekämpfen. Kurz: Sie wollen die großen globalen Probleme auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft lösen. Und noch Verschiedenes mehr, indem sie komplexe Fragestellungen in Physik und Chemie angehen, solche in der Künstlichen Intelligenz oder in der Finanzwelt.

Basis dieser Versprechen ist die grundsätzlich neue Art, mit der Quantencomputer rechnen. „Normale“ Computer, Laptops und Smartphones arbeiten mit Bits als Informationseinheit. Ein Bit kennt die zwei Zustände 0 und 1, was mit Stromspannungen abgebildet wird: „keine Spannung“ steht für 0, „Spannung“ für 1.

Quantenbits – kurz Qubits – dagegen können neben 0 und 1 noch viele weitere Zustände dazwischen einnehmen. Daher benötigt man für die gleiche Rechenoperation weniger Qubits als Bits, und die QuBits können auch noch miteinander quantenverschränkt sein. Das macht den Quantencomputer viel effizienter als den binären Computer: Während bei klassischen Computern die Rechenleistung linear mit der Zahl der Bits zunimmt, steigt die Rechenleistung eines Quantencomputers mit zunehmenden Qubits exponentiell. Thomas Lippert, Professor für Modulares Supercomputing und Quantencomputing am Institut für Informatik der Goethe-Universität, macht das an Zahlen deutlich: „Für einen Zustand mit zwei QBits braucht man vier komplexe Zahlen zur Charakterisierung, für einen Zustand mit drei QuBits aber nicht sechs, sondern bereits acht. Und 50 QuBits kodieren nicht etwa 100 Zahlen, sondern 2 hoch 50 komplexe Zahlen – das sind mehr als 1 Billiarde.“

Industriediamant als Herzstück

Lippert ist daher überzeugt, dass Quantencomputer zumindest einige ihrer Versprechen einmal werden einlösen können, vielleicht nicht allein, wohl aber im Verbund mit den klassischen Binärcomputern, denn: „Quantencomputer werden nicht gebaut, um klassische Hochleistungsrechner zu ersetzen. Quantencomputer sind auf dem Gebiet der klassischen Arithmetik ziemlich schwach und lassen sich auch nur sehr begrenzt einsetzen. Vielmehr brauchen wir sie als Ergänzung, um uns Bereiche zugänglich zu machen, die wir bisher einfach noch nicht rechnen konnten.“ Das seien vor allem sehr schwierige Optimierungsprobleme, etwa die Planung von Verkehrsrouten oder Flugplänen. „Wir werden zum Beispiel in der Lage sein, alle paar Sekunden die Verkehrslage in einer Millionenstadt neu zu optimieren und zu steuern.“

Daher hat sich der Computerexperte dafür eingesetzt, dass die Goethe-Universität ihren eigenen Quantencomputer erhalten hat, den ersten in Hessen. Das Gerät namens „Baby Diamond“ stammt vom Start-up-Unternehmen XeedQ. Sein Herzstück ist ein kleiner Industriediamant, in den Stickstoffatome eingebracht werden. Dadurch entstehen Fehlstellen im Kohlenstoff-Kristallgitter des Diamanten, wo ein Laser unterschiedliche Anregungszustände der Atome erzeugen kann, die als QuBits genutzt werden.

Bei der Inbetriebnahme des Baby Diamond: Präsident Enrico Schleiff, Quantencomputer-Experte Thomas Lippert, Digitalministerin Kristina Sinemus, Wissenschaftsminister Timon Gremmels (v.l.) (Foto: Uwe Dettmar)

Der Betrieb läuft bei 20 Grad

Mit fünf QuBit ist der Quantencomputer verhältnismäßig klein, aber er kann – im Gegensatz zu anderen Quantencomputern, die mit flüssigem Helium bis knapp an den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden müssen –  bei 20 Grad Celsius betrieben werden. Das macht ihn außerordentlich gut geeignet für die Forschung, wie Lippert erläutert: „Der Baby Diamond hat bei uns eine dreifache Aufgabe: Wir werden am Baby Diamond selber erforschen, wie man einen Quantencomputer optimal nutzen kann, und wir werden Quantenalgorithmen und Anwendungen entwickeln, insbesondere in Verbindung mit Supercomputern. Zum Dritten ist der Baby Diamond die erste Stufe zu einer Quantencomputing-Infrastruktur für Nutzer*innen aus der Wissenschaft, der Verbund Nationales Hochleistungsrechnen und insbesondere regionalen Unternehmen.“

Ende 2024 wurde der Baby Diamond feierlich in Betrieb genommen – aus der Taufe gehoben, wie Präsident Prof. Enrico Schleiff sagte, der auf den besonderen Ort hinwies, an dem Hessens erster Quantencomputer betrieben wird: „Kaum 100 Meter entfernt, in der Nacht vom 7. auf den 8. Februar 1922, gelang den Physikern Otto Stern und Walther Gerlach an der damals noch jungen Goethe-Universität ein Experiment, dass Otto Stern 1943 den Nobelpreis einbrachte, und das als Stern-Gerlach-Experiment bekannt ist.“ Die beiden Wissenschaftler wiesen nach, dass die magnetischen Momente eines Atoms nicht jede beliebige Richtung einnehmen können, sondern gequantelt sind. Schleiff: „Damit setzten sie einen Meilenstein der Quantenphysik und legten den Grundstein für die Kernspinresonanz-Spektroskopie, die Atomuhr, den Laser – und eben auch den Quantencomputer.“

Die anwesenden Vertreter der Politik, Hessens Wissenschaftsminister Timon Gremmels und Digitalministerin Kristina Sinemus, nahm Präsident Schleiff als „Taufpaten“ in die Pflicht – was beide gerne bestätigten.

Wissenschaftsminister Gremmels meinte: „Der erste funktionierende Quantencomputer an einer hessischen Hochschule ist wahrhaftig ein Anlass zum Feiern. Die Kompetenz und Expertise der Goethe-Universität im klassischen Hochleistungsrechnen zeigt sich bereits durch beeindrucke Erfolge und gute Platzierungen bei den leistungsstärksten und energieeffizientesten Hochleistungsrechnern weltweit. Nun wird diese durch die neue Technologie des Quantencomputing ergänzt und bereichert.“ Auch zukünftig werde sicherlich das Zusammenspiel zwischen klassischen Hochleistungsrechnern und Quantencomputern eine entscheidende Rolle spielen, so der Minister. „Wir brauchen den Mut, Neues auszuprobieren, neue Technologien in der Praxis zu testen und dabei bewährte Methoden zu integrieren. All dies wird hier vor Ort geleistet. Das zeigt, dass das Land Hessen an der Spitze der Entwicklung steht.“

Prof. Kristina Sinemus, Hessische Ministerin für Digitalisierung und Innovation, war überzeugt: „Quantencomputing ist eine Schlüsseltechnologie der Zukunft, die enormes Potenzial für Wertschöpfung und Innovation bietet. In Hessen haben wir in den letzten Jahren eine starke Grundlage geschaffen, um diese Entwicklung aktiv zu gestalten – mit einem exzellenten Ökosystem aus Spitzenforschung, Künstlicher Intelligenz und angewandtem Quantencomputing. Daher haben wir diese Technologie auch bereits in unserer Digitalstrategie verankert. Der Start von ‘Baby Diamond’ an der Goethe-Universität zeigt eindrucksvoll, wie Hessen die Digitalisierung Europas mitgestaltet.“

Anwendung Altersvorsorge

Ulrich Schielein, Vizepräsident und Chief Information Officer der Goethe-Universität, fügte hinzu: „Das Spannende am Baby Diamond ist, dass unsere Forschenden und die Studierenden sogar kleine Details der Mikrowellen-Pulsformen kontrollieren können, die die Quantenbits und ihre Wechselwirkungen manipulieren. So können wir mit dem Baby Diamond den Studierenden der Goethe-Universität eine bislang in Deutschland einzigartige Chance des direkten Kontakts mit einem realen Quantencomputer geben.“ In wenigen Jahren, so Vizepräsident Schielein, könne neben der theoretischen Kompetenz auch die umfangreiche praktische Erfahrung die Goethe-Universität für die Bewerbung eines Quantencomputers der 100-Qubit-Klasse qualifizieren, die die Goethe-Universität auf die akademische Pole-Position bringen werde.

Jetzt schon wartet auf den Baby Diamond ein umfangreiches Programm: Die Frankfurter Gruppe um Prof. Thomas Lippert wird zusammen mit Wissenschaftler*innen in den Niederlanden und Frankreich methodische Anwendungen entwickeln, wozu neue Wege im maschinellen Lernen, Verfahren für die Fehlerkorrektur der – immer noch sehr empfindlichen – Quantencomputersysteme und neue Algorithmen für die Primzahlfaktorisierung zählen. Auch erste konkrete Anwendungsfälle warten auf den Baby Diamond. Dabei geht es um die Berechnung von Problemen aus der Quantenchemie, um die Optimierung von Finanzportfolios zum Beispiel für die Altersvorsorge oder in einer Krankenhaus-Anwendung um die Optimierung der Zeitpläne von Krankenpflegekräften. Das Interesse sei groß, sagt Lippert, besonders unter den informierten Studierenden: „Die stehen heute schon Schlange, um erste Hands-on-Erfahrungen auf dem System zu gewinnen.“

mbe

Wie bekommen Forschende der Goethe-Universität einen Überblick über vorhandene Großgeräte bzw. Infrastrukturen, die sie nutzen können? Und wie können Anbieter spezieller Analyseverfahren oder Synthesen ihre Services fachübergreifend bekannt machen? Kurz: Wie kommen Interessenten, Nutzende und Betreiber besser zusammen und wie ist das Abrechnungs- sowie Buchungsprozedere?

Dies leistet das Goethe Center for (High) Technology (Go4Tec) der Goethe-Universität zum Vorteil vieler Forschenden an der Goethe-Universität, aber auch für den neuen Forschungsverbund Frankfurt Alliance und die Partner im Verbund der Rhein-Main-Universitäten. Im Jahr 2024 wurden nun weitere Schritte gemacht: Die Go4Tec-Satzung wurde verabschiedet, die für alle Beteiligten die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit festlegt. Eine Webseite macht das Angebot inzwischen für Interessenten leicht ersichtlich. Das erste in Go4Tec voll integrierte Goethe Competence Center (GCC), das Frankfurt Center for Emerging Therapeutics (FCET), ist etabliert und wird in naher Zukunft von weiteren fachübergreifenden Infrastruktureinrichtungen gefolgt.

Weitere Informationen unter: Go4Tec

Foto: AG Cornelius Krellner

Unsere neuen Projekte

Von Sonderforschungsbereichen über Graduiertenkollegs bis zu europäischer Einzel- und Verbundförderung: Die Wissenschaftler*innen an der Goethe-Universität waren 2024 mit zahlreichen Projektvorschlägen erfolgreich. Eine Übersicht

Dreimal Sonderforschung mit drei Standorten

Quantenmaterialien mit ungewöhnlichen Eigenschaften, Neuropsychobiologie der Aggression und die Verwendung des zellulären Ubiqitinsystems zur Entwicklung neuer Krebswirkstoffe: Dies sind die Themen der drei Sonderforschungsbereiche (SFB), die 2024 für die Goethe-Universität bewilligt worden sind. Bei allen SFBs handelt es sich um die Variante SFB/Transregio, die an mehreren Standorten angesiedelt sind. Mit dabei sind Partner im Verbund der Rhein-Main-Universitäten.

Wie verändern Quantenmaterialien bei sehr tiefen Temperaturen ihre Eigenschaften? Supraleiter etwa, die zu den bekanntesten Quantenmaterialien gehören, verlieren bei hohen Minusgraden ihren elektrischen Widerstand und leiten so Strom verlustfrei. Der SFB/Transregio 288 „Elastisches Tuning und elastische Reaktion elektronischer Quantenphasen der Materie (ELASTO-Q-MAT)“ untersucht den speziellen Fall von Quantenmaterialien, die ihre Eigenschaften verändern, wenn sie elastisch verformt werden. Im Zusammenspiel zwischen Theorie und Experiment gelang zum Beispiel die Züchtung eines Kristalls, der – bei einer Temperatur von minus 100 Grad Celsius – seinen Magnetismus verliert, wenn auf ihn Druck ausgeübt wird, und wieder magnetisch wird, sobald der Druck nachlässt.

Ziel des Forschungsprojekts ist es, die Funktionsweise solcher Altermagneten und anderer Quantenmaterialien zu verstehen, die Materialien herzustellen und zu untersuchen. Die DFG fördert den TRR 288 bis 2028 mit insgesamt rund 12,8 Millionen Euro.

Der SFB/Transregio 288 wird von Goethe-Universität koordiniert; weitere Antragstellerinnen sind die Johannes Gutenberg-Universität Mainz und das Karlsruher Institut für Technologie. Zu den Partnern gehören die Ruhr-Universität Bochum, das Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden und das Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg.

Link: Transregio288

Link: Forschung Frankfurt

…sind auf die Dauer von bis zu zwölf Jahren angelegte Forschungseinrichtungen der Hochschulen, in denen Wissenschaftler*innen im Rahmen eines fächerübergreifenden Forschungsprogramms zusammenarbeiten. Gefördert werden innovative, anspruchsvolle, aufwendiger und längerfristiger konzipierte Forschungsvorhaben, die der institutionellen Schwerpunkt- und Strukturbildung in den antragstellenden Hochschulen dienen.

…werden von zwei oder drei Hochschulen gemeinsam beantragt und getragen – anders als ein klassischer Sonderforschungsbereich (SFB), der von einer Hochschule beantragt und getragen wird.

Mitantragstellerin ist die Goethe-Universität an folgenden beiden Sonderforschungsbereichen:

Aggression ist ein Symptom ganz unterschiedlicher psychischer Erkrankungen wie der Borderline-Persönlichkeitsstörung, Schizophrenie, ADHS oder bipolarer Störungen. Der SFB/Transregio 379 „Neuropsychobiologie der Aggression: Ein transdiagnostischer Ansatz bei psychischen Störungen“ will verstehen, wie bei solchen Erkrankungen Gene, molekulare Mechanismen, Hormone und Nervenschaltungen auf aggressives Verhalten einwirken. Ziel ist es, aggressives Verhalten zum Beispiel als Reaktion auf Bedrohung oder Frustration vorherzusagen und Biomoleküle zu identifizieren, die es beeinflussen. In einer Längsschnittstudie mit Erkrankten wird der Verbund zudem untersuchen, wie sich das Aggressionsverhalten im Verhältnis zur psychischen Erkrankung entwickelt, um kritische Perioden sowie Zeitfenster für die Aggressionsprävention zu identifizieren. Die DFG fördert den TRR 379 bis 2028 mit insgesamt rund 16 Millionen Euro.

Der SFB/Transregio 379 wird von der RWTH Aachen koordiniert;
zu den weiteren Antragstellerinnen gehört die Goethe-Universität und die Universität Heidelberg. Partner sind das Forschungszentrum Jülich, die Johannes Gutenberg-Universität Mainz und die Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Neben genetisch bedingten Konstruktionsmängeln von Proteinen kann Krebs durch Fehler verursacht werden, die erst nach der Fertigstellung der Proteine entstehen. Der weiter geförderte SFB/Transregio 387: „Funktionalisierung des Ubiquitin-Systems gegen Krebs (UbiQancer)“ will ein zelluläres Proteinmanagementsystem als Basis für die Entwicklung von Therapien gegen Lungen- und Darmkrebs, Akute Myeloische Leukämie (AML) sowie die Blutkrebsformen B-Zell-Neoplasien nutzen, das in die Veränderung und den Abbau eines Großteils der zellulären Proteine involviert ist: das Ubiquitin-System. Der Verbund will Wirkstoffe entwickeln, die dieses System beeinflussen, sodass die Zelle fehlerhafte Proteine gezielt abbaut. Die DFG fördert den TRR 387 bis 2028 mit insgesamt rund 18 Millionen Euro.

Der SFB/Transregio 387 wird von der Technischen Universität München koordiniert; zu den weiteren Antragstellerinnen gehört die Goethe-Universität und die Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Partner sind die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, das Helmholtz Zentrum München, die Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die Universitätsmedizin Mainz und das Max-Planck-Institut für Biochemie ins Martinsried.

Bauen als Prozess

Ein neues Graduiertenkolleg an der Goethe-Universität mit dem Titel „Architekturen Organisieren“ soll Planen, Bauen und Gebautes aus einem gesellschaftlichen Blickwinkel betrachten. Das 2024 bewilligte Kolleg baut auf einem Vorläuferprojekt auf: dem vom RMU-Initiativfonds geförderten und Ende 2023 abgeschlossenen LOEWE-Schwerpunkt „Architekturen des Ordnens“.

Architektur einerseits als Produkt, andererseits auch als Anstoß kollektiver Prozesse: Darum geht es im neuen Graduiertenkolleg am Institut für Kunstgeschichte der Goethe-Universität, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Mai 2024 bewilligt hat. Diese Doppelsinnigkeit drückt sich auch im Titel aus: „Architekturen Organisieren“ lautet er – was zum einen heißen kann, dass Architekturen organisiert werden, zum anderen, dass Architekturen selbst etwas organisieren können. Die im Kolleg entstehenden Doktorarbeiten betrachten Architektur nicht allein als Produkt von Planung und Bauen, sondern von vielschichtigen gesellschaftlichen Prozessen, die damit verbunden sind.

„Architekturen Organisieren” widmet sich also dem Spannungsraum zwischen organisierten und organisierenden Architekturen. „Damit verschieben wir den Fokus von bis heute dominanten Architekturkonzepten und Dispositiven – das schöpferische Subjekt, das künstlerische Einzelwerk, das Gebaute als Abschluss des Planens – hin zu einer Betrachtung ihrer prozessualen Bedingungen. Das Graduiertenkolleg betrachtet Architekturen entsprechend neuerer interdisziplinärer Ansätze auch als deren Auslöser und Katalysatoren“, erklärte Prof. Carsten Ruhl anlässlich der Bewilligung, der an der Goethe-Universität Architekturgeschichte lehrt und Sprecher des Graduiertenkollegs ist.

Das Graduiertenkolleg „Architekturen Organisieren“ fragt danach, wer die Produktion und Wahrnehmung von Architekturen bestimmt und welche Machtbeziehungen sich darin zeigen – wie zum Beispiel in diesem als Panoptikum angelegten Gefängnisbau im niederländischen Breda. (Foto: G.Lanting, CC BY-SA 4. creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons)

Das Kolleg sieht Architekturen als Räume dynamischer Aushandlungsprozesse, die direkt und unauflöslich mit Organisationsformen wie Institutionen, Netzwerken und Diskursen verbunden sind. Als Arbeitsfelder strukturieren sie das Forschungsprogramm des Kollegs.

Im Graduiertenkolleg arbeiten zwölf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität, der TU Darmstadt, der Universität Kassel und des Max-Planck-Instituts für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie zusammen. Neben der Architekturgeschichte, den Sozial-, Kultur-, Rechts- und Geschichtswissenschaften sind auch die Disziplinen Architektur und Städtebau beteiligt. Co-Sprecherin des Kollegs ist Prof. Sybille Frank, Stadt- und Raumsoziologie, TU Darmstadt. Die DFG fördert das Kolleg ab dem 1. November 2024 für eine Laufzeit von zunächst fünf Jahren mit einer Bewilligungssumme von rund 8,1 Millionen Euro.

asa

Was seelische Gewalt ist

In Kindergarten, Schule und Betreuungseinrichtungen kann es zu seelischer Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen kommen. Ein von der DFG gefördertes Netzwerk an der Goethe-Universität nimmt das Phänomen jetzt interdisziplinär in den Blick. Anfang Mai 2024 war die Auftaktveranstaltung.

„Dimensionen seelischer Gewalt in pädagogischen Settings. Theoretische Bestimmungen und empirische Analysen“ – so lautet der Titel des neu gebildeten DFG-Netzwerks an der Goethe-Universität. Der Hintergrund: In pädagogischen „Settings“ kommt es häufig vor, dass Lehrkräfte oder pädagogische Fachkräften seelische Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen ausüben. Da die Erfahrung seelischer Gewalt prägend sein kann für das künftige Leben, ist es dringend erforderlich, dieses Phänomen gründlich zu erforschen. Auch die Kampagne des Kinderschutzbundes „Gewalt ist mehr als du denkst“ macht deutlich, wie aktuell und brisant das Thema ist, und zugleich, wie wenig geklärt ist, wer die Deutungshoheit darüber hat, was in pädagogischen Settings eine Form von Gewalt darstellt.

Auch in der Wissenschaft fehlen bislang allgemeingültige theoretische Bestimmungen. Im erziehungs- und sozialwissenschaftlichen Diskurs wurde darüber zwar vereinzelt diskutiert, die Ergebnisse wurden jedoch noch nicht systematisch aufeinander bezogen. Das nun gegründete Netzwerk soll diese Lücke schließen helfen. Aus unterschiedlichen fachlichen Blickwinkeln sollen darin verschiedene Dimensionen des Phänomens seelische Gewalt herausgearbeitet werden, um so zu einer Theoriebildung zu gelangen. Es werden drei Schwerpunkte gebildet: 1. (vorhandene) normative Positionierungen, 2. Formen seelischer Gewalt und 3. professionstheoretische Perspektiven (und Einordnungen).

Das Netzwerk ist in den Erziehungswissenschaften angesiedelt, bezieht aber Forscherinnen und Forscher mit ein aus der Sozialen Arbeit, der Sozialpsychologie, den Rechtswissenschaften, der Sozialphilosophie, der Sonderpädagogik, der Schulpädagogik sowie der Soziologie (Foto: Anne Piezunka/Goethe-Universität)

Das in den Erziehungswissenschaften angesiedelte Netzwerk bezieht Forscherinnen und Forscher aus der Sozialen Arbeit, der Sozialpsychologie, den Rechtswissenschaften, der Sozialphilosophie, der Sonderpädagogik, der Schulpädagogik sowie der Soziologie ein. Die Mitglieder des Netzwerks verfügen über Forschungserfahrung zu seelischer Gewalt oder verwandten Themen. Auch externe Expertise soll hinzugezogen werden, z.B. Prof. Annedore Prengel (ehemals Seniorprofessorin an der Goethe-Universität) sowie Dr. Dietrich Schotte (Universität Regensburg).

Das Projekt wurde von der Goethe Research Academy for Early Career Researchers (GRADE) anschubfinanziert und wird nun für drei Jahre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Beantragt wurde das Netzwerk von Dr. Anne Piezunka (Goethe-Universität) in Kooperation mit Prof. Dr. Sophia Richter (PH Vorarlberg) und Dr. Marlene Kowalski. Prof. Sabine Andresen, Erziehungswissenschaftlerin an der Goethe-Universität und Präsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes, hat die inhaltliche Mentorenschaft übernommen.

asa

Lassen sich psychische Erkrankungen vorhersagen?

Hilft der Blick in die Pupille von Kleinkindern, um deren Risiko für psychische Erkrankungen vorherzusagen? Um diese Frage zu klären, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft 2024 für das Forschungsprojekt LOCUS-MENTAL im Rahmen des Emmy Noether-Programms 2 Millionen Euro bewilligt.

In Deutschland ist jedes Jahr fast ein Drittel der Erwachsenen von einer psychischen Erkrankung betroffen. Oft zeigen sich Symptome bereits in der Kindheit. Wenn diese nicht erkannt oder sogar manifeste Erkrankungen übersehen werden, kann dies häufig schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Wer zum Beispiel als Kind an einer Angststörung leidet, hat als Erwachsener ein erhöhtes Risiko für eine schwere oder chronische Depression. „Genau hier setzt das Projekt LOCUS-MENTAL an: Die zentrale Frage ist, ob wir bestimmte biologische Risiken hinsichtlich der individuellen Entwicklung einer psychischen Erkrankung vorhersagen können. Dann könnten wir Kinder mit einem erhöhten Risiko gezielt sehr frühzeitig fördern“, erklärt Dr. Nico Bast, Leiter der Klinischen Forschung an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. Sein Forschungsvorhaben wird im Rahmen des Emmy Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit einer Million Euro gefördert; nach positiver Zwischenevaluation des auf sechs Jahre angelegten Projekts steht eine weitere Million in Aussicht.

Dr. Nico Bast

Foto: Universitätsmedizin Frankfurt

Wann reagieren Menschen auf Stress mit psychischem Leid?

LOCUS-MENTAL steht für “Locus-Coeruleus Norepinephrine functioning as a predictor of childhood mental health”. Konkret basiert das Forschungsprojekt auf der Eigenschaft von Menschen, unterschiedlich anfällig für Stress zu sein. Während manche Kinder unter widrigen Umständen Reserven aktivieren, sind andere Kinder bereits mit alltäglichen Tätigkeiten überfordert. „Dabei spielt wahrscheinlich das Locus Coeruleus-Norepinephrine System (LC-NE) eine moderierende Rolle“, erklärt Dr. Bast. Der LC-NE umschreibt einen winzigen Bereich im Hirnstamm, der für die Produktion des Botenstoffs Noradrenalins zuständig ist und mit seinen Verbindungen im Gehirn bestimmt, wie stark wir auf sensorische Reize reagieren. „Untersuchungen haben gezeigt, dass die Aktivität des LC-NE vorhersagt, ob Menschen auf herausfordernde Situationen eher mit psychischen Leid reagieren. Unsere Forschung hat gezeigt, wie wir dieses LC-NE System über die Reaktionen der Pupille mittels Kameras bei Kindern messen und charakterisieren können“, sagt Dr. Bast. Zusätzlich werden weitere biologische Parameter wie Kortisol in Speichel- und Haarproben bestimmt und das Temperament der Kinder mittels Fragebögen erfasst. Das Ziel ist, ein objektives Instrument zur Vorhersage des individuellen Erkrankungsrisikos zu schaffen.

Sprechstunde zur Früherkennung geplant

Die Tests im Rahmen der Studie lassen sich gut in klinische Untersuchungen integrieren. Sie bedeuten kaum zusätzliche Belastung für die Kinder und machen ihnen Spaß. „Mit LOCUS-MENTAL bauen wir dafür in unserer Psychiatrischen Institutsambulanz eine Sprechstunde zur Früherkennung aus“, sagt Professorin Dr. Christine M. Freitag, Direktorin der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. „Das weitere Ziel ist, ein Frühförderzentrum für Kleinkinder mit erhöhtem Risiko oder einer manifesten psychischen Störung zu etablieren. Dies ist grundsätzlich von der Stadt Frankfurt als relevant und förderungswürdig anerkannt worden; die finanziellen Verhandlungen müssen noch abgeschlossen werden. Aufgrund der Kombination von Frühdiagnostik und Frühintervention haben wir mit beiden Einrichtungen und zusammen mit dem innovativen Forschungsprojekt LOCUS-MENTAL eine echte Chance, Kinder mit einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen frühzeitig zu identifizieren und zu fördern. So wollen wir zukünftig chronische psychische Erkrankungen sekundär präventiv deutlich reduzieren.“

pb

…ist ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1997 eingeführtes Programm zur Förderung herausragender Nachwuchswissenschaftler. Es ist nach der deutschen Mathematikerin Emmy Noether benannt.

Wenn Mehrsprachigkeit im Unterricht zum Vorteil wird

Zwei Verbundprojekte der Goethe-Universität im Bereich Linguistik und Medien wurden im November 2024 in ein britisch-deutsches Förderprogramm für Geisteswissenschaften aufgenommen.

Das britisch-deutsche Förderprogramm der DFG fördert im Bereich der Linguistik Professor Dr. Jacopo Torregrossa von der Goethe-Universität für das Projekt „Multilingual Dynamic Assessment for Language and Content Learning: Addressing Sociolinguistic Diversity in India’s Primary Schools“. Das Gemeinschaftsprojekt mit der University of Cambridge kooperiert mit Grundschulen in Indien, das als mehrsprachiges Land durch eine Vielfalt an Sprachen und Dialekten geprägt ist. Das Projekt zielt darauf ab, Bewertungsinstrumente zu entwickeln und einzuführen, die die unterschiedlichen sprachlichen Hintergründe der Schüler miteinbeziehen und über traditionelle, oft einsprachige Bewertungen hinausgehen, die mehrsprachige Lernende benachteiligen können. Das Projekt löst sich von standardisierten von Lernerfolgen, um ein integrativeres und effektiveres Lernumfeld zu fördern. Es geht davon aus, dass die Mehrsprachigkeit im Lernprozess für alle Kinder ein Gewinn ist.

Nicht ganze Filme, sondern Filmstreifen und Standbilder wurden von Mitte der 1920er bis in die 1970er Jahre weltweit zu Bildungs- und Aufklärungszwecken projiziert (Foto: Shutterstock 24058690)

Dem Bereich Medien gehört das zweite geförderte Projekt an der Goethe-Universität an: „Relocating Filmstrips, Remapping Europe“ wird von Professor Dr. Vinzenz Hediger geleitet. Das Forschungsprojekt schließt eine Lücke in der Mediengeschichte: Es untersucht aus einer transnationalen Perspektive Filmstreifen und Standbilder, die von Mitte der 1920er bis in die 1970er Jahre weltweit zu Bildungs- und Aufklärungszwecken projiziert wurden. Dabei geht es darum, einen theoretischen Rahmen für diese Publikationsweise zu entwickeln, über deren pädagogische Wirksamkeit von Zeitgenossen kontrovers diskutiert wurde. Das Projekt sieht auch ein Digitalisierungs- und Konservierungsprotokoll für Filmstreifen vor, das die Zukunft von dieser Gattung sichern und als Basis für ein zu entwickelndes Archiv dienen soll.

Beide Projekte werden durch die DFG und das Arts and Humanities Research Council (AHRC) von UK Research and Innovation (UKRI) gefördert.

pb

Förderung durch Bund und Land

Warum solide Tumore resistent sind

Ein neuer LOEWE-Schwerpunkt CARISMa erforscht Therapien, die mit gentechnisch modifizierten körpereigenen Immunzellen therapieresistente Krebsarten behandeln sollen. Der Forschungsverbund unter Federführung der Goethe-Universität hat dazu im Juni 2024 4,8 Millionen Euro im Forschungsförderprogramm des Landes Hessen bewilligt bekommen.

Das Gebiet der Zelltherapie ist eines der dynamischsten Felder der modernen Hämatologie und Onkologie. Bei einer neuen Therapie, die sogenannten CAR-Therapie, werden patienteneigene Immunzellen durch das Einbringen des CAR-Vektors (CAR ist die Abkürzung für chimärer Antigen-Rezeptor) genetisch so modifiziert, dass sie Tumorzellen gezielt erkennen und immunologisch abtöten können. Bei der Behandlung von Leukämien und Lymphomen hat die CAR-Therapie Erfolge erzielt, bei denen bisherige Therapien versagt haben. Sogenannte „solide“ Tumore wie bösartige Hirn-, Bauchspeicheldrüsen- und Darmtumore erweisen sich dagegen weitgehend resistent gegen diese Therapie.

Der neue LOEWE-Schwerpunkt „Optimierung von CAR-Zelltherapien durch Beeinflussung des ImmunSuppressiven Tumor-Mikromilieus“, kurz CARISMa, will nun zu einem besseren Verständnis beitragen, wie diese Resistenz der soliden Tumore zustande kommt und wie sie verhindert werden kann. Dazu wird erforscht, wie genau die CAR-T-Zellen mit dem Tumor und seinem Tumormikromilieu interagieren und wie neuartige CAR-Zelltherapien entwickelt werden können, die diese Resistenz überwinden. Dazu werden die Projektpartner, die bereits gemeinsam forschen, stärker standortübergreifend und interdisziplinär zusammenarbeiten.

Attacke durch CAR-T-Zelle: Leukämiezellen werden durch eine gentechnisch veränderte T-Zelle angegriffen, die sich zunächst an eine Tumorzelle anheftet und dann Zellgifte in diese injiziert, woraufhin die Leukämiezelle in Partikel zerfällt (Foto: Science Photo Library/EYE OF SCIENCE)

Wie Resistenz verhindert werden kann

Neben der federführenden Goethe-Universität ist an CARISMa die Philipps-Universität Marburg beteiligt, das Frankfurter Institut für Tumorbiologie und experimentelle Therapie (Georg-Speyer-Haus) und das Paul-Ehrlich-Institut in Langen sowie der Blutspendedienst Baden-Württemberg-Hessen. Der neue LOEWE-Schwerpunkt wird auch Synergien schaffen in der Zusammenarbeit mit dem onkologischen Exzellenznetzwerk für translationale Krebsforschung (DKTK) und dem LOEWE-Zentrum Frankfurt Cancer Institute (FCI).

Wissenschaftlicher Koordinator von CARISMa ist Prof. Thomas Oellerich vom Fachbereich Medizin, Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum Frankfurt und Goethe-Universität. Das Forschungsprojekt wird mit ca. 4,8 Millionen Euro für vier Jahre von 2025 bis 2028 gefördert.

Profilbildende Krebsforschung

Prof. Dr. Ivan Đikić entwickelt Medikamente zum Abbau krankheitsrelevanter Proteine. Dafür wurden dem Leibniz-Preisträger im Forschungsförderprogramm LOEWE des Landes Hessen im Oktober 2024 rund drei Millionen Euro für eine LOEWE-Spitzenprofessur an der Goethe-Universität zugesprochen.

„Prof. Đikić gehört zu den meistzitierten Forschenden in den Lebenswissenschaften und ist international angesehen“, erklärte Wissenschaftsminister Timon Gremmels zur Wahl von Ivan Đikićs für eine LOEWE-Spitzenprofessur im Oktober 2024. „Seine wissenschaftlichen Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet – und anderem mit dem Leibniz-Preis. Dreimal ist es ihm bereits gelungen, einen der begehrten Advanced Grants des Europäischen Forschungsrats einzuwerben. Prof. Đikićs Forschungsaktivitäten sind deshalb nicht nur für die strategische Profilbildung am Standort Frankfurt von großer Bedeutung, sondern auch für interdisziplinäre Vernetzung im Bereich der Erforschung von Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Krankheiten wie Krebs.“

Prof. Dr. Ivan Đikić

Foto: Uwe Dettmar

Wirkstoffe gegen Krebs stehen im Fokus

Prof. Đikić verfolgt in seinem Labor einen vielversprechenden Ansatz zur Entwicklung innovativer und effizienter Arzneimittel. Im Vordergrund der LOEWE-Spitzen-Professur steht die Entwicklung von Wirkstoffen gegen Krebs. Der Fokus richtet sich hier auf sogenannte ProxiDrugs (proximitätsinduzierende Medikamente), die den gezielten Abbau von krankheitsrelevanten Proteinen in der Zelle ermöglichen. Sie eröffnen damit neue Therapieoptionen für eine Vielzahl von Erkrankungen; auch für solche, die bisher als nicht therapierbar galten. Der Proteinabbau in der Zelle wird in erster Linie durch das Ubiquitin-System gesteuert. Darin wird das kleine Protein Ubiquitin in einem genauestens regulierten Prozess an ein anderes Protein geknüpft, welches dadurch für den Abbau markiert wird. Die pharmakologische Umprogrammierung dieser Maschinerie ermöglicht die zielgerichtete Degradierung von unerwünschten, krankheitsrelevanten Proteinen.

Ivan Đikić wurde 2002 an die Goethe-Universität berufen; seit 2009 leitet er dort als Direktor das Institut für Biochemie II. Von 2009 bis 2013 war er Gründungsdirektor des Buchmann Instituts für Molekulare Lebenswissenschaften. Im Jahr 2018 wurde Đikić zum Fellow des Max-Planck-Instituts für Biophysik in Frankfurt ernannt. Er ist Mitgründer und Vorstandsmitglied des LOEWE-Zentrums Frankfurt Cancer Institute, Sprecher des BMBF-geförderten Zukunftsclusters PROXIDRUGS und des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs 1177 zur selektiven Autophagie. Für seine biomedizinische Forschung wurde er mit zahlreichen Preisen geehrt, unter anderem 2013 mit den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis. Er ist gewähltes Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der European Molecular Biology Organization (EMBO) und der American Academy of Arts and Sciences.

Bei LOEWE-Spitzen-Professuren erhalten exzellente, international ausgewiesene Forschende für fünf Jahre zwischen 1,5 und 3 Millionen Euro für die Ausstattung ihrer Professur.

LOEWE-Start-Professuren richten sich an exzellente Forschende in einem frühen Stadium ihrer Karriere, die mit einer Ausstattung von bis zu zwei Millionen Euro für den Zeitraum von sechs Jahren für den Wissenschaftsstandort Hessen gewonnen oder hier gehalten werden.

Neue Methoden für Multi-Spin-Systeme

Die Expertin für molekulare Spintronik Dr. Sabine Richert erforscht, wie Materie besser verstanden werden kann. Im Oktober 2024 wurde ihr dafür eine LOEWE-Start-Professur an der Goethe-Universität zugesprochen.

„Dr. Richert ist eine aufstrebende Wissenschaftlerin, deren Arbeiten nicht zuletzt wegen ihres großen Anwendungspotentials international Beachtung finden“, erklärte Wissenschaftsminister Timon Gremmels bei der Bekanntgabe. „An der Schnittstelle von Physik, Chemie und Materialwissenschaften wird sie entscheidend zur interdisziplinären Vernetzung beitragen, in Frankfurt und weit darüber hinaus.“ Das Forschungsförderprogramm LOEWE des Landes Hessen stellt für die von Sabine Richert intendierte Zusammenführung von optischer Spektroskopie und paramagnetischer Resonanz rund 1,2 Millionen Euro über einen Zeitraum von sechs Jahren bereit.

Dr. Sabine Richert

Foto: privat

Neue Methoden für Multi-Spin-Systeme

Der Aufbau von Materie wird wesentlich durch den Drehimpuls von Elektronen in Molekülen (Spin) bestimmt. Durch die Anregung mit Licht wird die Gruppe um Sabine Richert verschiedene Spinzustände erzeugen und so Multi-Spin-Systeme bilden, durch die neue Erkenntnisse über die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Materie gewonnen werden können. Dafür entwickeln sie neuartige Methoden: Die üblicherweise getrennt betriebene optische Spektroskopie und die paramagnetische Resonanz (EPR) sollen zusammengeführt werden. Ein ehrgeiziges Ziel ist es, die Messbedingungen und die Empfindlichkeit so zu verbessern, dass die Experimente bei Raumtemperatur möglich werden. Dies wird nicht nur weitreichende wissenschaftliche Erkenntnisse hervorbringen, sondern auch Einfluss in der Anwendung haben, etwa im Hinblick auf eine verbesserte Umwandlung von Solarenergie, zur Optimierung von elektronischer Datenverarbeitung oder zur Fertigung neuartiger Quantencomputer.

Nach einem Studium an der TU Graz war Dr. Richert Forschungsassistentin am Institut für Physikalische Chemie der Universität Genf. Anschließend wechselte sie an die University of Oxford, wo sie 2017 promoviert wurde. Nach einer ersten Postdocphase führte ihr Weg weiter nach Freiburg, wo sie ab 2019 eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Spin-Kohärenz-Transfer in lichtinduzierten Multi-Spin Systemen“ leitete. Ihre Forschung wurde 2023 mit dem Heinz Maier-Leibnitz-Preis ausgezeichnet.

Abbau krankheitsrelevanter Proteine im Fokus

Das Zukunftscluster PROXIDRUGS erforscht und entwickelt Wirkstoffe, die zum Abbau krankheitsrelevanter Proteine durch den Körper führen. Im August 2024 wurde die zweite Umsetzungsphase mit bis zu 15 Millionen Euro bewilligt. Koordiniert durch die Goethe-Universität haben sich 21 Partner aus Wissenschaft, biotechnologischer und pharmazeutischer Industrie zusammengeschlossen.

Fehlerhaft funktionierende Proteine verursachen oder begünstigen viele Erkrankungen, darunter Krebs, verschiedene neurodegenerative Leiden, Entzündungskrankheiten oder Infektionen. Schätzungen zufolge können jedoch nur 20 Prozent dieser Proteine durch klassische, kleinmolekulare Wirkstoffe blockiert werden. Die verbleibenden 80 Prozent der krankheitsrelevanten Proteine sind bislang therapeutisch nicht zugänglich.

Seit 2021 treiben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Zukunftsclusters PROXIDRUGS die Entwicklung einer neuen Wirkstoffklasse voran, die das zelleigene Verwertungssystem für Proteine dazu nutzt, um krankheitsrelevante Proteine gezielt abzubauen. PROXIDRUGS wurde durch eine unabhängige Jury erfolgreich evaluiert. Im August 2024 wurde bekanntgegeben, dass der Bund das Projekt für weitere drei Jahre mit bis zu 15 Millionen Euro gefördert.Koordiniert durch die Goethe-Universität wurde die Zahl der Partner aus Wissenschaft, biotechnologischer und pharmazeutischer Industrie von neun auf 21 erhöht.

Symbolische Darstellung der Funktion von PROXIDRUGS: Der Wirkstoff bringt 2 Proteine wie die beiden hier gezeigten Hände zusammen. (Grafik modifiziert nach Irina Bezsonova)

Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, sagte: „Der Zukunftscluster PROXIDRUGS ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie sich aus der Vernetzung der Goethe-Universität in der Rhein-Main-Region ein Innovationsnetzwerk entwickelt, das weit über die Region hinausstrahlt. 2015 hat die Goethe-Universität gemeinsam mit der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und der Technischen Universität Darmstadt einen in Deutschland einzigartigen Universitätsverbund gegründet, die Rhein-Main-Universitäten, RMU. PROXIDRUGS zeigt jetzt sein Potenzial als ‚Transfer-Beschleuniger‘, der sich nachhaltig in der Rhein-Main-Region etablieren wird.“

PROXIDRUGS ist eines der 14 Projekte der Zukunftsclusterinitiative der Bundesregierung, welche den Transfer von Forschung in die Anwendung fördert. Der „Clusters4Future“-Wettbewerb des BMBF startete im Sommer 2019 als Teil der Hightech-Strategie 2025 mit dem Ziel, in regionalen Spitzenstandorten den Wissens- und Technologietransfer zu fördern. PROXIDRUGS wurde seit 2021 für eine erste dreijährige Umsetzungsphase gefördert; 2025 beginnt die zweite von insgesamt drei möglichen Umsetzungsphasen.

Ein Blick unter die Erde: Neue Technologien für sichere Geothermie

Die Goethe-Universität ist an dem Verbundvorhaben AGENS beteiligt, das im Juni 2024 gestartet ist. Ihre Aufgabe: seismische Aktivitäten zu überwachen.

Ziel des Projekts ist die Erschließung und Optimierung geothermischer Ressourcen im Oberrheingraben, um die Wärmeversorgung in Städten wie Speyer und Schifferstadt nachhaltiger zu gestalten. Das Vorhaben wird mit einer Gesamtsumme von 44,4 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) über eine Laufzeit von fünf Jahren gefördert. Unter zahlreichen Partnern hat die Goethe-Universität die Aufgabe, ein seismisches Monitoringsystem zu entwickeln. Dabei werden fortschrittliche Technologien wie hochauflösende vertikale Glasfaser- und Geophonarrays eingesetzt, um die seismische Aktivität im Bereich der geothermischen Anlagen kontinuierlich zu überwachen. Ziel ist es, Risiken durch induzierte Seismizität zu reduzieren und die Sicherheit der Anlagen zu verbessern.

Das Projekt ist interdisziplinär angelegt und umfasst die Zusammenarbeit verschiedener Universitäten und Forschungseinrichtungen. Die Teilnahme der Goethe-Universität ermöglicht die Weiterentwicklung geowissenschaftlicher Forschung im Bereich der geothermischen Energie und trägt zur wissenschaftlichen Begleitung des Projekts bei.

+++ Global-Professur +++

Die Sprachwissenschaftlerin Saloumeh Gholami erhält die renommierte Global-Professur der British Academy und kann damit fünf Jahre lang an der Universität Cambridge forschen. Durch die Kooperation mit international ausgewiesenen Wissenschaftler*innen soll die Forschung des Vereinigten Königreichs bereichert werden.

Ausgezeichnet für innovative Sprachforschung der Zoroastrier

+++ Baker McKenzie-Preis +++

Dr. Julia Hoffmann und Dr. Philipp Sebastian Tilk werden mit dem Baker McKenzie-Preis 2023 für ihre herausragenden Dissertationen in der Rechtswissenschaft ausgezeichnet. In ihrer Forschung haben sie sich mit der Standardsetzung im Umweltrecht bzw. mit der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Verbraucherdarlehen befasst.

Ausgezeichnet: Juristische Arbeiten zu Bankenaufsicht und Förderbanken

+++ Leopoldina-Mitglied +++

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat Prof. Volker Müller, Leiter der Abteilung Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik, als neues Mitglied der Sektion Mikrobiologie und Immunologie aufgenommen. Die Leopoldina ist die älteste naturwissenschaftliche-medizinische Akademie der Welt, vertritt die deutsche Wissenschaft im Ausland und berät Politik und Öffentlichkeit.

Mikrobiologe Prof. Volker Müller von der Goethe-Universität ist neues Mitglied der Leopoldina

+++ Deutscher Krebspreis 2024 +++

Für seine exzellenten Arbeiten in der Krebsmedizin und -forschung erhält Prof. Dr. Claus Rödel vom Universitätsklinikum Frankfurt neben anderen den Deutschen Krebspreis 2024. Der Preis der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Krebsstiftung zählt zu den höchsten Auszeichnungen in der Onkologie.

Der Deutsche Krebspreis 2024 für klinische Krebsforschung geht an Prof. Claus Rödel

+++ Wildtierpreis +++

Für herausragende Leistungen im Bereich des Wildtierschutzes wird das Teilprojekt „Jagd, Naturschutz und Wissenschaft – Hand in Hand für den Erhalt einer artenreichen Herpetofauna“ des Forschungsgroßprojektes ZOWIAC mit dem Hessischen Wildtierpreis geehrt. Das Projekt ZOWIAC, geleitet von Prof. Dr. Sven Klimpel, Goethe-Universität und Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, untersucht die Auswirkungen gebietsfremder Arten wie Waschbär oder Marderhund auf die heimischen Ökosysteme.

Hessischer Wildtierpreis geht an Projekt von Goethe-Universität, Senckenberg Gesellschaft und NABU

+++ Freunde-Preise+++

Jährlich zeichnen die Freunde und Förderer der Goethe-Universität hervorragenden wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität aus, in diesem Jahr mit Preisgelder in Höhe von 41.500 Euro. Es handelt sich unter anderem um den Wilhelm Bender-Dissertationspreis, den WISAG-Preis und den Dr. Friedrich Sperl-Preis. Weitere Preise sind der Preis der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität für den naturwissenschaftlichen Nachwuchs, die Frankfurter Habilitationspreise, Mediterran-Preise und der Dr. Paul und Cilli Weill-Preis.

Akademische Feier für kluge Köpfe (1/3): Freundesvereinigung würdigt exzellente wissenschaftliche Leistungen

+++ Berufen +++

Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und Professor für Ökosystemwissenschaften an der Goethe-Universität, wird vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in den Wissenschaftsrat berufen. Der international führende Gewässerökologe berät nun für eine Laufzeit von drei Jahren die Bundesregierung und die Regierungen der Länder.

Klement Tockner wird Mitglied im Wissenschaftsrat der Bundesregierung

+++ Ehrenprofessur +++

Luciano Rezzolla, Professor für Theoretische Astrophysik an der Goethe-Universität, erhält eine Ehrenprofessur der New Uzbekistan University für seine enge Zusammenarbeit mit der akademischen Gemeinschaft der New Uzbekistan University und für seine weltweit bedeutenden Beiträge zur Physik und Astrophysik.

Luciano Rezzolla erhält Ehrenprofessur der Neuen Universität Usbekistan

+++ Förderpreis +++

Prof. Catherine Whittaker erhält den mit 5.000 Euro dotierten Förderpreis 2024 der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Goethe-Universität. Mit diesem Preis werden promovierte Frankfurter Wissenschaftler*innen ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise für eine weitere wissenschaftliche Tätigkeit qualifiziert haben. Catherine Whittaker bekleidet seit 2021 eine Qualifikationsprofessur (Juniorprofessur) für Ethnologie am Institut für Ethnologie der Goethe-Universität.

+++ Höchst geehrt +++

Die Meeresforscherin Prof. Angelika Brandt von der Goethe-Universität und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung erhält eine der weltweit höchsten Ehrungen für außergewöhnliche Leistungen in den Biowissenschaften. Der 40., in Anwesenheit der kaiserlichen Hoheiten Japans verliehene „International Prize for Biology“ würdigt Angelika Brandts Lebenswerk in der Erforschung der Tiefsee- und Polarbiodiversität.

Tiefsee-Forschung: „International Prize for Biology“ geht an Angelika Brandt

 

Von der Goethe-Universität vergebene Preise

+++ Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis +++

Für die Entdeckung der ersten Wörter der biochemischen Sprache, mit der Darmbakterien unser Immunsystem erziehen und damit für dessen gesunde Entwicklung sorgen, wird der Arzt und Immunologe Dennis L. Kasper von der Harvard Medical School in der Frankfurter Paulskirche mit dem mit 120.000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2024 ausgezeichnet. Den Nachwuchspreis erhält der Chemiker Johannes Karges von der Ruhr-Universität Bochum.

Wie Darmbakterien unser Immunsystem erziehen und wie Krebsmedikamente sich fernsteuern lassen

+++ Preis für Umwelt und Nachhaltigkeit +++

Den mit insgesamt 5.000 Euro dotierten „Frankfurter Preis für Umwelt und Nachhaltigkeit 2024“ erhalten fünf Nachwuchswissenschaftler*innen der Goethe-Universität für ihre Abschlussarbeiten. Den Hauptpreis teilen sich Dr. Pia Eibes aus dem Fachbereich Geowissenschaften und Dr. Elisabeth Schemmer aus dem Fachbereich Rechtswissenschaften für ihre Dissertationen. Der Förderpreis geht an drei Wissenschaftlerinnen für außergewöhnliche Masterarbeiten: Bianca Dechent im Fachbereich Biologie, Lena Große Schute im Fachbereich Geowissenschaften und Annika Troitzsch im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften. Die Preise werden vom GRADE Center Sustain der Goethe-Universität gestellt.

+++ Werner-Pünder-Preis +++

Silvia Steininger ist mit dem renommierten Werner Pünder-Preis 2024 ausgezeichnet worden. Steininger ist Postdoktorandin an der Hertie School Berlin, Centre for Fundamental Rights, und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law. Die Auszeichnung, die jährlich von der Goethe-Universität verliehen wird, würdigt die beste Dissertation zum Thema Freiheit und Autorität im historischen und aktuellen Kontext.

Postdoctoral researcher Dr Silvia Steininger wins Werner Pünder Prize 2024

+++ Cornelia-Goethe-Preis +++

Die Literaturwissenschaftlerin Franziska Haug erhält den. Der Preis wird seit 2002 durch den Förderkreis des Cornelia Goethe-Centrums alle zwei Jahre vergeben und ist mit 2.000 Euro dotiert.

Cornelia Goethe-Preis 2024 geht an Literaturwissenschaftlerin Franziska Haug

+++ Preis x 2 +++

Jährlich vergibt die Goethe-Universität den „Public Service Fellowship-Preis“ an Wissenschaftler*innen der Goethe-Universität; der Präsident der Universität verleiht zudem den New Horizon-Preis. Im Rahmen einer festlichen Veranstaltung im IG-Farben-Haus wurden beide Preise überreicht: Der „Public Service Fellowship“ ging an den Humangeographen Martin Lanzendorf, „New Horizon“ an das Team des Wissenschaftsgartens.

Goethe-Universität hat zwei Preise vergeben: „Public Service Fellowship“ geht an den Humangeographen Martin Lanzendorf, „New Horizon“ an das Team des Wissenschaftsgartens

+++ Preis-Neuling +++

Der Frankfurter Chemiker Maxim Bykov erzeugt durch extrem hohen Druck und Hitze im Labor neuartige Materialien. Auch wegen dieses Erfolges erhält Bykov den Helga-Marrel-Preis der Adolf-Christ-Stiftung, der erstmals vergeben wird. Gedacht ist die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung für Wissenschaftler der Goethe-Universität, die sich in der Phase zwischen Promotion und Professur befinden und herausragende wissenschaftliche Leistungen erbracht haben.

Mit Hochdruck zum nächsten Juwel

Förderung durch Stiftungen

Die Rolle der Kirchen im namibischen Freiheitskampf

Es war ein langer Kampf, bis die Republik Namibia 1990 unabhängig wurde. Welche Rolle hat die Verflechtung von Politik, Kirche und Theologie im Freiheitskampf gegen die südafrikanische Mandatsverwaltung gespielt? Dieser Frage geht ein Forschungsprojekt an der Goethe-Universität nach: Die Volkswagenstiftung gab im Juli 2024 die Finanzierung des Projekt bekannt.

Die lutheranische Christuskirche und das „Independence Memorial Museum“ in Windhoek (Foto: Simone Crespiatico_shutterstock)

Insgesamt 541.400 Euro sagte die Volkswagenstiftung für das Projekt mit dem Titel „Decolonizing Postcolonialism. Zur Verflechtungsgeschichte von Politik, Kirche und Theologie im namibischen Freiheitskampf (1957-1990)“ im Juli 2024 zu. Antragsteller ist Prof. Stefan Michels, der am Fachbereich Evangelische Theologie der Goethe-Universität historische Theologie lehrt. „Die religionshistorische und theologische Forschung zu Namibia bezieht sich meist auf die Kolonialzeit. Hinsichtlich der kirchlichen Zeitgeschichte Namibias gibt es bislang kaum Forschung. Ich bin sehr froh darüber, dass die Volkswagen-Stiftung unser Projekt als Risikovorhaben finanziert und wir den Wissensstand erweitern können. Dem Zentrum für interdisziplinäre Afrikaforschung (ZiAF) bin ich sehr dankbar für die Unterstützung in der Vorbereitungsphase“, sagt Prof. Michels.

Namibias politische Identität ist von einer wechselvollen Geschichte zwischen Fremdherrschaften und freiheitlicher Selbstbestimmung geprägt: Im Jahr 1884 wurde das riesige Gebiet im Südwesten Afrikas zum „Schutzgebiet“ des Deutschen Reiches erklärt und blieb bis zum Ende des Ersten Weltkriegs deutsche Kolonie mit dem Namen „Deutsch-Südwestafrika“. 1920 kam es unter die Mandatsverwaltung von Südafrika und damit in die Hoheitsgewalt des Nachbarstaates, der durch das System der Apartheid geprägt war. Die Unabhängigkeit erlangte Namibia am 21. März 1990 nach militärischen Auseinandersetzungen insbesondere zwischen 1960 und 1989 (sog. „Namibischer Befreiungskampf“) zwischen der namibischen „People’s Liberation Army of Namibia“ (PLAN) und dem südafrikanischen Militär.

Insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind vielfältige Emanzipationsbewegungen entstanden, die mit Blick auf die politischen, aber auch die kirchlichen Beziehungen zu Europa und Südafrika in den Kampf um politische Unabhängigkeit mündeten. Während der Kolonialisierung Namibias im 19. Jahrhundert, deren Schatten die gesellschaftlichen Diskurse im Land bis heute prägen, etablierten sich die christlichen Kirchen und Glaubensgemeinschaften im Land, die auch in nachkolonialer Zeit in engem Austausch mit den Kirchen ihrer Herkunftsländer blieben.

Das Projekt zielt darauf ab, die Verflechtung von Politik, Kirche und Theologie zu analysieren. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Frage, welche Rolle insbesondere die Theologie der Befreiung für ein freies Namibia gespielt hat. Bisher nicht erfasstes Archivmaterial soll untersucht, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sollen befragt werden. Die Erkenntnisse über die Verflechtung von Kirche und Politik könnten im Sinne einer Netzwerkanalyse das grundlegende Verständnis der Geschichte der Emanzipierung unterdrückter Freiheitsbestrebungen sowie der Rolle der Kirchen und der Religion verbessern. Zudem erlauben sie einen weiteren Einblick in die ‚Black Liberation Theology‘ im südlichen Afrika.

Ob die Rolle der vielen unterschiedlichen Kirchen und kirchlichen Gruppen im Befreiungskampf Namibias eher als positiv oder als unrühmlich beschrieben werden kann, diese Frage gehen Michels und sein Team – das Projekt beinhaltet zwei Hilfskraft- und eine Postdoc-Stelle – ganz offen an. Die Vorrecherchen hätten gezeigt, dass es durchaus Widerstand gegen die Befreiungsbewegung gab – aus Sorge vor einer weiteren kommunistisch motivierten Aggression. Andererseits hätten einzelne Partnerkirchen in Deutschland die Bewegung proaktiv unterstützt. Um einen möglichst umfassenden Überblick zu erhalten, will Michels eng mit namibischen Wissenschaftsteams zusammenarbeiten. Für ihn ist das Projekt möglicherweise erst der Anfang eines noch größeren Forschungsvorhabens.

Die Initiative „Pioniervorhaben: Explorationen des unbekannten Unbekannten“ der VW-Stiftung fördert 15 risikobehaftete Projekte mit insgesamt 7,9 Millionen Euro. Dabei werden bewusst Forschungsvorhaben gewählt, die große Durchbrüche in der Grundlagenforschung erbringen könnten – oder ihre Ziele verfehlen. Die Option des Scheiterns könne ausdrücklich einkalkuliert sein, da nur so entsprechende Risiken eingegangen würden und im Erfolgsfall hohes Erkenntnispotenzial bestehe, heißt es in der Pressemitteilung der Volkswagenstiftung.

asa

Die erste deutsche Professur für Suizidologie

Seit November 2024 bereichert Ute Lewitzka mit ihrem Wissen und ihrem Engagement für die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen die Goethe-Universität.

Es hat einige Zeit gedauert, bis ihr Wunsch Realität wurde – Ute Lewitzka engagierte sich lange dafür, dass die Suizidologie in Deutschland eine eigene Professur erhält. Seit dem 1. November 2024 ist dies nun endlich der Fall: An der Goethe-Universität wurde die bundesweit erste dieser Art eingerichtet. Obwohl die Erforschung von Selbsttötungen ein Nischenthema innerhalb der Psychiatrie darstellt, ist ihre gesellschaftliche Bedeutung unbestreitbar. Im vergangenen Jahr starben mehr als 10 000 Menschen durch Suizid – eine Zahl, die seit rund 20 Jahren relativ konstant bleibt. Dabei betrifft das Thema Menschen aller Altersgruppen und sozioökonomischen Hintergründe. Die Zahl der Suizidversuche wird auf das 10- bis 20-Fache geschätzt, wobei Expert*innen von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Die lückenhafte Datenlage, bedingt durch verschiedene Faktoren, erschwert jedoch eine erfolgreiche Prävention. „Je mehr wir über Suizide und Suizidversuche wissen, desto bessere Präventionsmaßnahmen können wir entwickeln“, betont Lewitzka, „und so betroffenen Menschen optimal helfen.“

Prof. Dr. Ute Lewitzka, Professorin für Suizidologie

Foto: privat

Es ist kein Zufall, dass die Professur für Suizidologie und Suizidprävention ausgerechnet an der Goethe-Universität zustande kam. Sie ist im Fachbereich Medizin angesiedelt, genauer gesagt an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Diese Klinik zählt national wie international zu den führenden Einrichtungen im Bereich der Stimmungserkrankungen und wurde bereits mehrfach für ihre exzellente Behandlung ausgezeichnet. Auch die Wissenschaft hat hier einen hohen Stellenwert, wie das Engagement von Klinikdirektor Prof. Andreas Reif zeigt. Er hat in den vergangenen Jahren nachhaltige Strukturen für die Suizidprävention und die damit verbundene Forschung aufgebaut und die Einrichtung der Stiftungsprofessur vorangetrieben. „Ich bin ihm sehr dankbar, dass er sich dafür so stark gemacht hat“, betont Lewitzka. Die Professur wird durch Mittel des Universitätsklinikums Frankfurt sowie durch die Dr. Elmar und Ellis Reiss Stiftung, die Crespo Foundation und die Henryk Sznap Stiftung finanziert.

Die Verringerung von Suizidzahlen ist ihre größte Motivation

Ute Lewitzka begleitet bereits seit ihrer Facharztausbildung am Dresdner Universitätsklinikum Menschen mit Stimmungserkrankungen – darunter immer wieder auch suizidale Patient*innen. „Es macht sehr demütig, Menschen in so einer elementaren Krise zu begegnen“, beschreibt sie. „Zu erleben, dass es auch wieder gut wird, hat etwas Existenzielles an sich und hilft genau, diese Hoffnung auch immer wieder zu vertreten.“ Dieses „Wieder-gut-werden-können“ und die Verringerung der Suizidzahlen sind die größte Motivation für ihre Forschung. Bereits vor 20 Jahren befasste sie sich in ihrer Doktorarbeit mit der Veränderung von Neurotransmittern bei suizidalen Patient*innen. Die Suizidologie hat sie seither nicht mehr losgelassen. Die 2005 von ihr gegründete Arbeitsgruppe Suizidforschung beschäftigte sich mit zahlreichen klinischen Forschungsarbeiten zu suizidologischen Fragestellungen – häufig in Kooperation mit anderen Fachdisziplinen (z. B. Gynäkologie, Neurologie, Psychoonkologie). Von 2008 bis 2010 war Lewitzka als Oberärztin der psychiatrischen Akutstation am Dresdner Universitätsklinikum tätig. Von 2010 bis 2012 arbeitete sie als Visiting Assistant Professor an der Dalhousie University in Halifax (Kanada) und forschte dort zu Kindern, deren Eltern an einer bipolaren Störung erkrankt waren. Zurück in Deutschland widmete sie sich verstärkt der Forschung und untersuchte für ihre Habilitationsschrift den Einfluss von Lithium auf Suizidalität und affektive Störungen.

Ehrenamtliches Engagement außerhalb der Klinik war der Medizinerin schon immer ein großes Anliegen. Im Jahr 2017 gründete sie das Werner-Felber-Institut für Suizidprävention und interdisziplinäre Forschung im Gesundheitswesen (WFI) und übernahm 2018 den Vorsitz der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS). Mit diesen gemeinnützigen Organisationen setzt sie sich insbesondere dafür ein, Akteure zu vernetzen und das Thema Suizidalität aus der Tabuzone zu holen. „Die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen spielt eine entscheidende Rolle für die Prävention“, erklärt Lewitzka. „Nicht nur fehlende Informationen über mögliche Hilfen, auch Schamgefühle bei Betroffenen senken die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich Hilfe suchen.“

Sensibilisieren mit Workshops an Schulen

Ein Beispiel für ein solches Präventionsprojekt ist das Netzwerk „HEYLiFE“ in Sachsen, das mit Workshops an Schulen gezielt Jugendliche und Lehrkräfte für das Thema Suizidalität sensibilisiert. Neben der Vermittlung von Wissen stehen dabei konkrete Bewältigungsstrategien und die Kommunikation über psychische Probleme im Fokus. Bereits im ersten Jahr konnten durch die Workshops mehrere Tausend Jugendliche an weiterführenden Schulen erreicht werden. Die Evaluation des Projekts gehörte zu den Arbeiten von Lewitzkas Team in Dresden. Besonders ermutigend sind deren Ergebnisse: Jugendliche sind nach dem Workshop eher bereit, für sich selbst oder für ihre Mitschüler*innen Hilfe zu holen. Besonders beeindruckend ist, dass dies mit einem einmaligen, 180-minütigen Workshop erreicht werden konnte und diese positiven Effekte bis zu sechs Monate nach dem Workshop sichtbar waren. In Frankfurt steht Lewitzka bereits mit einem ähnlichen Projekt in Kontakt, um auch in ihrer neuen Teilzeit-Heimat die Suizidprävention weiter voranzubringen. Weitere Akteure im Rhein-Main-Gebiet sollen ebenfalls eng mit der neuen Professur zusammenarbeiten, darunter die Notrufleitstellen. Diese wurden bereits in einem sächsischen Projekt von Lewitzka und ihren Kolleg*innen erfolgreich in die Erforschung von Suizidversuchen und Suiziden eingebunden. Durch die systematische Erfassung eingehender Notrufe können die Forschenden regelmäßig Analysen zu den gewählten Orten und Methoden durchführen, um präventive Maßnahmen zu entwickeln.

Dass es trotz eines fundierten Kenntnisstands zur Suizidprävention oft an der praktischen Umsetzung scheitert, ist Lewitzka ein Dorn im Auge: „Wir wissen eigentlich sehr genau, mit welchen Maßnahmen man Suiziden vorbeugen kann. Doch leider ist dies oft auch eine politische und wirtschaftliche Frage.“ Von der Professur erhoffe sie sich daher auch einen „längeren Hebel“ in gesellschaftspolitischen Diskussionen. Außerdem freue sie sich besonders auf die Lehre. Begeistert berichtet sie von einem Wahlfach, das sie in der Vergangenheit mit unterschiedlichsten Expert*innen organisiert hat. „Wenn es mir gelingt, Medizinstudierende für das Thema zu begeistern und den Forschungsnachwuchs zu fördern, ist schon viel gewonnen.“

pma

Wenn das Erbgut sich verändert

Es ist ein doppelter Erfolg für die Wissenschaft an der Klinik für Kinder-und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt: Im August 2024 gab die Deutsche Krebshilfe bekannt, dass sie Dr. Hannah Uckelmann und Dr. Marit Vermunt in das renommierte Max-Eder-Programm aufnimmt. In den kommenden vier Jahren werden die Wissenschaftlerinnen die Rolle des sogenannten Epigenoms bei Krebs untersuchen.

Krebs entsteht nicht nur durch Veränderungen der DNA-Sequenz – Mutationen –, die zu fehlerhaften Proteinen führen. Auch zum Beispiel chemische Veränderungen der DNA oder der Proteine (Histone), um die die DNA gewickelt ist, beeinflussen die Aktivität von Genen und können, wenn hier Fehler auftreten, die Entstehung und das Wachstum von Tumoren begünstigen. Die Deutsche Krebshilfe fördert zwei Leukämie-Forscherinnen am Universitätsklinikum Frankfurt mit 1,5 Millionen Euro, die die Funktion des sogenannten Epigenoms bei Krebs untersuchen, also der Erbgutveränderungen, die sich nicht in der Reihenfolge der DNA-Basen niederschlagen. Beide Wissenschaftlerinnen forschen an der Klinik für Kinder-und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt unter der Leitung von Prof. Jan-Henning Klusmann.

Dr. Marit Vermunt (l.) und Dr. Hannah Uckelmann: Beide Wissenschaftlerinnen forschen an der Klinik für Kinder-und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt (Foto: privat)

Dr. Hannah Uckelmann konzentriert sich in ihren Forschungsarbeiten auf solche epigenetischen Faktoren, die für das Überleben von Krebszellen wichtig sind. Mit ihrer Max-Eder-Nachwuchsgruppe verfolgt sie das Ziel, neue Therapieoptionen für akute myeloische Leukämien zu entwickeln. Dabei versucht sie unter anderem, kooperierende Faktoren des an der Zellteilung beteiligten Proteins NPM1c mittels der „Genschere“ CRISPR-Cas9 und Proteinanalysen zu entschlüsseln und Krankheitsmodelle zur Identifizierung neuer spezifischer Therapieansätze zu entwickeln. Dr. Hannah Uckelmann kehrte kürzlich von ihrem Postdoktorandenstipendium am Dana-Farber Cancer Institute in Boston zurück und kann nun ihre Forschung auf dem Gebiet der akuten myeloischen Leukämie weiter vorantreiben.

…unterstützt hochqualifizierte junge Ärzte und Wissenschaftler in der Krebsforschung nach einem Postdoc-Aufenthalt im Ausland. Die Förderung ermöglicht es Forscherinnen und Forschern, eine eigene Arbeitsgruppe aufzubauen und ihre Karriere im Bereich der klinischen Onkologie weiterzuentwickeln.

Dr. Marit Vermunt war Postdoktorandin am Children’s Hospital of Philadelphia, wo sie sich auf die Rolle bestimmter Steuerungsproteine (Transkriptionsfaktoren) bei der normalen Blutbildung konzentrierte. Als Max-Eder-Stipendiatin in Frankfurt wird sie nun die Rolle epigenomischer Modifikatoren bei Krebs untersuchen. DNA-Methylierungsenzyme und Proteine, die die DNA räumlich organisieren (wie Cohesin oder der Chromatinorganisator CTCF), sind bei bösartigen Erkrankungen häufig mutiert, und eine Reihe von Krebstherapeutika zielen auf das Epigenom ab. Vermunt und ihr Team wollen untersuchen, wie solche epigenomischen Merkmale zur Entstehung von Leukämien beitragen. Die Forschung wird sich auf die Entdeckung krebsspezifischer epigenomischer Merkmale konzentrieren sowie auf die Transkriptionsfaktoren. Ziele sind die Identifizierung von Krebs-Biomarkern und von therapeutischen Zielstrukturen.

Kleine Moleküle für die Krebstherapie

Kleine Moleküle, die genetische Schalter in Krebszellen regulieren: Darauf konzentriert sich das Forschungsnetzwerk „Targeting Transcriptional Addiction in Cancer (TACTIC)“. Die Deutsche Krebshilfe hat im Juni 2024 bekannt gegeben, TACTIC im Rahmen des Sonderförderprogramms „Präklinische Medikamentenentwicklung“ mit 11,8 Millionen Euro für fünf Jahre zu fördern.

Im Rahmen von TACTIC konzentrieren sich die Forscherinnen und Forscher auf die Entwicklung kleiner Moleküle, die genetische Schalter in Krebszellen regulieren sollen. Durch die Korrektur gestörter zellulärer Mechanismen sollen neue Ansätze für die Krebstherapie gefunden werden. Das Projekt umfasst ein breites Spektrum von der Entdeckung und Entwicklung neuer Wirkstoffe bis hin zu präklinischen Studien, in denen die Wirksamkeit der entwickelten Substanzen in verschiedenen Modellsystemen getestet wird. Koordinator ist die Goethe-Universität unter Leitung von Prof. Dr. Stefan Knapp, die ca.4 Millionen Euro.

Wie sich Krebszellen bekämpfen lassen, steht im Fokus zweier präklinischer Projekte an Goethe-Universität und Universitätsklinikum Frankfurt (shutterstock_2237785701)

Neben der Goethe-Universität Frankfurt sind führende Einrichtungen der Krebsforschung aus ganz Deutschland beteiligt, darunter die TU Dortmund, der Drug Discovery Hub Dortmund (DDHD), das Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie, das Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) sowie das Westdeutsche Tumorzentrum in Essen (WTZ).

Onkologische Spitzenzentren regional vernetzen

Die Deutsche Krebshilfe hat im Juli 2024 neue Initiativen und Projekte zur Verbesserung der Versorgung von Krebspatienten bekanntgegeben. Ziel des in Frankfurt koordinierten Projekts ONConnect ist eine stärkere Zusammenarbeit von onkologischen Spitzenzentren mit regionalen Kliniken.

Das Verbundprojekt ONCOnnect unter Federführung des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen (UCT) Frankfurt-Marburg erhält von der Deutschen Krebshilfe eine Förderung in Höhe von 13,8 Millionen Euro. Mit ONCOnnect will die Stiftung die von ihr initiierten und geförderten Onkologischen Spitzenzentren (Comprehensive Cancer Center, CCC) stärker mit regionalen Kliniken, Fach- und Hausärzten vernetzen. Der Verbund aus 15 von der Deutschen Krebshilfe geförderten CCC mit insgesamt 26 universitären Standorten, dem Nationalen Krebspräventionszentrum in Heidelberg und Patientenvertretungen will gemeinsam die regionalen Netzwerke der CCC weiterentwickeln und eine bestmögliche Versorgung von Krebspatienten auch außerhalb von Metropolregionen gewährleisten. Zentral koordiniert wird das Verbundprojekt durch die ONCOnnect-Geschäftsstelle mit Sitz am Universitätsklinikum Frankfurt unter Leitung von Sprecher Prof. Dr. med. Christian Brandts, Direktor des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen (UCT) Frankfurt-Marburg.

Mehr als 120 Teilnehmende aus den 14 onkologischen Spitzenzentren in Deutschland, dem Nationalen Krebspräventionszentrum sowie Patientenvertretungen trafen am 11. November 2024 an der Universitätsmedizin Frankfurt zur Auftaktveranstaltung zusammen.

pb

EU-Förderung

Partizipative Räume schaffen

15 neue Forschungsprojekte starteten 2024 im Rahmen des Forschungsrahmenprogramms Horizon Europe an der Goethe-Universität. Damit erhielten insgesamt 69 Forschungsprojekte in diesem Jahr Fördermittel von der Europäischen Union. Die Förderung ging an einzelne Forscherinnen und Forscher mit ihren Teams oder an größere, internationale Verbünde. Wie beispielsweise an den Verbund INSPIRE, der zu demokratischer Innovation forscht.

17 Partner aus Nord-, Süd-, Mittel- und Osteuropa forschen gemeinsam in dem EU-Verbundprojekt „INSPIRE – Intersectional Spaces of Participation: Inclusive, Resilient, Embedded“. Das Projekt mit Expert*innen aus Forschung und Praxis zu demokratischer Innovation wird von den Universitäten Birmingham und Goethe-Universität koordiniert; Ansprechpartnerin an der Goethe-Universität ist Brigitte Geißel, Professorin am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität.

Das Projekt reagiert auf die tiefe Legitimationskrise der repräsentativen Demokratie. Die entstandenen Bürgerbewegungen wie Klimaversammlungen und Bürgerhaushalte sind Beispiele für demokratische Innovationen. Sie werden einerseits für ihr Potenzial gefeiert, politisches Misstrauen und Polarisierung durch die Vertiefung des öffentlichen Engagements zu bekämpfen. Andererseits wird ihnen vorgeworfen, kosmetische Lösungen für tiefsitzende Probleme zu sein, die bereits entmachtete Gruppen (entlang sozioökonomischer, geschlechtsspezifischer, rassistischer, körperlicher und geistiger Fähigkeiten) weiterhin ausschließen.

INSPIRE will diese Probleme und Misserfolge angehen, indem es partizipative Räume schafft, die inklusiv sind und von den Bedürfnissen und Vorzügen marginalisierter Gruppen ausgehen, die auf Veränderungen in der Regierung reagieren und auf der bestehenden Basisarbeit aufbauen. Damit wollen sie die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften unterstützen und sind eingebettet in die breitere öffentliche Sphäre und produktive Beziehungen zu politischen Institutionen.

Das Projekt wird von der Europäischen Union und der UK Research and Innovation für drei Jahre finanziert – in der Europäischen Union innerhalb des Arbeitsprogramms „culture, creativity and inclusive society“. Die Förderung für drei Jahre umfasst insg. knapp 2,5 Mio. Euro. Frankfurt erhält Mittel in Höhe von rund 605.000 Euro. Projektstart ist April 2024.

Mehr Expertise in praktischer Forensik

Mit dem Marie Sklodowska-Curie-Programm hat die Goethe-Universität am 1. März ein neu bewilligtes Doctoral Network zur internationalen, strukturierten Doktorand*innen-Ausbildung begonnen. Damit soll eine Lücke in der forensischen Ausbildung geschlossen werden.

In der Welt der forensischen Wissenschaft erzählt jeder Tatort eine einzigartige Geschichte, dazu gehören winzige nichtmenschliche biologische Spuren. Tierhaare, Pollen, Bodenorganismen und Umwelt-DNA sind nur einige Beispiele für diese schwer fassbaren Indizien. Nur wenige Nachwuchswissenschaftler*innen der EU sind in der Lage, diese natürlichen Spuren zu analysieren.

Das Doktorandenprojekt „Natural Traces“ vermittelt Absolventen, wie nichtmenschliche biologische Spuren an Tatorten analysiert werden (Foto: jon-tyson-R5ideJfdvMo-unsplash)

Das Projekt „Natural Traces“, an dem zehn Partnereinrichtungen beteiligt sind und das vom Apl. Prof. Jens Amendt an der Goethe-Universität koordiniert wird, wird zehn Doktoranden umfassend in praktischer Forensik ausbilden. Die Ausbildung wird von akademischen und nichtakademischen Partnern, Polizeiakademien und Labors durchgeführt. Die Goethe-Universität wird mit rund 260.000 Euro gefördert.

…sind Teil des europäischen Programms „Horizont 2020“. Das Förderprogramm wurde von der Europäischen Kommission eingerichtet, um die länder- und sektorübergreifende Mobilität von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu unterstützen und einen sich austauschenden Pool europäischer Forschender zu schaffen.

Konsolidiert, vielversprechend, innovativ

2024 wurden an der Goethe-Universität so viele ERC Grants bewilligt wie noch nie: Acht Anträge erhielten eine Förderzusage, vier davon gingen als ERC Starting Grant-Projekte an Early Career Researchers der Universität. Zwar sind nicht alle Ausgezeichneten an der Goethe-Universität geblieben – dafür haben manche Neuberufene an die Universität jedoch einen Grant mitgebracht.

Prof. Christian Münch startete im Oktober 2024 mit seinem ERC Consolidator Grant für die Erforschung eines von ihm entdeckten Mechanismus, mit dem die Zelle ihr Recyclingsystem betreibt: den von ihm genannten „Autoexitus“. In seinem neuen Forschungsprojekt untersucht Christian Münch einen neuen Typus der Abbauprozesse, mit der die Zelle ein fein austariertes Gleichgewicht zu ihrer ständigen Synthese vielfältiger Stoffe und Organellen hält. Bei der sogenannten Autophagie umschließt die Zelle nicht mehr benötigte Bestandteile mit Membranbläschen, innerhalb derer diese Bestandteile abgebaut werden. Der von Münch entdeckte Abbauweg „AutoXitus“ führt allerdings dazu, dass der Inhalt dieser Membranbläschen aus der Zelle heraustransportiert wird. Ob die Zelle damit ihren Nachbarn signalisieren kann, dass sie sich in einem Stresszustand befindet, der zum Beispiel Folge einer Virusinfektion oder einer neurodegenerativen Erkrankung zurückzuführen ist, ist eine von Münchs Forschungsfragen.

Christian Münch

Foto: Uwe Dettmar

Christian Münch ist seit 2016 Leiter der Abteilung Quantitative Proteomics am Institut für Biochemie II der Goethe-Universität Frankfurt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen zelluläre Stressreaktionen auf fehlgefaltete Proteine in den Kraftwerken der Zelle (Mitochondrien) sowie auf Infektionen und Krankheiten. Sein Ziel: Er möchte verstehen, mit welchen Veränderungen das ganze System Zelle auf Stress reagiert. Für seine Arbeit erhielt er bereits einen ERC Starting Grant, eine Emmy-Noether-Förderung und eine Reihe von Auszeichnungen.

Das Projekt über den Abbauweg „AutoXitus“ ist dem Profilbereich „Structure & Dynamics of Life“ zugeordnet.

Lars Leszczensky

Foto: Uwe Dettmar

Prof. Lars Leszczensky hat bei seinem Start an die Goethe-Universität Anfang 2024 einen ERC Starting Grant mitgebracht für sein Projekt “ChiParNet – The Interplay of Children’s and Parents’ Networks in Shaping Each Other’s Social Worlds“. Der Soziologe am Fachbereich Sozialwissenschaften erhält rund 1,5 Millionen Euro, um herauszufinden, wie sich soziale Kontakte von Kindern und Eltern wechselseitig beeinflussen. Da unsere sozialen Welten nach wie vor durch Kategorien wie ethnische Zugehörigkeit, Religion und soziale Klasse geteilt sind, ist die Abschwächung sozialer Grenzen von entscheidender Bedeutung für die Schaffung von Chancengleichheit und den Aufbau einer zusammenhängenden Gesellschaft. Getrennte Netzwerke markieren die Grenzen von Kindheit an und bleiben bis ins Jugendalter und darüber hinaus bestehen. Die Forschung betont den Einfluss der Eltern auf die Kontakte der Kinder, vernachlässigt aber weitgehend, dass auch die Kinder die Kontakte ihrer Eltern beeinflussen.

Das Projekt zielt darauf ab, Wissen über die wechselseitige Grenzziehung zwischen den Generationen zu erweitern, indem eine Theorie darüber entwickelt und getestet wird, wie sich Netzwerke zwischen Kindern und Eltern im Laufe der Zeit in Bildungsumgebungen mit unterschiedlichem Grad an Diversität entwickeln. Dazu soll ein Paneldatensatz von Kinder- und Elternnetzwerken für mehrere Kohorten vom Kindergarten bis zur Sekundarschule erhoben werden. Die Ergebnisse des Projekts sollen eine solide wissenschaftliche Grundlage schaffen, auf der politische Entscheidungsträger Maßnahmen zum Abbau von Grenzen zwischen künftigen Generationen entwickeln können.

Das Projekt ist in sowohl im Profilbereich „Orders & Transformations“ wie im Profilbereich „Universality & Diversity“ angesiedelt.

…fördert der European Research Council exzellente, vielversprechende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, deren Arbeitsgruppe sich in der Konsolidierungsphase befindet. Der Grant soll ihnen ermöglichen, einen eigenen Forschungsbereich auszubauen und visionäre, grundlagenorientierte Forschung zu betreiben. Mit einem Fördervolumen von bis zu zwei Millionen Euro für fünf Jahre gehört der Consolidator Grant zu den höchstdotierten Einzelfördermaßnahmen der Europäischen Union.

ERC Starting Grants unterstützen exzellente Forscherinnen und Forscher, die sich in den ersten Jahren nach ihrer Promotion ein eigenes Forschungsteam aufbauen und sich mit einem vielversprechenden Forschungsprojekt wissenschaftlich etablieren wollen. Für die Projekte erhalten sie bis zu 1,5 Millionen Euro über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren.

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) ist eine von der Europäischen Kommission eingerichtete Institution zur Finanzierung grundlagenorientierter Forschung. Er besteht seit 2007 unter mehreren EU-Rahmenprogrammen für Forschung und Innovation. An seiner Spitze steht der Scientific Council, ein Gremium internationaler Spitzenwissenschaftlerinnen und –wissenschaftlern.

Eric Helfrich

Foto: Jürgen Lecher

Prof. Eric Helfrich begann im Dezember 2024 mit seinem ERC Starting Grant für die Forschung an Naturstoffen, die in Bakterien durch eine Kombination Enzym-katalysierter und spontaner Reaktion hergestellt werden.

Der Chemische Biologe, Professor für Naturstoffgenomik an der Goethe-Universität und Co-Sprecher des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG), befasst sich in seinem ERC-Projekt „COMBINE“ („Bacterial Alkaloid Biosynthesis off the Beaten Path: Compartmentalization and Non-Enzymatic Transformations in Non-Canonical Alkaloid Biosynthesis“) damit, wie Bakterien komplexe Biomoleküle herstellen, die die Basis vieler Medikamente sind. Diese sogenannten Naturstoffe werden durch vielstufige enzymatische Prozesse gebildet, wobei in Bakterien alle Gene, die für diese Enzyme kodieren, nebeneinander in der DNA vorliegen. Daher kann man durch Genom-Analysen das Potenzial eines Bakteriums zur Produktion neuer Naturstoffe ermitteln.

Eric Helfrich untersucht nun die Naturstoffe, die sich dieser scheinbar universellen Regel widersetzten. Im Speziellen geht es um spontane Reaktionen, die vermutlich in eigens dafür vorgesehenen Reaktionskammern innerhalb der Bakterienzelle ablaufen. Da diese Reaktionen nicht von Enzymen katalysiert werden, deren Bauplan im Genom vorliegt, lassen sich spontane Reaktionen bisher nicht vorhersagen. Daher wird das Team von Eric Helfrich auf künstlicher Intelligenz basierende indirekte Verfahren entwickeln, um spontane Reaktion vorherzusagen und die assoziierten neuartigen Naturstoffe zu charakterisieren. Einsichten in diese nicht-enzymatischen Vorgänge werden anschließend für die Erzeugung einer neuen Generation von Wirkstoffen verwendet; bei denen werden zwei Wirkstoffe mittels synthetischer Biologie so verändert, dass sie bei ihrer biotechnologischen Produktion spontan zu bi-spezifischen Wirkstoffen fusionieren. Für seine Arbeit erhielt Helfrich bereits eine Emmy-Noether-Förderung.

Das Projekt ist im „Profilbereich Structure & Dynamics of Life“ angesiedelt.

Mathias Munschauer

Foto: Hilde Merkert

Prof. Mathias Munschauer ist mit einem laufenden ERC-Starting Grant von Würzburg an die Goethe-Universität gewechselt. Mit seinem Projekt „COVIDecode“, das seit 2022 noch bis zum Mai 2027 läuft, will er dazu beitragen, SARS-CoV-2 besser zu verstehen. Er konzentriert sich dabei auf die molekularen Wechselwirkungen zwischen Wirt und Krankheitserreger.

Wie viele Humanviren nutzt auch SARS-CoV-2 Ribonukleinsäuren (RNA) als Träger der genetischen Information. Das RNA-Erbgut des Virus wird in die Zelle eingeschleust, die Zelle übersetzt es dann in die für die Vermehrung des Virus notwendigen Proteine. Die Forschung hat sich bisher weitgehend auf die Funktion dieser vom Virus kodierten Proteine konzentriert. Über die viralen RNAs und deren Interaktion mit dem Wirt während der verschiedenen Stufen des Virus-Lebenszyklus ist jedoch noch wenig bekannt.

Mathias Munschauer trat am 1. April 2024 die „Willy Robert Pitzer Stiftungsprofessur für Molekulare Virologie humanpathogener RNA-Viren“ an und verstärkt damit Forschung und Lehre am Institut für Medizinische Virologie des Universitätsklinikum Frankfurt. Die ersten fünf Jahre der Stiftungsprofessur werden aus Mitteln der LOEWE-Spitzenprofessur des Landes Hessen gefördert, die  Prof. Sandra Ciesek 2021 zugesprochen worden war. Die Willy Robert Pitzer Stiftung ermöglicht im Anschluss die Finanzierung der Professur für weitere fünf Jahre.

Das Projekt „COVIDecode“ ist im Profilbereich „Science for Health“ angesiedelt.

Bilder: Uwe Dettmar (Gebäude), Achilleas Frangakis Group (SCALE), Ruty Romero/Adobe Strock (CPI)

SCALE und CPI: Es geht weiter!

Zwei Forschungsverbände der Goethe-Universität haben im Wettbewerb der „Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder“ nächste Hürden genommen: Im August 2024 wurden die Anträge eingereicht, im November die Projekte begutachtet.

Anfang des Jahres 2024 stand es fest: Mit insgesamt zwei Forschungsverbünden würde die Goethe-Universität in die laufende Runde des mehrstufigen Wettbewerbs „Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder“ gehen. Das sind die neue Clusterinitiative SCALE, die die Prinzipien der Selbstorganisation der Zelle erkundet, und das bestehende Exzellenzcluster Cardio-Pulmonary Institute (CPI) zur Herz- und Lungenforschung. Beide durften nach Kundgabe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im August 2024 einen Vollantrag stellen, um sich auf eine Förderung als Exzellenzcluster ab 2026 zu bewerben. Forschende der Goethe-Universität sind zudem an zwei erfolgreichen Projektskizzen der Universitäten Darmstadt, Gießen und Marburg beteiligt.

Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, gratulierte den Forschenden nach Bekanntgabe zu ihrem Erfolg: „Wir wussten, dass der wissenschaftliche Wettbewerb sehr hart sein würde. Umso mehr freue ich mich, dass eines der von uns und unseren Partnern vorgeschlagenen interdisziplinären Projekte zur Vollantragstellung zugelassen wurde. Gratulieren möchte ich auch den Kolleginnen und Kollegen an unseren beiden Partneruniversitäten in der RMU, die insgesamt drei weitere Skizzen erfolgreich eingeworben haben.“

SCALE-Sprecherin
Prof. Michaela Müller-McNicoll

Foto: Jürgen Lecher

SCALE Sprecher
Prof. Martin Beck

Foto: privat

CPI-Sprecherin
Prof. Stefanie Dimmeler

Foto: Uwe Dettmar

Gewinn für das Forschungsprofil

Nicht zum Vollantrag aufgefordert wurden die drei Projekte ConTrust, ELEMENTS und EMTHERA. Vizepräsident Bernhard Brüne wies daraufhin, dass die Teilnahme dieser Initiativen aber zweifelsohne ein Gewinn für die Schärfung des Forschungsprofils der Universität sei. „Unsere Forschenden haben viele kreative Forschungsansätze erarbeitet, Strukturen geschaffen und interdisziplinäre Kooperationen aufgebaut. So konnten wir neue Schwerpunkte entwickeln, aus denen sich, davon bin ich überzeugt, Ideen in der einen oder anderen Form weiterentwickeln werden. Als Goethe-Universität werden wir die Initiativen auf diesem Weg unterstützen.“

Insgesamt 143 Antragsskizzen für neue Exzellenzcluster wurden im Sommer 2023 bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingereicht. 41, also 28 Prozent, wurden zu Vollanträgen im Wettbewerb um die Förderung als Exzellenzcluster aufgefordert.

Als neue Clusterinitiative der Goethe-Universität zugelassen wurde:

SCALE: Subcellular Architecture of Life

Zellen bestehen aus Milliarden von Molekülen, die von Einzelmolekülen über große Molekülkomplexe bis hin zu Organellen organisiert sind. Zwar sind die Funktionen vieler einzelner Moleküle bekannt, doch ist noch vielfach unklar, wie die Architektur im Innern einer Zelle entsteht, funktioniert und wie die Teile interagieren. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von SCALE wollen die Selbstorganisationsprinzipien der Zelle aufdecken und eine räumlich wie zeitlich hochaufgelöste Simulation der Zelle erstellen. So wollen sie besser verstehen, wie Zellen wirklich funktionieren und wie ihre verschiedenen „Maschinen“ zusammenarbeiten.

Projektpartner:
Goethe-Universität Frankfurt (Antragstellerin)
Max-Planck-Institut für Biophysik (MPIBP), Frankfurt
Max-Planck-Institut für Hirnforschung (MPIBR), Frankfurt
Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS)
Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG), Dresden
Universität des Saarlandes, Homburg
Website: SCALE

Als bestehender Exzellenzcluster ist für einen Vollantrag zugelassen:

CPI: Cardio-Pulmonary Institute

Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems gehen häufig einher mit Lungenkrankheiten. Weltweit sind sie die häufigsten Todesursachen. Ziel des Exzellenzclusters ist es, zu verstehen, welche molekularbiologischen Prozesse dem Funktionieren dieser Organe und ihrem Versagen bei Erkrankungen zugrunde liegen. Dazu entwickeln die CPI-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler hochschulübergreifend Modellsysteme von Zellkulturen bis zu Tiermodellen und kombinieren die Ergebnisse mit Untersuchungsdaten von Patientinnen und Patienten, um neue Therapieansätze zu finden. Der Cluster wurde erstmals von 2006 bis 2018 als „Excellence Cluster Cardio-Pulmonary System“ gefördert und konnte sich 2019 erneut als Exzellenzcluster Cardio-Pulmonary Institute durchsetzen.

Projektpartner:
Goethe-Universität Frankfurt und Justus-Liebig-Universität Gießen (gemeinsame Antragstellerinnen)
Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung, Bad Nauheim
Universitätsmedizin Göttingen
Derzeitige Förderung als Exzellenzcluster: 2019–2025 (45 Millionen Euro)
Website: CPI

Neben SCALE und dem Exzellenzcluster CPI, in dem die Goethe-Universität federführend ist, ist die Goethe-Universität als Partnerin an folgenden Projekten beteiligt, die zu einem Vollantrag berechtigt sind:

RAI – Reasonable Artificial Intelligence

Der Cluster erforscht KI-Systeme, die nicht nur lernen, sondern auch – neuartige – Fakten erfassen können und in der Lage sind, diese mit Formen abstrakten Denkens zu verknüpfen. So sollen die KI-Systeme logische Schlussfolgerungen ziehen und kontextbezogene Entscheidungen treffen und daraus wieder lernen.

Projektpartner:
TU Darmstadt (Antragstellerin)
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Goethe-Universität Frankfurt
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

TAM – The Adaptive Mind

The Adaptive Mind ist ein Forschungscluster, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der experimentellen Psychologie, der klinischen Psychologie und der künstlichen Intelligenz zusammenbringt, um zu verstehen, wie sich der menschliche Geist erfolgreich an veränderte Bedingungen anpasst und was passiert, wenn diese Anpassungsprozesse versagen.

Projektpartner:
Justus-Liebig-Universität Gießen (Antragstellerin)
Philipps-Universität Marburg (weitere Antragstellerin)
TU Darmstadt (weitere Antragstellerin)
Goethe-Universität Frankfurt
Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS)

Förderbeginn für die erfolgreichen Cluster ist der 1. Januar 2026. Auf Basis erfolgreicher Exzellenzcluster können sich Universitäten dann für die Förderlinie Exzellenzuniversität bewerben, über die im September 2026 entschieden wird.

mbe/pb

„Die Gutachter*innen waren von beiden Vorträgen gefesselt“

Anfang November sind die beiden Exzellenzcluster-Anträge der Goethe-Uni von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) begutachtet worden. Wie ist dieser wichtige Tag gelaufen? Universitätspräsident Prof. Enrico Schleiff war mit vor Ort in der DFG-Geschäftsstelle in Bonn.

„Wir haben ja seit drei Jahren auf diesen Moment hin gefiebert!“
Universitätspräsident Enrico Schleiff

Foto: Uwe Dettmar

Lieber Herr Schleiff, wie spannend war der Tag der Begutachtung für die Exzellenzstrategie für Sie?

Auch wenn die beiden Begutachtungen am Ende jeweils nur an einem Tag stattfanden, waren es vier intensive und spannende Wochen, in denen wir und vor allem die Kolleg*innen von den Clustern dafür geprobt haben, mit viel kritischer Reflektion – von der noch viel länger zurückreichenden inhaltlichen Vorbereitung ganz abgesehen. Daran waren viele Kolleg*innen beteiligt, die mit ihren Fragen und Rückmeldungen dazu beigetragen haben, dass die Vortragenden von SCALE und CPI den Gutachter*innen sehr sicher gegenübertreten konnten: Fast alle möglichen Fragen waren schon einmal gestellt worden.

Wie war die Stimmung in Bonn kurz vor den Präsentationen?

Die Anspannung war zwischenzeitlich schon groß, es hat geknistert – wir haben ja seit drei Jahren auf diesen Moment hin gefiebert! Selbst bei den Wissenschaftsprofis zeigt sich in solchen Momenten, dass sie Menschen sind. Es war ja auch sonst eine ereignisreiche Woche: Am Abend vor der SCALE-Begutachtung kam das Ergebnis der US-Wahl. Nicht nur bei unseren US-Kolleg*innen war die Stimmung getrübt. Es machte sich auch die Sorge breit, dass die Gutachter*innen aus den USA, die einen großen Teil ausmachten, sich davon beeinflussen lassen könnten. Als dann auch noch die Koalition in Berlin platzte, war es fast surreal. Aber es heißt ja, man solle am Tag vor einer Prüfung in einen schlechten Film gehen und sich darüber aufregen, statt in Prüfungsangst zu verfallen, dann könne man besser schlafen. So ähnlich ging es uns.

Das klingt nach gemischten Vorzeichen. Ist es denn am Tag selbst gut gelaufen?

Na klar! Wir haben natürlich die Technik vorher probiert und die hat tatsächlich bei SCALE nicht gleich funktioniert – aber auch das Problem wurde gelöst. Bei CPI lief es dann gleich glatt. Die Vorträge selbst waren wirklich hochprofessionell. Die Gutachter*innen waren von beiden Vorträgen gefesselt. Das konnte man auch daran erkennen, dass sie sehr viele Fragen zu Inhalten im Vortrag aus reiner wissenschaftlichen Neugier gestellt und sich nicht nur an den Anträgen entlang gehangelt haben. Es entstand jedenfalls der Eindruck, dass die Diskussion weit über die vorher zwischen den Gutachtenden besprochenen Fragen hinausging. Die DFG hat uns dann einmal durch das Gebäude geführt, um die vorbereiteten Poster anzuschauen. Auch da gab es lebhafte Diskussionen und eine nach meinem Eindruck sehr gute Stimmung. Die Gutachter*innen haben nicht nur Fragen gestellt, sondern auch ihre Begeisterung zum Ausdruck gebracht.

Wie ist Ihre Bilanz?

Die umfangreiche Vorbereitung hat sich absolut gelohnt: CPI und SCALE sind hochprofessionell aufgetreten, inhaltlich sehr fundiert, aber trotzdem mit einem lockeren wissenschaftlichen Ton. Jetzt heißt es Daumendrücken. Es sind 98 exzellente Anträge der deutschen Wissenschaft im Rennen – das wird ein Wimpernschlagfinale.

Interview: Volker Schmidt

Grafik: Goethe-Universität

Ordnung und Freiräume

Sechs interdisziplinäre Profilbereiche bündeln an der Goethe-Universität vorhandene Forschungsschwerpunkte über die Grenzen von Fachbereichen hinweg. Und sie sind ein Forum für innovatives Potenzial. 2024 haben sich die Profilbereiche eine Ordnung gegeben.

Sechs Profilbereiche schärfen das Forschungsprofil der Goethe-Universität: „Science for Health“ (ursprünglich: „Molecular and Translational Medicine“), „Structure & Dynamics of Life“, „Space, Time & Matter“, „Sustainability & Biodiversity“, „Orders & Transformations“ und „Universality & Diversity“. Diese sehr breiten umbrella terms ermöglichen die Beteiligung vieler und vielfältiger Forschungen, die sich dann konkreteren Projekten zuwenden, etwa im Rahmen einer Forschungsgruppe. Die Einwerbung drittmittelgeförderter Verbünde bzw. die Erhöhung der Chancen dafür ist ein wichtiges Ziel der Profilbereiche.

Damit die Profilbereiche eine vergleichbare und verbindliche Form gewinnen und zu leistungsfähigen Einheiten werden können, wurde eine Ordnung entwickelt, die am 2. September 2024 in Kraft trat: In sechs Paragraphen bestimmt die Ordnung der Profilbereiche der Goethe-Universität etwa die Zusammensetzung der Mitglieder, den Entscheidungsprozess und die Aufgaben. Inhaltlich und personell getragen werden die Profilbereiche durch die mit Forschungsprojekten beteiligten Wissenschaftler*innen („Mitgliederversammlung“), das „Council“ als Entscheidungsgremium und in der Regel zwei Sprecher*innen, die den Profilbereich nach innen koordinieren und nach außen repräsentieren. Neben der Ordnung haben sich die Profilbereiche für ihre internen Aufgaben und Prozesse je eigene Geschäftsordnungen gegeben und werden mit Blick auf ihre mittelfristige Entwicklung Zielvereinbarungen mit dem Präsidium abschließen.

Formuliert wurden die Profilbereiche im Zuge eines langen Prozesses der Profilbildung der Goethe Universität. Dabei entstand die Idee von Profilbereichen als dynamischen Einheiten und Kommunikationsplattformen, die in Ergänzung der bestehenden 16 Fachbereiche und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen interdisziplinäre Kooperationen erleichtern, laufende Forschungsverbünde verbinden und neue auf den Weg bringen können.

Die Ordnung der Profilbereiche schafft den Rahmen für dynamische Prozesse. So können die Profilbereiche neue Forschungsschwerpunkte und Potenzialfelder bestimmen, sich auflösen oder umbenennen, wie dies beispielsweise beim Profilbereich „Science for Health“ (ehemals „Molecular and Translational Medicine“) geschehen ist. Insofern folgen die Profilbereiche selbst der Logik von Forschung und entwickeln sich in einem strukturierten, wissenschaftlich offenen Prozess weiter.

Marc Schalenberg / Research Support

Foto: Dirk Dienhart, MPI für Chemie

Wolkenmaschine, Protein-Reparator und magische Rede

Welche Antworten wurden auf Forschungsfragen gefunden, welche Etappenresultate erzielt: Die folgenden Projekte sind Beispiele von Forschungsergebnissen, die zum weiteren Forschen anregen.

Der Amazonas-Regenwald als Wolkenmaschine

Zwei Studien unter Mitwirkung der Goethe-Universität Frankfurt, des Max-Planck-Instituts für Chemie, der Universität Helsinki und des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung klären zusammen mit brasilianischen Partnerinstitutionen auf, wie Gewitter und Pflanzen-Ausdünstungen Kondensationskeime erzeugen und damit Auswirkungen auf das Klima haben.

Wer hat sich bei einem sommerlichen Spaziergang durch den Wald nicht schon einmal über den würzigen Geruch in der Luft gefreut? Mitverantwortlich für diesen typischen Duft sind Terpene, eine Gruppe von Substanzen, die etwa im Baumharz oder in ätherischen Pflanzenölen vorkommen. Ihr Grundbaustein und gleichzeitig das am häufigsten vorkommende Molekül ist das sogenannte Isopren. Schätzungen zufolge geben Pflanzen pro Jahr weltweit 500 bis 600 Millionen Tonnen Isopren in ihre Umgebung ab, es macht damit etwa die Hälfte der gesamten Emissionen von gasförmigen organischen Verbindungen der Pflanzen aus. „Allein der Amazonas-Regenwald ist für mehr als ein Viertel dieser Emissionen verantwortlich“, erklärt Atmosphärenforscher Prof. Joachim Curtius von der Goethe-Universität Frankfurt.

Bislang dachte man, dass das Isopren im Amazonas-Gebiet rasch abgebaut wird und nicht in höhere Luftschichten gelangt. Denn tagsüber bilden sich unter dem Einfluss der Sonne in der bodennahen Atmosphäre sogenannte Hydroxyl-Radikale. Diese sind sehr reaktionsfreudig und zerstören die Isopren-Moleküle binnen Stunden. „Wir haben nun aber festgestellt, dass das nur ein Teil der Wahrheit ist“, sagt Curtius. „Auch nachts sind nämlich noch erhebliche Mengen Isopren im Regenwald vorhanden. Und diese Moleküle können zu einem erheblichen Teil in höhere Atmosphärenschichten befördert werden.“

Amazonas: Der Rio Negro im Amazonasgebiet vom Forschungsflugzeug aus (Foto: Linda Ort, MPI für Chemie)

Gewitter wirken wie Staubsauger

Verantwortlich dafür sind tropische Gewitter, die sich nachts über dem Regenwald zusammenbrauen. Sie saugen das Isopren wie ein Staubsauger an und verfrachten es in acht bis 15 Kilometer Höhe. Sobald die Sonne aufgeht, entstehen Hydroxyl-Radikale, die mit dem Isopren reagieren. Bei den extrem niedrigen Temperaturen, die dort herrschen, werden die Regenwald-Moleküle dadurch aber in andere Verbindungen umgewandelt als am Boden. Sie verbinden sich mit Stickoxiden, die in den Gewittern durch Blitzeinwirkung entstehen. Viele dieser Moleküle können sich dann zu winzigen Partikeln von nur wenigen Nanometern Größe zusammenlagern, den Aerosolpartikeln. Diese Partikel wiederum wachsen im Laufe der Zeit an und dienen dann als Kondensationskeime für Wasserdampf – sie spielen damit eine wichtige Rolle für die Bildung von Wolken in den Tropen.

„Wir haben diese Abläufe mit Hilfe von Forschungsflügen aufklären können, die zwei Stunden vor Sonnenaufgang begannen und dann den ganzen Tag über andauerten“, erläutert Prof. Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Er leitet das Forschungsprojekt CAFE-Brazil (Chemistry of the Atmosphere: Field Experiment in Brazil), in dem ein internationales Forschungsteam Daten zu den chemischen Prozessen in der Atmosphäre über dem Amazonasregenwald sammelte. „Dabei konnten wir in der Luft, die in der Höhe wieder aus den Gewittern herausfließt, erhebliche Mengen an Isopren nachweisen, aus dem sich dann nach mehreren chemischen Reaktionen rasch die neuen Aerosolpartikel formten.“

Cloud: Wolke über dem Amazonas-Gebiet, aufgenommen bei einem Forschungsflug (Foto: Philip Holzbeck, MPI für Chemie)

Einfluss auf die Bildung von Wolken über dem Ozean möglich

Curtius und Lelieveld sind nicht nur Partner in CAFE-Brazil, sondern auch am sogenannten CLOUD-Konsortium beteiligt. Darin untersuchen mehr als 20 Arbeitsgruppen klimarelevante chemische Prozesse in der Atmosphäre. Sie stellen dazu die Bedingungen, die in der Atmosphäre herrschen, in der Aerosol- und Wolken-Experimentierkammer des CERN in Genf nach. Mit Hilfe dieser Kammer lässt sich im Detail analysieren, welche Reaktionen durch das Sonnenlicht ausgelöst werden. „Wir konnten so exakt bestimmen, mit welcher Rate sich die Aerosolpartikel aus den Isopren-Produkten bilden“, erklärt der Atmosphärenforscher Dr. Xu-Cheng He, der die Versuche mit Isopren leitet. „Interessanterweise zeigte sich dabei, dass die Bildung der Aerosolpartikel schon durch extrem geringe Mengen von Schwefelsäure und Jod-Oxosäuren, die in der Atmosphäre häufig vorkommen, um den Faktor 100 beschleunigt wird. Diese Moleküle können daher gemeinsam die Bildung von Wolken über den Ozeanen beeinflussen – ein Prozess, der bei Vorhersage von Klimaveränderungen und deren Folgen mit großer Unsicherheit behaftet ist.“

Rain: Immer wieder kommt es über dem Regenwald zu heftigen Schauern (Foto: Philip Holzbeck, MPI für Chemie)

Schwefelsäure wird in der Atmosphäre aus verschiedenen schwefelhaltigen Substanzen gebildet. Es kann vor allem durch die Reaktion von Schwefeldioxid mit Hydroxyl-Radikalen entstehen. Die Frankfurter Arbeitsgruppe war im CLOUD-Experiment für Messung der äußerst niedrigen Schwefelsäure-Konzentrationen verantwortlich, und das Mainzer Team führte die Messungen der reaktiven Hydroxyl-Radikalen durch.

Die Partikel, die sich aus dem Isopren hoch über dem Amazonas-Regenwald bilden, können durch die Winde in dieser Höhe bis zu Tausende von Kilometern verbreitet werden. Sie haben also vermutlich noch in großen Entfernungen einen Einfluss auf die Wolkenbildung. Da Wolken je nach Beschaffenheit und Höhe die Sonnenstrahlung abschirmen oder die Abgabe von Wärme ins All verhindern, spielen sie für das Klima eine große Rolle. Die Forschenden hoffen daher, mit ihren Erkenntnissen zu einer Verbesserung der Klimamodelle beizutragen.

Daraus folgt, wie auch aus den Ergebnissen des CAFE-Brazil-Projekts, dass eine weitere Abholzung des Amazonas-Regenwaldes in doppelter Hinsicht schädlich für das Klima sein könnte. „Einerseits werden dadurch Treibhausgase frei, weil der Wald als Kohlendioxid-Speicher ausfällt“, betont Curtius. „Andererseits werden durch die Rodung sowohl der Wasserkreislauf als auch die Isopren-Emissionen beeinträchtigt, was den Klimawandel weiter antreibt.“

Frank Luerweg

Scientists: Die Instrumente und Messdaten werden an Bord des Forschungsflugzeugs von den Forscherinnen Gabriela Unfer (links) und Zaneta Hamryszczak kontrolliert (Foto: Philip Holzbeck, MPI für Chemie)

Publikationen: Joachim Curtius et al.Isoprene nitrates drive new particle formation in Amazon’s upper troposphere. Nature (2024), DOI: doi.org/10.1038/s41586-024-08192-4

Jiali Shen et al.New particle formation from isoprene in the upper troposphere. Nature (2024), DOI: doi.org/10.1038/s41586-024-08196-0

Der Beitrag erschien am 4. Dezember 2024 im Webmagazin der Goethe-Universität.

„Eine andere Art von Krebstherapie“

Eierstockkrebs ist oft sehr aggressiv und spricht schlecht auf die verfügbaren Therapien an. Eine aktuelle Studie der Goethe-Universität Frankfurt und des Universitätsklinikums Frankfurt mit einem mRNA-Wirkstoff macht Hoffnung, dass sich das mittelfristig ändern könnte.

Jedes Jahr sterben mehrere tausend Frauen in Deutschland an Eierstockkrebs. Sehr oft wird die Erkrankung erst erkannt, wenn sie schon weit fortgeschritten ist und sich – meist im Darm, im Bauchraum oder in Lymphknoten – Metastasen gebildet haben.  Nur 20 bis 30 Prozent aller Betroffenen in einem solchen späten Stadium überleben die folgenden fünf Jahre. „An dieser Situation hat sich leider in den vergangenen zwei Jahrzehnten kaum etwas geändert“, betont Prof. Klaus Strebhardt, Leiter der Abteilung Molekulare Gynäkologie und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Frankfurt.

96 Prozent aller Patientinnen weisen einen charakteristischen Befund auf: Bei ihnen ist das sogenannte Tumorsuppressor-Gen p53 mutiert und daher nicht funktionsfähig. Das Gen enthält die Bauanleitung für ein wichtiges Protein, das normalerweise Schäden in der DNA von Zellen erkennt. Es verhindert dann, dass sich diese entarteten Zellen vermehren, und aktiviert Reparatur-Mechanismen, die die DNA-Schäden beheben. Falls das nicht gelingt, wird die Zelle abgetötet. „p53 unterbindet so sehr effektiv die Entstehung von Tumoren“, erklärt Strebhardt. „Durch die Mutation wird dieser Schutzmechanismus ausgehebelt.“

Tumoren aus Zellen von Patientinnen mit Eierstockkrebs, sogenannte Organoide (lichtmikroskopische Aufnahmen, linke Seite), beginnen, nach Behandlung mit p53-mRNA (untere Bilder) zu schrumpfen und abzusterben, was an der Rotfärbung sichtbar wird (rechte Seite). Balken: 200 Mikrometer (Fotos: Monika Raab, Universitätsklinikum Frankfurt)

Bauplan für fehlerfreies p53-Protein

Wenn eine Zelle ein bestimmtes Protein herstellen möchte, lässt sie zunächst eine Abschrift des Gens anfertigen, das die Bauanleitung für dieses Protein enthält. Solche Abschriften nennt man mRNAs. Bei Frauen mit Eierstockkrebs sind die p53-mRNAs ebenso fehlerhaft wie das Gen, von dem sie kopiert wurden. „Wir haben im Labor eine mRNA hergestellt, die den Bauplan für ein fehlerfreies p53-Protein enthielt“, sagt Dr. Monika Raab aus der Abteilung Molekulare Gynäkologie und Geburtshilfe, die viele der zentralen Experimente in der Studie durchgeführt hat. „Diese haben wir in kleine Fettbläschen verpackt, sogenannte Liposomen, und dann zunächst in Kulturen verschiedener menschlicher Krebszelllinien getestet. Die Zellen nutzten daraufhin die künstliche mRNA, um funktionsfähiges p53-Protein herzustellen.“

Im nächsten Schritt züchteten die Wissenschaftler*innen aus Zellen von Patientinnen Eierstock-Tumoren, sogenannte Organoide. Die Zellen wurden vom Team um Prof. Sven Becker, Direktor der Frauenklink des Universitätsklinikums, für das Projekt zur Verfügung gestellt. Nach Behandlung mit der künstlichen mRNA schrumpften die Organoid-Tumoren und begannen abzusterben.

Um zu überprüfen, ob die künstliche mRNA auch in Organismen wirksam ist und Metastasen im Bauchraum bekämpfen kann, implantierten die Forschenden menschliche Eierstock-Tumorzellen in die Eierstöcke von Mäusen und spritzten den Tieren einige Zeit später die mRNA-Liposomen. Das Ergebnis war sehr überzeugend, findet Strebhardt: „Auch in den behandelten Tieren produzierten die Zellen danach mit Hilfe der künstlichen mRNA große Mengen des funktionsfähigen p53-Proteins, und in der Folge verschwanden sowohl die Tumoren in den Eierstöcken als auch die Metastasen nahezu vollständig.“

Von der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen profitiert

Dass die Methode so erfolgreich war, verdankt sie unter anderem den jüngsten Fortschritten auf dem Gebiet der mRNA-Technologie: Normalerweise sind mRNA-Abschriften sehr empfindlich und werden von Zellen binnen Minuten abgebaut. Inzwischen kann man die Moleküle aber gezielt modifizieren, um das zu verhindern. Ihre Lebensdauer verlängert sich dadurch erheblich, in der vorliegenden Studie auf bis zu zwei Wochen.

Zudem unterscheidet sich die künstliche mRNA chemisch etwas von ihrem natürlichen Vorbild. Dadurch wird verhindert, dass das Immunsystem nach Injektion des Moleküls auf den Plan gerufen wird und Entzündungsreaktionen auslöst. 2023 erhielten die Ungarin Katalin Karikó und ihr US-Kollege Drew Weissman für diese Erkenntnis den Medizin-Nobelpreis. „Durch die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen wie denen von BioNTech und Moderna, die während der SARS-CoV-2-Pandemie zum Einsatz kamen, wissen wir inzwischen zudem, wie wir die Moleküle noch wirksamer machen können“, erklärt Strebhardt.

Strebhardt, Raab und Becker suchen nun nach Projektpartnern für den nächsten Schritt des translationalen Projekts: die Erprobung an Patientinnen mit Eierstockkrebs. „Entscheidend ist jetzt die Frage, ob wir das Konzept und die Ergebnisse in der klinischen Realität umsetzen und mit unserer Methode auch krebskranken Frauen helfen können“, sagt Strebhardt. Die aktuellen Ergebnisse machen ihn sehr optimistisch, dass sich das Blatt bei der Behandlung von Eierstocktumoren schließlich doch wenden könnte. „p53 ist kein normaler Wirkstoff, der sich gegen eine bestimmte Schwachstelle von Krebszellen richtet. Stattdessen reparieren wir einen natürlichen Mechanismus, mit dem der Körper die Krebsentstehung normalerweise sehr effektiv unterdrückt. Das ist eine ganz andere Qualität von Krebstherapie.“

Der Beitrag erschien am 24. Januar 2024 im Webmagazin der Goethe-Universität.

Das Projekt „mRNA-basierte Reaktivierung von Tumorsuppressorgenen im Ovarialkarzinom“ – von Prof. Dr. Klaus Strebhardt und seinem Team entwickelt – wurde im Dezember 2024 mit dem Goethe-Innovationspreis ausgezeichnet. Als herausragendes Forschungsprojekt mit hohem Anwendungspotenzial erhielt es den 2. Platz. Der Preis, organisiert vom Goethe-Unibator und gesponsert von der Stiftung der Frankfurter Sparkasse, unterstützt die Gründungskultur an der Goethe-Universität und fördert die Umsetzung der Projekte im Unibator-Startup-Programm.

Hitlers Reden

Das DFG-Projekt „Edition Hitlerreden 1933–1945“ macht die Reden Adolf Hitlers als Text und Audiodatei wissenschaftlich ediert neu und umfassender zugänglich. Den Impuls dazu gab der Frankfurter Historiker Prof. Christoph Cornelißen und sein Team.

Die Zeit des Nationalsozialismus steht seit 1945 im Fokus der zeithistorischen Forschung. Für Laien mag es deshalb erstaunlich sein, dass die Reden Adolf Hitlers von der „Machtergreifung“ an nicht in wissenschaftlich sauber edierter Form vorliegen sollen. Eine verschriftliche Ausgabe seiner Reden hat es zwar durchaus gegeben: die vierbändige Edition, die der Würzburger Archivar Max Domarus erstellt hat. „Diese Ausgabe wurde seit ihrem Entstehen als Hauptreferenzquelle genutzt, sie hat die Forschung geprägt“, erklärt Professor Christoph Cornelißen, der an der Goethe-Universität zur Neuesten Geschichte forscht. Doch die Edition war nicht nur unvollständig, sondern die einzelnen Reden waren von Domarus auch zum Teil gekürzt und angepasst worden und gingen beinahe alle auf die manchmal stark redigierten Textversionen im „Völkischen Beobachter“, der Parteizeitung der NSDAP, zurück. Was hat den Historiker, Lehrer, Schriftsteller und Publizisten angetrieben, der schon 1932 damit begonnen hatte, die Äußerungen Adolf Hitlers zu sammeln? Dies ist inzwischen Gegenstand eigener Forschungsarbeiten geworden.

Prof. Christoph Cornelißen und sein Team – Dr. Dirk Stolper, Dr. Muriel Favre und Nikolaus Freimuth M.A. – haben es sich zum Ziel gesetzt, Forschung und Öffentlichkeit die im Radio übertragenen Reden als Quellen von anderer Qualität zur Verfügung zu stellen – zumal der heutige Stand der Technik ganz neue Möglichkeiten bietet. Gemeinsam mit dem Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, der Philipps-Universität Marburg, der Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv Frankfurt am Main/Potsdam-Babelsberg und dem Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim haben sie bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft das Verbundprojekt „Edition Hitlerreden 1933–1945“ beantragt – mit Erfolg. Ziel des auf sieben Jahre angelegten und mit 4 Millionen Euro ausgestatteten Vorhabens ist es, alle einschlägigen Texte und Audio-Überlieferungen in einer wissenschaftlich zuverlässigen Form nutzbar zu machen. Sieben Jahre – das klingt erstmal nach viel Zeit. Aber angesichts des zu untersuchenden Materials relativiert sich dieser Zeitraum.

„Gemeinschaftsempfang“ einer Hitler-Rede (Foto: Bundesarchiv)

300 Reden als Audiodokumente erhalten

Denn Material gibt es eine ganze Menge: Insgesamt sind knapp 800 Reden von Adolf Hitler überliefert, allerdings die meisten nur in schriftlicher Form, abgedruckt im „Völkischen Beobachter“. Etwa 300 Reden sind als Audiodokumente erhalten. Die auf unterschiedlichen Tonträgern vorhandenen Aufzeichnungen wurden bis 1945 in den Rundfunkhäusern aufbewahrt, ein Großteil davon wurde von den Briten als Kriegsbeute nach London gebracht. Über unterschiedliche Wege kamen dann Kopien dieser Aufzeichnungen nach Deutschland zurück. Seit 1952 sammelte das Deutsche Rundfunkarchiv alle Tonträger, die aus der NS-Zeit auftauchten. Die offiziellen Quellen sind längst versiegt, aber aus privater Hand wird bis heute hin und wieder ein Mitschnitt einer Hitler-Rede bekannt. Anfang des neuen Jahrtausends hat das Deutsche Rundfunkarchiv damit begonnen, diesen Bestand zu digitalisieren – allerdings für die Bedürfnisse des Rundfunks. „Das ist ein großer Schatz, aber wissenschaftlichen Standards genügt das nicht“, erklärt Dr. Favre. Das Deutsche Rundfunkarchiv sei dennoch ein sehr wichtiger Partner: „Hier liegt die größte Expertise hinsichtlich der Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der Aufnahmen“, so Favre.

Übertragung einer Hitler-Rede in Posen, Oktober 1939 (Foto: Bundesarchiv)

Moderne mediale Aufbereitung

Eine Edition, die wissenschaftlichen Bedürfnissen genügt und der Forschung ganz neue Perspektiven eröffnen wird, das ist das Ziel des Editionsprojekts. Das Team an der Goethe-Universität wird sich nun die im Deutschen Rundfunkarchiv vorhandenen Aufzeichnungen systematisch vornehmen und mit anderen Überlieferungen der jeweiligen Rede abgleichen. Auf diese Weise soll eine möglichst realitätsgetreue Aufnahme rekonstruiert werden. Damit auch in den Audiodateien nach Begriffen oder Publikumsreaktionen recherchiert werden kann, kommt der Informatiker Prof. Bernd Freisleben von der Universität Marburg ins Spiel: Er wird die vom Frankfurter Team ermittelten Dateien mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und Audioerkennung entsprechend präparieren. „Für Historiker ist das ein Quantensprung“, freut sich Muriel Favre. Nun könne man direkt im Audiodokument recherchieren ohne den Umweg über die Transkription.

Die Redetexte wird das Institut für Zeitgeschichte auf der Grundlage der Audios oder weiterer Quellen ermitteln, kommentieren und als gedruckte Bände herausbringen; eine Online-Version im Open Access soll folgen. Redetexte und Kommentare werden ebenfalls in die Audioedition kommen. Soweit möglich, sollen dort auch die Umstände der Inszenierung der Reden auf der Bühne oder im Radio erforschbar gemacht werden. Gab es Zwischenrufe? Querverweise vom Redner selbst auf andere Redeauftritte? Auch schon die Ankündigung der Rede in der Presse und im Radio, die Zusammensetzung des Publikums, die Kleidung der Personen auf der Bühne spielen eine Rolle. „Es ist interessant, dass Goebbels zum Beispiel immer in Zivilkleidung auftrat, Hitler jedoch in Uniform“, sagt Dr. Dirk Stolper.

„Wir wollen eine neue Grundlage für die Erforschung der Wirkungsgeschichte der Hitler-Reden schaffen“, sagt Professor Cornelißen. Die Wahrnehmung Hitlers in der Geschichtsforschung habe sich im Lauf der Jahrzehnte seit 1945 immer wieder gewandelt. Während in den 1950er Jahren die Auffassung vom übermächtigen Führer verbreitet war, der die Deutschen fest im Griff gehabt habe (deren eigene Verantwortung damit kleiner erschien), sah Hans Mommsen in ihm den „schwachen Diktator“, der „häufig unsicher, ausschließlich auf Wahrung seines Prestiges und seiner persönlichen Autorität bedacht“ gewesen sei. Die Vernichtung der europäischen Juden sei in einem Prozess der „kumulativen Radikalisierung“ geschehen, eines ausdrücklichen Befehls Hitlers habe es dafür gar nicht bedurft. Andere Auffassungen wie die von Daniel Goldhagen („Hitlers willige Vollstrecker“) arbeiteten sich daran ab. „Im Grunde geht es auch heute noch um die Frage: Wer waren die Täter?“, sagt Christoph Cornelißen. Anhand der Reden könne man den „ideologischen Kern“ in Hitlers Wesen als Politiker herausarbeiten. Dass es diesen Kern gibt und dass Hitler daran festgehalten habe, könne man anhand der Tondokumente nachweisen. Der Meinungsstreit unter Historikern werde deshalb nicht aufhören, meint Cornelißen. Aber man könne ihn näher entlang der Quellen führen.

Analyse der rhetorischen Mittel

Unbestritten ist sicher, dass Hitler ein außergewöhnliches rednerisches und theatralisches Talent aufwies. 1919 hatte er einen Rednerkurs an der Münchner Universität besucht, von da an sprach er vor ständig größeren Menschenansammlungen. Wie stark er auf seine Zuhörer wirkte, zeigte sich zum Beispiel darin, dass selbst gebildeten Personen aus Wirtschaft und Militär wider besseren Wissens seinen Argumenten erlagen. Welche sprachlichen Mittel er dabei verwendete, das soll im Editionsprojekt ebenfalls eine Rolle spielen: Auch das Institut für deutsche Sprache in Mannheim hat ein Teilprojekt übernommen, in dem es um die sprachlich-rhetorischen Analyseinstrumente gehen wird.

„Wir denken heute, niemand würde einem solchen Redner auf den Leim gehen. Aber wir sollten uns da nicht so sicher sein“, formuliert Professor Cornelißen den Bezug zur Gegenwart. So gehe es in dem DFG-Projekt um weit mehr als die Rekonstruktion des historischen Phänomens Hitler: Man könne daran auch erforschen, wie die politische Rede in Krisenzeiten generell wirkmächtig wird.

asa

Der Beitrag ist am 19. April 2024 im Webmagazin der Goethe-Universität erschienen.

Bücher von Forschenden der Goethe-Universität – eine Auswahl aus 2024

Friederike Bauer u. Katrin Böhning-Gaese

Vom Verschwinden der Arten. Der Kampf um die Zukunft der Menschheit

Klett-Cotta 2023, 256 Seiten

„Wir stehen an einem Wendepunkt der Erdgeschichte – und doch ignorieren wir ihn. Die natürlichen Ökosysteme sind weltweit um die Hälfte zurückgegangen. Wir erleben gerade das sechste Massenaussterben der Erdgeschichte. Wir Menschen sind die treibende Kraft dieses Massensterbens. Der Verlust an Biodiversität heizt nicht nur den Klimawandel an. Die Autorinnen beschreiben zum ersten Mal, welche ungeheure Tragweite das Artensterben für uns Menschen hat, wenn es künftig nicht mehr genügend Pflanzen und Tiere gibt, die uns u.a. lebenswichtige Werk- und medizinische Wirkstoffe liefern und die auch zu unserem physischen und psychischen Wohlbefinden beitragen. Die Lage ist ernst, aber nicht aussichtslos – wir können das Artensterben noch aufhalten. Doch dafür müssen wir es als globale Herausforderung begreifen. Ernsthaft in der Sache, lösungsorientiert und zukunftsgewandt zeigt dieses Buch, wo die tieferen Ursachen der globalen Krise liegen, was Wirtschaft, Politik und auch jeder Einzelne tun kann, um diesen existenziell gefährlichen Trend umzukehren.“ [Verlagsangaben]

Friederike Bauer arbeitet als freie Journalistin, Autorin und Redenschreiberin; Katrin Böhning-Gaese leitet das Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und ist Professorin an der Goethe-Universität.

Stephan Lessenich/Thomas Scheffer (Hg.):

Gesellschaften unter Handlungszwang. Existenzielle Probleme, Normalität und Kritik

Bertz + Fischer 2024, 128 Seiten

Klimawandel, Armutsmigration, Krieg: Wir stehen vor einer ganzen Reihe existenzieller Probleme, die spätmoderne Gesellschaften ebenso herausfordern wie deren Gesellschaftswissenschaften – und beide allem Anschein nach überfordern. Der Band fragt danach, wie der Problemschwere zunächst wissenschaftlich, sodann aber auch gesellschaftlich überhaupt Rechnung zu tragen wäre: Was bräuchte es, um den existenziellen Charakter von Problemen zu realisieren, also zum einen zu erkennen, zum anderen aber auch zur Leitlinie des eigenen Handelns zu machen? Was verhindert die so verstandene Realisierung der großen Fragen unserer Zeit? Und wie wäre es um die überkommenen Formen gesellschaftlicher Normalitätsproduktion bestellt, wenn existenzielle Probleme als solche anerkannt und angegangen würden? Das Buch ist als Debattenband konzipiert, in dem die Herausgeber auf kritische Repliken zu ihren jeweiligen Positionen gemeinsam Stellung beziehen.

 

Stephan Lessenich ist Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Gesellschaftstheorie und Sozialforschung und Direktor des Instituts für Sozialforschung an der Goethe-Universität; Thomas Scheffer ist Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Interpretative Sozialforschung an der Goethe-Universität.

Samira Akbarian

Ziviler Ungehorsam als Verfassungsinterpretation

Verlag Mohr Siebeck 2023, 315 Seiten

Ziviler Ungehorsam hat Konjunktur. Samira Akbarian befragt diese kontroverse Protestform auf ihre Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaat und der Demokratie. Wie können die emanzipatorischen Potenziale des Ungehorsams genutzt werden, ohne der Gefahr anheimzufallen, den Rechtsstaat dauerhaft zu unterlaufen? Die Autorin schlägt vor, zivilen Ungehorsam als Verfassungsinterpretation zu verstehen. Der von einer Richtigkeitsüberzeugung motivierte Rechtsbruch schafft neue Interpretationen der Verfassung und Visionen normativer Ordnungen. Unter Rückgriff auf theoretische Konzeptionen zivilen Ungehorsams und der Verfassungsinterpretation untersucht Samira Akbarian den Ungehorsam in seiner ethischen, rechtsstaatlichen sowie politischen Dimension und wendet dieses mehrdimensionale Verständnis auf aktuelle Beispiele an. Dabei adressiert sie auch das Problem, mit dem Rechtsstaat kompatible von inkompatiblen Interpretationen abzugrenzen. Die Arbeit wurde mit dem Merkur-Preis 2022 für herausragende Dissertationen der Ernst H. Klett Stiftung Merkur und dem Werner-Pünder-Preis 2023 ausgezeichnet.

Samira Akbarian ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie der Goethe-Universität.

Till van Rahden, Johannes Völz (Hg.)

Horizonte der Demokratie. Offene Lebensformen nach Walt Whitman

transcript Verlag 2024, 170 Seiten

Demokratie ist mehr als eine Regierungsform. Mit dem US-amerikanischen Dichter Walt Whitman lässt sie sich als offene Lebensform begreifen: vielfältig, unvorhersehbar und angewiesen auf Impulse aus den Künsten. Im Dialog aus Essay und Replik nehmen die Autorinnen und Autoren Whitmans Anregungen auf und suchen nach Momenten der demokratischen Öffnung. Fündig werden sie an unterschiedlichsten Orten: im China der 1920er Jahre, in der südafrikanischen Fotografie der Post-Apartheid-Ära, im Werk Schwarzer Lyrikerinnen oder in der auf Billionen-Beträge hochskalierten Wirtschaftspolitik. Der Band versammelt Beiträge von Cameron Abadi (Foreign Policy), Andreas Fahrmeir (Geschichte), Josef Früchtl (Ästhetik), Walter Grünzweig (Literaturwissenschaft), Patricia Hayes (afrikanische Geschichte), Hanna Pfeifer (Politikwissenschaft), Till van Rahden (Geschichte), Martin Saar (Philosophie), Heike Schäfer (Amerikanistik), Adam Tooze (Wirtschaftsgeschichte), Johannes Völz (Amerikanistik), Michael Walzer (Philosophie), Zhiyi Yang (Sinologie)

Prof. Dr. Johannes Völz ist Professor für Amerikanistik an der Goethe-Universität; Prof. Dr. Till van Rahden ist Professor für Deutschland- und Europastudien an der Université de Montréal.

Christoph Cornelißen, Sybille Steinbacher (Hrsg.)

Frankfurt am Main und der Nationalsozialismus
Herrschaft und Repression – Wirtschaft und Gesellschaft – Kultur und Gedächtnis

Wallstein Verlag 2024, 500 S.

Über Frankfurt am Main liegt bislang keine neuere Darstellung seiner Geschichte zwischen 1933 und 1945 vor. Hier setzt dieser Band an, der zum einen die Durchsetzung der NS-Herrschaft auf verschiedenen Feldern der kommunalen Politik und Verwaltung sowie den Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft untersucht. Dabei werden ebenso die Stadtplanung, kulturelle Entwicklungen und die nationalsozialistische Imagepolitik in den Blick genommen. Zum anderen wird die Dynamisierung der Gewalt gegen diejenigen Gruppen nachgezeichnet, die seit 1933 als »Gemeinschaftsfremde« unterdrückt und bekämpft worden waren. Auch in Frankfurt richtete sich die rassistisch motivierte Ausgrenzung und Verfolgung zuvorderst gegen Jüdinnen und Juden; die Angehörigen der großen jüdischen Gemeinde wurden im Holocaust fast vollständig Opfer der NS-Massenmorde. Ein ähnliches Schicksal erfuhren Sinti und Roma, Homosexuelle und andere Gruppen, die oft nur eine Existenz am Rande der Gesellschaft fristen konnten. Wie lange die Propaganda des NS-Regimes verfing, zeigt sich an der unverbrüchlichen Treue breiter Bevölkerungskreise noch dann, als große Teile Frankfurts im Bombenkrieg in Schutt und Asche aufgingen.

Christoph Cornelißen ist Professor für Neueste Geschichte am Historischen Seminar der Goethe-Universität; Sybille Steinbacher ist Direktorin des Fritz Bauer Instituts und Professorin für Geschichte und Wirkung des Holocaust am Historischen Seminar der Goethe-Universität.

Thorsten Faas, Sascha Huber, Mona Krewel, Sigrid Roßteutscher (Hrsg.)

Informationsflüsse, Wahlen und Demokratie. Festschrift für Rüdiger Schmitt-Beck

Nomos 2023, 633 Seiten

Einige Themen aus dem Inhalt: Informationsflüsse, Wahlen und Demokratie: Einleitung zur Festschrift für Rüdiger Schmitt-Beck (Thorsten Faas, Sascha Huber, Mona Krewel, Sigrid Roßteutscher); Political knowledge, media use and right-wing populist preferences (Sascha Huber, Anne Schäfer); „The Times They are A-changin”, lineare Trends oder Muster in der Fernsehberichterstattung über KanzlerkandidatInnen (Mona Krewel, Ansgar Wolsing); Mirror, Mirror on the Wall: How Social Projection and Social Sampling Interact in the Formation of Public Opinion Perceptions (Simon Ellerbrock, Manuel Neumann); The Social Side of Immunization: The Influence of Personal Social Networks on COVID-19 Vaccination in Romania (Oana Lup); How Race Affects Simply Having versus Actually Choosing: Cross-Race Political Discussion Partners (William P. Eveland, Jr., Osei Appiah, Jacob A. Long, Steven B. Kleinman); Change My View: Do Moral Appeals Facilitate Compromise? (Patrick W. Kraft); KI und datengesteuerte Kampagnen: Eine Diskussion der Rolle generativer KI im politischen Wahlkampf (Philipp Darius, Andrea Römmele) […]


Prof. Dr. Thorsten Faas, Freie Universität Berlin; Prof. Dr. Sigrid Roßteutscher, Goethe-Universität; Mona Krewel, Victoria University of Wellington/New Zealand; Prof. Sascha Huber, Johannes Gutenberg University Mainz.

Ulrich Bröckling, Susanne Krasmann u. Thomas Lemke (Hrsg.)

Glossar der Gegenwart 2.0. Konzepte und Leitbegriffe unserer Gegenwart

Suhrkamp Verlag 2024, 418 Seiten

2004 erschien das Glossar der Gegenwart. Insgesamt 44 Einträge untersuchten, so die Herausgeber:innen damals, »Konzepte von ›mittlerer Reichweite‹, aber hoher strategischer Funktion, die in den aktuellen Debatten eine Schlüsselstellung einnehmen«. Zwanzig Jahre später, nach der Weltfinanzkrise und im Zeichen des Aufstiegs rechtspopulistischer Parteien sowie der inzwischen deutlich spürbaren Auswirkungen des Klimawandels, ist es Zeit für ein Update. Die Zeitgenoss*innen von heute erkennen sich in neuen Leitbegriffen wieder: »Disruption« tritt an die Stelle von »Normalität«, »das Planetare« löst »Globalisierung« ab, »Resilienz« ersetzt »Prävention«. Andere Begriffe wie »Dekolonisierung« oder »postfaktisch« haben keine Entsprechung im Vorläuferband. Die für die 2.0-Version des Glossars verfassten Beiträge sind Sonden zur Ermittlung des Selbstverständnisses unserer Gegenwart.

Ulrich Bröckling ist Professor für Kultursoziologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Susanne Krasmann ist Professorin für Soziologie an der Universität Hamburg; Thomas Lemke ist Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Biotechnologie, Natur und Gesellschaft am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität.

Brigitte Geißel

Demokratie als Selbst-Regieren. Demokratische Innovationen von und mit Bürgerinnen und Bürgern

Verlag Barbara Budrich 2024, Open Access

 

Die Zukunft der Demokratie muss neu gestaltet werden – dieses Buch bietet einen innovativen Ansatz. Es argumentiert, dass Bürger*innen selbst entscheiden sollen, wie sie sich regieren wollen. Überzeugend verknüpft die Autorin theoretische Begründungen und empirische Erkenntnisse, die ihr Konzept von Demokratie als Selbst-Regieren untermauern. Für die praktische Umsetzung schlägt sie Verfahren und Praktiken vor, die Bürger*innen und Communitys unterstützen, ihre eigenen Visionen von Demokratie zu entwickeln. Damit ist dieses Buch von Interesse für Wissenschaftler*innen, Studierende, Bürger*innen und politische Entscheidungsträger*innen, denen die Zukunft der Demokratie am Herzen liegt.


Prof. Dr. Brigitte Geißel, Institut für Politikwissenschaft, Goethe-Universität Frankfurt, Leiterin der Forschungsstelle Demokratische Innovationen.

Elena Beregow, Veit Braun, Thomas Lemke (Hrsg.)

Critical Temperature Studies. Konturen eines Forschungsprogramms

Campus Verlag 2024, 319 Seiten

1,5 Grad Celsius. Dieser zunächst unscheinbare Wert zeigt, dass im Zuge der Klimakrise die Lebensbedingungen auf der Erde zu einer Frage der richtigen Temperatur werden. Mit der Krise verstärkt sich zugleich die Abhängigkeit von Techniken der Temperaturkontrolle, seien es Klimaanlagen, Thermostate oder Kühlinfrastrukturen für Lebensmittel, Daten und Zellen. Statt Wärme und Kälte wie üblich nur als Metaphern für Gesellschaft zu verstehen, konturiert dieser Band ein sozialwissenschaftliches Forschungsfeld, das sich konzeptuell und empirisch mit Praktiken der Temperaturkontrolle und -modulation auseinandersetzt. Dazu versammelt das Buch einerseits eine große Bandbreite thermischer Phänomene von heiß über lau bis kalt und bietet andererseits ein analytisches Instrumentarium, um »Temperatur« kritisch als Gegenstand sozialer (Macht-)Beziehungen zu erforschen.

Elena Beregow ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Allgemeine Soziologie und soziologische Theorie der Universität der Bundeswehr München; Veit Braun ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Biotechnologie, Natur und Gesellschaft an der Goethe-Frankfurt, wo er im ERC-Projekt Cryosocieties zu Kryotechnologien und Biodiversität forscht; Thomas Lemke ist Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Biotechnologie, Natur und Gesellschaft am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität. Seine Arbeitsgebiete und Forschungsschwerpunkte sind: Gesellschaftstheorie, soziologische Theorie, Biopolitik, politische Soziologie, Wissenschafts- und Techniksoziologie.

Dennis Eversberg, Martin Fritz, Linda von Faber, Matthias Schmelzer (Hrsg.)

Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt. Mentalitäts- und Interessengegensätze im Streit um Transformation

Campus Verlag 2024, 221 Seiten

Wie lässt sich angesichts der krisenhaften sozialen, politischen und ökologischen Herausforderungen der Gegenwart die gesellschaftliche Konfliktlage verstehen, aus der der Aufstieg der AfD, die Bauernproteste oder der Streit um Klimaaktivismus hervorgehen? Auf der Grundlage einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung stellt das Buch eine empirisch fundierte soziologische Basis zur Beantwortung dieser Frage vor und vermeidet dabei vereinfachende Lesarten einer zunehmenden Polarisierung einerseits oder eines weitgehend intakten Konsenses andererseits. Die Autor:innen untersuchen die mentalen und sozialstrukturellen Gegensätze innerhalb der deutschen Gesellschaft, die die gegenwärtigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die sozial-ökologische Transformation prägen, und diagnostizieren einen neuen, sozial-ökologischen Klassenkonflikt. Das Buch zeichnet ein detailliertes Bild der Auseinandersetzung um sozial-ökologische Transformation in der deutschen Bevölkerung.

Dennis Eversberg ist Professor für Soziologie mit Schwerpunkt Umweltsoziologie an der Goethe-Universität; Martin Fritz ist Soziologe und leitet seit April 2024 die BMBF-Nachwuchsgruppe »Mentalitäten im Fluss (flumen)« am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena; Linda von Faber ist Industriedesignerin und Soziologin studiert an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Soziologie im Master; Matthias Schmelzer ist Wirtschaftshistoriker und Transformationsforscher und leitet das Norbert Elias Center for Transformation Design & Research an der Europa-Universität Flensburg.

Mahmoud Bassiouni, Eva Buddeberg, Mattias Iser, Anja Karnein und Martin Saar (Hrsg.)

Die Macht der Rechtfertigung. Perspektiven einer kritischen Theorie der Gerechtigkeit

Suhrkamp Verlag 2024, 631 Seiten

Mit der Idee eines grundlegenden »Rechts auf Rechtfertigung« hat Rainer Forst eine kraftvolle Denkfigur entwickelt, deren Fruchtbarkeit für das konkrete Geschäft einer kritischen Analyse des Sozialen immer deutlicher wird. Sein Werk hat tiefe Spuren in der Philosophie und Sozialtheorie, aber auch in der politischen Diskussion der Gegenwart hinterlassen und umfasst pointierte Stellungnahmen zu Fragen der Moral und Gerechtigkeit, zu Macht, Toleranz und Freiheit. Der Band versammelt Beiträge namhafter internationaler Denker:innen, die sich mit den vielfältigen Aspekten von Forsts Werk auseinandersetzen und damit zugleich einen Einblick in die neuesten Entwicklungen innerhalb der Kritischen Theorie geben.

Mahmoud Bassiouni ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Goethe-Universität, zuletzt erschien: Menschenrechte zwischen Universalität und islamischer Legitimität (stw 2114); Eva Buddeberg ist Professorin für Praktische Philosophie an der Bergischen Universität Wuppertal. Zuletzt erschien: Pierre Bayle, Toleranz. Ein philosophischer Kommentar (stw 2183, hg. zus. mit Rainer Forst); Mattias Iser ist Associate Professor of Philosophy an der Binghamton University (SUNY), New York; Martin Saar ist Professor für Sozialphilosophie an der Goethe-Universität. Zuletzt erschien: Die Immanenz der Macht. Politische Theorie nach Spinoza (stw 2054).

+++ UB-Infoangebote gefördert +++

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligt knapp 2 Millionen Euro für den weiteren Ausbau der Fachinformationsdienste (FID) Afrikastudien und Darstellende Kunst der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg (UB JCS). Damit verfügt die Bibliothek weiterhin über sechs FID – das sind die Afrikastudien, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Biodiversitätsforschung, Darstellende Kunst, Jüdische Studien sowie Linguistik.

DFG fördert weiteren Ausbau der Informationsangebote an der Universitätsbibliothek mit 2 Millionen Euro

+++ Schwarzes Loch +++

Die Event Horizon Telescope (EHT)-Kollaboration, an der auch theoretische Physiker*innen der Goethe-Universität beteiligt sind, hat Anfang des Jahres neue Bilder vom Schwarzen Loch M87* im Zentrum der Galaxie Messier 87 veröffentlicht; Prof. Luciano Rezzolla und sein Team an der Goethe-Universität trugen theoretische Berechnungen zur Interpretation der Radioastronomie-Daten bei. Die neuen Bilder zeigen auf dem ersten Bild von M87* von 2017 einen Ring, der den „Schatten des Schwarzen Lochs“ umgibt.

Neue Bilder vom schwarzen Loch

 

+++ „Frankfurt Alliance“ +++

16 Institutionen aus dem Großraum Frankfurt/Rhein-Main haben sich Ende Januar im Römer der Stadt Frankfurt zu einem neuen Wissenschaftsnetzwerk namens „Frankfurt Alliance“ zusammengeschlossen. Die künftige Zusammenarbeit in der Allianz wurde mit der Unterzeichnung eines „Memorandum of Understanding“ besiegelt.

Frankfurt Alliance

 

+++ Geballte Expertise +++

Die Goethe-Universität bündelt ihre Islamforschung.

 

+++ Im Austausch mit Einstein +++

Zwei theoretische Physiker der Goethe-Universität Frankfurt haben eine neue Lösung der Allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins gefunden, der zufolge Gravasterne aufgebaut sein könnten wie eine russische Matrjoschka-Puppe.

Im Austausch mit Einstein

Ein Gravastern könnte wie eine Matrjoschka-Puppe aussehen. Dies fanden Physiker der Goethe-Universität Frankfurt heraus. Bild: Daniel Jampolski und Luciano Rezzolla, Goethe-Universität

+++ Warnung vor Kriebelmücken +++

Forschende der Goethe-Universität und des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums in Frankfurt haben erstmalig die räumlichen Verbreitungsmuster von Kriebelmücken in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen modelliert.

Warnung vor Kriebelmücken

 

+++ Guter DEAL +++

Die Goethe-Universität ist Anfang des Jahres den DEAL-Verträgen beigetreten: Damit hat sie hat einen bedeutenden Schritt zur Förderung des offenen Zugangs zu wissenschaftlicher Literatur über eine Publikation im Open Access getan – wie etwa zu Tausenden wissenschaftlichen Zeitschriften aus allen Fachgebieten. Gleichzeitig können eigene Artikel in diesen Zeitschriften Open Access publiziert werden.

 

+++ RMU-Kurswechsel für Frauen +++

Bereits zum vierten Mal findet im Februar die „Kurswechsel online – Career Conference for Female Early Career Researchers“ statt. „Kurswechsel“ ist eine Kooperation der Goethe-Universität, vertreten durch GRADE, kurz für: die Goethe Research Academy for Early Career Researchers, das Gleichstellungsbüro der Goethe-Universität sowie Mentoring Hessen, ein Verbundprojekt der hessischen Hochschulen. Erstmalig wird sie vom Büro für Chancengerechtigkeit als Kooperationsveranstaltung des RMU-Verbundes organisiert.

 

+++ Anschub +++

Die Goethe-Universität hat sich zum vierten Mal erfolgreich am Auswahlverfahren des „Professorinnenprogramm 2030“ des Bundes und der Länder beteiligt. Bis September 2025 können nun bis zu drei Anschubfinanzierungen für die Erstberufung von Frauen auf unbefristete W2- oder W3- Professuren eingereicht werden.
tinygu.de/Professorinnenprogramm

 

+++ Globales Wasser-Modell +++

Wie haben sich die Wasserresourcen in den letzten 120 Jahren verändert? Und was passiert, wenn es bis Ende des 21. Jahrhunderts noch einmal zwei Grad wärmer wird als heute? Fragen wie diese beantwortet das globale Wasser-Modell WaterGAP, das maßgeblich vom Institut für Physische Geographie der Goethe-Universität und von der Ruhr-Universität Bochum entwickelt wird.

Die Welt im Wasserstress

 

+++ Hirn und Hören +++

Neurowissenschaftler*innen der Goethe-Universität haben herausgefunden, wie es der südamerikanischen Brillenblattnase gelingt, aus einer Geräuschkulisse die wichtigen Signale herauszufiltern und dabei insbesondere zwischen Echoortungs- und Kommunikationsrufen zu unterscheiden.

Neurobiologie der Fledermäuse

Die Brillenblattnasen-Fledermaus (Carollia perspicillata) filtert wichtige Signale aus einer Geräuschkulisse heraus und unterscheidet dabei zwischen Echoortungs- und Kommunikationsrufen. Foto: Julio Hechavarria, Goethe-Universität Frankfurt

+++ Leukämieforschung +++

Führende europäische Expert*innen für akute lymphatische Leukämie (ALL) bei Erwachsenen haben Therapieempfehlungen für die ALL veröffentlicht. Eine der weltweit größten Studiengruppen für die aggressive Krebserkrankung befindet sich am Universitätsklinikum Frankfurt.

Leukämieforschung

 

+++ KI für Genomforschung +++

Die Goethe-Universität stärkt ihre Forschung und Lehre zur Künstlichen Intelligenz: Marcel H. Schulz, bisher Juniorprofessor für „Computational Biology“ an der Goethe-Universität, tritt eine Professur für Künstliche Intelligenz in der Genomforschung der Goethe-Universität an und wird damit auch Mitglied im Exzellenzcluster Cardio-Pulmonary Institute (CPI).

KI für Genomforschung

 

+++ 17 Partner im EU-Netzwerk +++

Als 17. Partnerin im europäischen Strukturbiologie-Netzwerk ist die Bundesrepublik Deutschland jetzt Instruct-ERIC beigetreten. Direktor des Netzwerks ist Prof. Harald Schwalbe von der Goethe-Universität. Instruct-ERIC ermöglicht den Aufbau und Betrieb von Forschungsinfrastrukturen zur Analyse molekularer Strukturen wie zum Beispiel für die biologische Grundlagenforschung und zur Entwicklung medizinischer Wirkstoffe.

17 Partner im EU-Netzwerk

 

+++ Neuartiger Sensor +++

Forschende der Goethe-Universität und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben einen neuartigen Bakterien-Sensor entwickelt. Ein Chip mit einer innovativen Oberflächen-Beschichtung sorgt dafür, dass nur ganz spezifische Mikroorganismen an dem Sensor kleben bleiben – beispielsweise bestimmte Krankheitserreger.

Neuartiger Sensor

 

+++ Sichtbar gemacht +++

Das Zusammenspiel von Elektronen und Licht gehört zu den fundamentalen Wechselwirkungen der Physik. Jetzt ist es mit einem Experiment an der Goethe-Universität gelungen, den vor 90 Jahren sogenannten Kapitza-Dirac-Effekt erstmals in voller Zeitauflösung zu beobachten.

Kapitza-Dirac-Effekt

 

+++ ERC-Advanced-Grant +++

Der Biochemiker und Strukturbiologe Robert Tampé vom Institut für Biochemie der Goethe-Universität erhält einen ERC Advanced Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro für seine Forschungen zur molekularen Architektur und Mechanismen der zellulären Immunantwort.

ERC-Advanced-Grant Tampé

 

+++ Global-Professur +++

Die Sprachwissenschaftlerin Saloumeh Gholami erhält die renommierte Global-Professur der British Academy und kann damit fünf Jahre lang an der Universität Cambridge forschen. Durch die Kooperation mit international ausgewiesenen Wissenschaftler*innen soll die Forschung des Vereinigten Königreichs bereichert werden.

Global-Professur

 

+++ Springschool +++

Im April findet am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft eine deutsch-israelische Springschool zum Thema „Writing and Desaster“ statt.

 

+++ Vorlesungsreihe Physik +++

Gemeinsam mit dem Physikalischen Verein Frankfurt lädt das Clusterprojekt ELEMENTS im Sommersemester zu einer Vorlesungsreihe im Rahmen der diesjährigen Deutsche Bank Stiftungsgastprofessur „Wissenschaft und Gesellschaft“ ein. Das Thema: „Der Ursprung der Materie“, Gastredner ist Harald Lesch.

Vorlesungsreihe Physik

 

+++ Rolf Sammet-Stiftungsgastprofessur +++

Die renommierte Chemikerin Carol Robinson hält im Rahmen der Rolf Sammet-Stiftungsgastprofessur im Sommersemester öffentliche Vorträge zu ihrem Forschungsgebiet. Die Professorin an der britischen Universität Oxford hat die Massenspektrometrie revolutioniert: Dank ihrer Arbeiten lassen sich Proteine heute in ihrer nativen, unveränderten Form untersuchen. 

Rolf Sammet-Stiftungsgastprofessur

 

+++ Digitale Medizin +++

Die Erforschung neuer Entwicklungen im Gesundheitswesen ist das Ziel des neuen „Instituts für Digitale Medizin und Klinische Datenwissenschaften“. Gründungsdirekter ist Dr. Janne Vehreschild, der dazu auf die Professur „Digitale Medizin und Klinische Datenwissenschaften“ berufen wird. Die Professur wird als Stiftungsprofessur von der Dr. Rolf M. Schwiete Stiftung in den kommenden fünf Jahren mit rund 1,2 Millionen Euro finanziert.

Digitale Medizin

 

+++ Gegen Tumore +++

Abkömmlinge des Contergan-Wirkstoffs Thalidomid eignen sich womöglich als Tumor-Medikamente. Darauf deutet eine Studie der Goethe-Universität, die zeigt, dass unter ihrem Einfluss Proteine abgebaut werden, die das Überleben von Krebszellen sichern.

Contergan gegen Krebszellen

 

+++ Wildtierpreis +++

Für herausragende Leistungen im Bereich des Wildtierschutzes wird das Teilprojekt „Jagd, Naturschutz und Wissenschaft – Hand in Hand für den Erhalt einer artenreichen Herpetofauna“ des Forschungsgroßprojektes ZOWIAC mit dem Hessischen Wildtierpreis geehrt. Das Projekt ZOWIAC, geleitet von Prof. Dr. Sven Klimpel, Goethe-Universität und Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, untersucht die Auswirkungen gebietsfremder Arten wie Waschbär oder Marderhund auf die heimischen Ökosysteme.

Wildtierpreis

 

+++ Aufgegangen +++

Das 2001 gegründete Centre for Drug Research (CDR) am Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung an der Goethe-Universität wird im Juni aufgelöst und geht im Institut für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences auf. Das CDR verknüpfte empirische Forschung mit akademischer Lehre. Es finanzierte sich ausschließlich über Drittmittel.

 

+++ Extern beraten +++

Das International Scientific Advisory Board (ISAB) der Goethe-Universität trifft sich im Juni zum fünften Mal. Das externe Beratungsgremium der Universität hat im Bereich Forschung die Aufgabe, das Präsidium in forschungsstrategischen Fragen zu beraten, vor allem auch in Hinblick auf die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder.

 

+++ Netzwerk verlängert +++

Das Europäische Referenznetzwerk für seltene Erkrankungen des respiratorischen Systems (ERN-LUNG) hat von der Europäischen Union eine Förderung in Höhe von mehr als 3,2 Millionen Euro für eine weitere vierjährige Projektlaufzeit bis Herbst 2027 erhalten. Seit seiner Gründung im Jahr 2017 wird das Netzwerk von einem Team unter der Leitung von Prof. Dr. T.O.F. Wagner am Frankfurter Referenzzentrum für Seltene Erkrankungen (FRZSE) des Universitätsklinikum Frankfurt koordiniert.

EU-Referenznetzwerk für seltene Erkrankungen

 

+++ EU-Health-Verbund +++

Prof. Sandra Ciesek ist für die Goethe-Universität am neuen Projekt „B-Path: Establishing Exhaled Breath Aerosol (XBA) sampling for diagnosis and screening of respiratory infections“ beteiligt, das vom Universitätsklinikum Heidelberg koordiniert wird. Der Europäische Verbund im Programmbereich „Health“ in Horizon Europe, an dem fünf Einrichtungen beteiligt sind, wird mit 3 Mio. Euro unterstützt; davon erhält Frankfurt 430.000 Euro.

 

+++ Koloniales Erbe +++

Ein internationales Forschungsprojekt unter Leitung des Geographen Prof. Jürgen Runge (ZIAF) untersucht die Auswirkungen des Kolonialismus auf Kleinbauern in Benin und Togo und will Lösungsansätze der indigenen Gemeinschaften für die Umwelt und Klimaprobleme identifizieren. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Projekt gemeinsam mit ausländischen Förderinstitutionen mit 620 000 Euro.

Koloniales Erbe

 

+++ 39 Kleinigkeiten +++

Forschende aus Sozial-, Geistes- und Naturwissenschaften haben über das Zusammenleben zwischen Mensch und Kreatur gebrütet. Heraus kam ein Sammelband mit lesenswerten Essays zu „39 Kleinigkeiten“ zwischen den Arten – von Hundeleine bis Katzenklappe.
Von Fliegenfängern und Katzenklappen

+++ Parlamentarismusforschung +++

Vom 18. August bis zum bis 29. August ist die Goethe-Universität Veranstaltungsort für die 7. ECPR Summer School on Parliaments. Doktorand*innen aus sieben Ländern diskutieren mit international führenden Forscher*innen an der Goethe-Universität.

 

+++ Long-Covid-Studie +++

Unter Leitung der Infektiologie des Universitätsklinikums Frankfurt nimmt eine innovative Studie zur Behandlung des Post-COVID-Syndroms (PCS) ihre Arbeit auf. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Forschungsprojekt untersucht neue Wege zur Linderung der Langzeitfolgen von COVID-19. Der erste Patient wird in dieser Woche in die Studie aufgenommen.

Long-Covid-Studie

 

+++ NAH sein +++

Goethe-Uni stellt Erkenntnisse aus dem Modellprojekt „NAH sein – Nachbarschaftshilfe im Alltag und im Haushalt Älterer“ vor. Im dem Modellvorhaben geht es darum, wie sich die Vereine zukunftsfähig aufstellen können. Finanziert wird es vom Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege sowie den Pflegekassen in Hessen.

Unterstützung für ein Leben in den eigenen vier Wänden

 

+++ Vielversprechende Toxine +++

Eine internationale Studie unter der Leitung von Dr. habil. Björn von Reumont von der Goethe-Universität hat neuartige Toxine aus dem höhlenbewohnenden Unterwasserkrebs Xibalbanus tulumensis identifiziert; diese eröffnen vielversprechende pharmakologische Anwendungen.

Vielversprechende Toxine

 

+++ „Poetik des Rhythmus“ +++

Prof. Achim Geisenhanslüke erhält von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Reinhart Koselleck-Professur. Thema seines Forschungsprojekts ist eine Poetik des Rhythmus.

„Poetik des Rhythmus“

 

+++ Identifiziert +++

Ein internationales Team unter Federführung der Goethe-Universität hat einen innerzellulären Sensor identifiziert, der die Qualität sogenannter MHC-I-Moleküle überwacht. MHC-I-Moleküle helfen dem Immunsystem, kranke Zellen – zum Beispiel Tumorzellen – zu erkennen und abzutöten.

Interzellulärer Sensor

 

+++ Im Kanal +++

Im Inneren von Zellen gibt es ein weit verzweigtes System von Kanälen. Es besteht aus membranumhüllten Röhren, die bei Bedarf – etwa bei Nährstoffmangel – teilweise abgebaut werden. Eine Studie der Goethe-Universität hat den Ausstülp-Prozess nun mit Hilfe von Computer-Simulationen untersucht. Die Studie ist im Rahmen der Clusterinitiative SCALE  – Subcellular Architecture of Life“ entstanden.

SCALE-Forschung

 

+++ Zelltod +++

Ein internationales Forscherteam hat einen neuen Mechanismus identifiziert, der für die Produktion von Zellproteinen entscheidend ist. Wenn dieser Mechanismus gestört ist, wird die Bearbeitung („Spleißen“) der Baupläne fehlerhaft, die die Zelle zur Herstellung von Proteinen verwendet. Die Arbeiten unter Federführung der Goethe-Universität könnten erklären, wie bestimmte Mutationen zur Netzhaut-Erkrankung Retinitis pigmentosa führen.

Netzhaut-Erkrankung Retinitis pigmentosa

 

+++ Glossar der Gegenwart +++

Zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen erhält das soziologische „Glossar der Gegenwart“ ein Update, das in einer Diskussionsveranstaltung vorgestellt wird. Neue Leitbegriffe sind: „Disruption“ an Stelle von „Normalität“, „das Planetare“ löst „Globalisierung“ ab, „Resilienz“ ersetzt „Prävention“. Andere Begriffe wie „Dekolonisierung“ oder „postfaktisch“ haben keine Entsprechung im Vorläuferband. Mitgewirkt hat der der Soziologe Prof. Thomas Lemke.

Glossar der Gegenwart

 

+++ Immun mit Schlagkraft +++

Frankfurter Mediziner*innen programmieren Immunzellen mit erhöhter Schlagkraft gegen Blutkrebszellen: Dem Team um Prof. Evelyn Ullrich an der Universitätsmedizin Frankfurt ist es gelungen, leukämie-spezifische Immunzellen gegen den Einfluss der Tumorzellen weniger empfindlich zu machen und damit ihre Wirksamkeit deutlich zu erhöhen.

Leukämiebekämpfung

„Rückschläge sind unvermeidlicher Teil des Forschungsprozesses“

An der Goethe-Universität forschen zahlreiche junge Wissenschaftler*innen. Welche Erfahrungen machen sie auf ihrer wissenschaftlichen Laufbahn? Fünf Fragen an den Politikwissenschaftler Tobias Wille, der 2024/25 an der Harvard University verbrachte.

Denkt darüber nach, was es bedeutet, wenn Akteure keine andere Wahl haben, als anderen zu vertrauen:
der Politikwissenschaftler Tobias Wille

Foto: privat

1. Worüber denken Sie gerade nach?

Über Vertrauen in der internationalen Politik – genauer über die Frage, was es bedeutet, wenn Akteure eigentlich gar keine andere Wahl haben, als anderen zu vertrauen. Im Kalten Krieg und der Zeit nach 1989 war Deutschland in der Sicherheitspolitik immer sehr auf die USA angewiesen. Wenn Vertrauen bedeutet, dass man Verletzlichkeit in der Beziehung zu anderen akzeptiert, ohne deren Verhalten kontrollieren zu können, dann hat Deutschland den USA vertraut – etwa in Bezug darauf, dass sie uns im Falle eines Angriffs der Sowjetunion bzw. Russlands beistehen. Allerdings ist nicht klar, wie das damit in Einklang zu bringen ist, dass Vertrauen eine aktive Entscheidung sein soll. Denn politisch betrachtet gab es nach dem Zweiten Weltkrieg zur Westbindung keine Alternative. So paradox es auch klingen mag, wir hatten gar keine andere Wahl, als den USA zu vertrauen. Meine Vermutung ist, dass die große Ratlosigkeit, die hierzulande nun angesichts der Abkehr der USA von Europa vorherrscht, auch aus diesem paradoxen, weil alternativlosen Vertrauen resultiert, das jetzt zutiefst erschüttert ist. Doch wie genau Vertrauen in stark asymmetrischen politischen Beziehungen funktioniert, wissen wir nicht so genau. Das möchte ich besser verstehen.

2. Sie waren mehrfach während Ihrer akademischen Ausbildung im Ausland. Welche Station hat Sie besonders beeindruckt? Warum?

Ich habe ungefähr drei Jahre meines Lebens in den USA verbracht. Besonders eindrücklich, allerdings nicht im positiven Sinne, war mein letzter Aufenthalt, der gerade zu Ende ging. Als Fellow am Center for European Studies in Harvard konnte ich sowohl die Präsidentschaftswahl im letzten November als auch die ersten Monate Donald Trumps zweiter Präsidentschaft miterleben. Das war in vielerlei Hinsicht bedrückend. Unter anderem hat es mir vor Augen geführt, was für ein wertvolles, aber auch fragiles Gut die Wissenschaftsfreiheit ist. Wir müssen alles dafür tun, dass Forschung und Lehre in Deutschland und Europa weiterhin frei stattfinden können.

Tobias Wille ist Inhaber der Professur (W1) für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Sicherheit an der Goethe-Universität, Mitglied der Forschungsinitiative „ConTrust: Vertrauen im Konflikt“ sowie Assoziierter Forscher am Peace Research Institute Frankfurt (PRIF). Seine Forschung befasst sich mit Vertrauen und Misstrauen in der internationalen Politik, mit Fragen der internationalen Sicherheit und mit Diplomatie. Als Fellow der Johanna Quandt Young Academy arbeitet er zudem mit einer interdisziplinären Gruppe von Early Career Researchern der Goethe-Universität und aus dem RMU-Verbund am Thema „Complexity“. Er studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Yale University und der London School of Economics and Political Science. Seine Promotion erfolgte 2017 an der Goethe-Universität. Von 2018 bis 2020 war er Postdoctoral Research Fellow am Saltzman Institute of War and Peace Studies der Columbia University. Das akademische Jahr 2024/2025 verbringt er als John F. Kennedy Memorial Fellow am Center for European Studies der Harvard University.

3. Welche Rolle spielen für Sie Kollege*innen aus anderen Disziplinen?

In meiner Forschung geht es viel um den Alltag in der internationalen Politik. Was machen Entscheidungsträger*innen in internationalen Verhandlungen? Wie verwalten Beamt*innen Außenpolitik in unterschiedlichen Bürokratien? Dazu, wie man solche Fragen angeht, habe ich sehr viel von Kolleg*innen aus der Anthropologie, die Soziologie und den Science and Technology Studies gelernt. Mit Dorothy Noyes von der Ohio State University gebe ich zum Beispiel gerade ein Buch heraus, in dem Wissenschaftler*innen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen über den Gebrauch von Beispielen in der globalen Politik nachdenken. Die Themen reichen von diplomatischen Gipfeltreffen, über Mahatma Gandhis gewaltlosen Widerstand und Greta Thunbergs Klimaaktivismus bis hin zum Tyrannenmord im alten Griechenland. Solche Kooperationen machen mir nicht nur großen Spaß, ich lerne daraus auch eine ganze Menge für meine eigene Forschung.

4. Was haben Sie auf Ihrem Weg gelernt, was Sie nicht im Studium gelernt haben?

Dass gute Forschung Zeit braucht und dass man dabei auch immer wieder Rückschläge erleidet, die aber unvermeidlicher Teil des Forschungsprozesses sind. Im Studium macht man diese Erfahrung in Ansätzen auch, aber immer in einem festen und von außen vorgegebenen Rahmen. Man lernt zwei Wochen auf eine Klausur, schreibt einen Monat lang eine Seminararbeit etc. Als Wissenschaftler hat man zwar Kolleg:innen, Workshops und Konferenzen und peer review, aber den eigenen Forschungsprozess strukturiert man doch weitgehend alleine. Das ist gerade am Anfang nicht immer leicht. Ich habe eine Weile gebraucht, um zu verstehen, dass Forschung bei anderen immer einfach aussieht, aber oft ein sehr mühsamer Prozess ist. Es lohnt sich, trotzdem dran zu bleiben. Denn nur so entstehen genuin neue Einsichten.

5. Was machen Sie, wenn Sie gerade nicht forschen?

Ich engagiere mich in einer Nachbarschaftsinitiative, zusammen mit ganz unterschiedlichen Menschen. Ich halte es für sehr wichtig, sich auch lokal für unsere Demokratie einzusetzen, die ja nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und Europa massiv von autoritären Kräften bedroht wird. Außerdem bin ich ambitionierter Sportkletterer und auch gerne draußen in den Bergen unterwegs, wann immer sich die Gelegenheit dazu ergibt.

Fragen: pb

Foto: Jürgen Lecher

Ein Schnellboot der Forschung

Als gemeinnützige Stiftung arbeitet das Frankfurt Institute for Advanced Studies eng mit der Goethe-Universität, benachbarten Forschungsinstituten sowie privaten Stiftern und Sponsoren zusammen. Im Jahr 2024 ist das FIAS zwanzig Jahre alt geworden.

„Die Gründung von FIAS war eine kuriose Geschichte“, erzählt Wolf Singer, Mit-Initiator des Frankfurt Institute for Advanced Studies vor 20 Jahren. Dem Neurobiologen war zu Beginn des Jahrtausends deutlich geworden, dass Theorien und Simulationen für sein Fachgebiet und alle Naturwissenschaften immer wichtiger werden. Die Theoretiker seien zwischen den Experimentatoren aber isoliert gewesen. „Daher habe ich ganz frech einen Antrag bei der VW-Stiftung für eine theoretische Stiftungsprofessur Neurowissenschaften an der Uni Frankfurt gestellt“, erzählt Singer. Der Antrag wurde international begutachtet, als tragfähig befunden und Fördergeld für fünf Jahre genehmigt. Doch weder in der biologischen noch der physikalischen Fakultät fand die Professur eine Heimat.

Theoretische Forschung – flexibel und interdisziplinär

Unabhängig davon wandte sich zur gleichen Zeit der Physiker Walter Greiner mit dem Wunsch nach mehr theoretischer Physik an die Goethe-Universität. Deren damaliger Präsident, Rudolf Steinberg, hatte die Gründung von neuen, flexiblen und unabhängigen „Forschungs-Schnellbooten“ rund um die Goethe-Uni gefordert. So liefen 2003 die Ideen von Singer, Steinberg und Greiner für ein fächerübergreifendes Institut für Theorie zusammen.

„Komplexe Systeme, egal in welcher Wissenschaftsdisziplin, lassen sich durch die gleichen theoretischen Ansätze beschreiben“, fasst Singer die damals und bis heute gültige Zielsetzung zusammen. Die mathematischen Formalismen seien fachunabhängig dieselben. Die Vereinigung von Theoretikern aus diversen Fächern unter dem gleichen Dach setze daher Synergien frei und erleichtere interdisziplinäres Forschen. Einzigartig war die Gründung als gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts. Dies ermöglichte Flexibilität in der Forschung – und diente anderen wissenschaftlichen Einrichtungen als Vorbild.

Schnell war der Name gefunden: Frankfurt Institute for Advanced Studies, in Anlehnung an das renommierte US-amerikanische Theorie-Institut in Princeton. Nun ging es um Finanzierung und Lokalisierung – „und ans Klinkenputzen“, schmunzelt Singer. Zusammen mit Steinberg und Horst Stöcker, dem Vizepräsidenten für Forschung und späteren ersten FIAS-Vorsitzenden, machten sich Wolf Singer und Walter Greiner auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten und Finanzierungspartnern. Neben der VW-Stiftung schlossen sich bald weitere namhafte Förderer an, darunter die Hertie-Stiftung, Merck, Boehringer Ingelheim, Siemens, Samson und andere. „Wir rannten offene Türen ein“, so Singer, denn das internationale Gutachten der VW-Stiftung war wissenschaftlich geprüft und überzeugte. Bald war genug Geld beisammen, um davon fünf Nachwuchsgruppen fünf Jahre lang finanzieren zu können.

In der Physik fanden sich Räumlichkeiten, die das FIAS vorläufig bezog. „Wir schrieben weltweit Forscherstellen aus“, so Singer. Aus 250 Bewerbungen wählten sie fünf künftige Fellows aus, deren Gehalt sowie Postdoc- und Doktorandenstellen damit finanzierbar waren. „Alle fünf übernahmen später Lehrstühle“, bestätigt Singer die erfolgreiche Wahl. Stiftungsrat und Kuratorium wurden gegründet. Gründungsdirektoren im neuen Vorstand waren Greiner und Singer. „Das war ein solches Vergnügen mit Greiner!“, schwärmt Singer über die Kooperation mit dem 2016 gestorbenen Physiker. „Er war visionär.“ Inhaltlich seien sie sich durchweg einig gewesen.

Interdisziplinär und international: das aktuelle FIAS-Team (Foto: Anja Störiko/FIAS)

Geschickte Verhandlungen und hilfreiche Unterstützer

Doch bald stellte sich die Frage: Wie könnte sich das Institut dauerhaft finanzieren? Dabei half die Hessische Landesregierung, die Steinberg neben den Mietkosten zusagte, alle Drittmittel-Einwerbungen des FIAS mit einem Bonus zu unterstützen. Damit ließen sich Betriebsmittel und Verwaltung finanzieren, während Vorstand und Fellows erfolgreich bei diversen Frankfurter Stiftungen, Humboldt-Stiftung, DFG, Helmholtz-Gemeinschaft und BMBF Forschungsmittel von bis heute rund 100 Millionen Euro einwarben. Doch es stellte sich die Frage nach einer dauerhaften Bleibe des Instituts.

Greiner und Stöcker holten die Mäzene Karin und Carlo Giersch als Stifter an Bord. Das Ehepaar hatte seine Gewinne aus dem Handel mit Elektrobauteilen in eine gemeinnützige Stiftung überführt, die bereits in Darmstadt ein Forschungsgebäude finanziert hatte. Dieses wurde ähnlich und daher vergleichsweise schnell und günstig für das FIAS kopiert. Nach nur neun Monaten Bauzeit zog das FIAS 2007 in das neue Gebäude am Riedberg, dessen warmer roter Farbton in Kontrast zur sachlichen Funktion steht, wie es in der Einweihungsbroschüre heißt: „Es spiegelt das strukturierte Denken im Innern nach außen.“ Das verglaste Dachgeschoss mit Rundumblick von Taunus bis Skyline und Odenwald trage dazu bei, „dass Erkenntnisgewinn auch aus Muße resultiert und meist dann besonders fruchtbar ist, wenn man den Blick über den (eigenen) Horizont hinaus schweifen lässt.“ Bauherr Giersch ergänzte: „Wenn sich Geist und Geld begegnen, kann Großes entstehen.“

FIAS als Treiber wissenschaftlicher Innovation

„Das Verbindende in der Vielfalt zu erschließen“, war und ist ein Motto des FIAS. Die Anbindung an die experimentelle Forschung an den Universitäten, Max-Planck-Instituten und Forschungsverbünde ist dabei wichtig. Manche Kooperationen waren nicht dauerhaft, etwa die Einbindung komplexer Finanzsysteme. „Das FIAS kann wissenschaftliches Neuland erschließen; es ist nicht an den Fächerkanon gebunden wie die Universitäten“, beschreibt Singer die Vorteile des Instituts. Stöcker bezeichnete das FIAS als „Durchlauferhitzer“ für die jungen Fellows: Nach fünf Jahren freier Forschung mit eingeschränkter Lehrverpflichtung schafften die meisten Fellows den Sprung auf einen Lehrstuhl oder in die Industrie.

Die von FIAS getragene Graduiertenschule FIGSS (Frankfurt International Graduate School for Science) sorgt seit der Gründung für eine interdisziplinäre Doktorandenausbildung in enger Zusammenarbeit mit der Goethe-Universität.

Die Erfolge des FIAS lassen sich sehen: Die computergestützten Neurowissenschaften haben die Forschenden entscheidend vorangebracht. Theorien und Simulationen von molekularen und zellübergreifenden Netzwerken erlauben Aussagen über Zellbewegungen, Signalprozesse und Interaktionen von Zellen bis zu Computermodellen von Infektionskrankheiten und deren Übertragung. Physiker*innen beschreiben kleinste und extrem dichte Materieformen, Gravitationswellen und Neutronensterne und liefern wichtige Daten zu Klima, Erdbeben und Stromübertragung. Am FIAS entwickelte Hochleistungscomputer gehören zu den energieeffizientesten Systemen weltweit.

„Ein kleines Institut kann wie ein Schnellboot navigieren und jederzeit die Richtung ändern“, bestätigt Singer den von Steinberg vorhergesagten Charme des FIAS. Neue Ideen und visionäres Denken ließen sich schwerer in Fakultäten eingliedern als in einem solch flexiblen Institut. „Originelle, zukunftsträchtige Ideen sind zarte Pflanzen, die man gießen und pflegen muss, damit sie sich hoffentlich entwickeln.“

Eckhard Elsen, Wissenschaftlicher Direktor seit 2022, ist überzeugt: „Die Gründungsidee trägt weiterhin: Fächerübergreifend bringen wir die besten Ansätze zur Lösung naturwissenschaftlicher Herausforderungen zusammen.“ Neben Neurowissenschaft und Physik nutzt heute auch die Biologie am FIAS Simulation und Modellierung. „Das FIAS kann mit den modernen Methoden des Computing die Forschung gezielt und effizient voranbringen“, betont Elsen – und dankt den visionären Gründern.

Anja Störiko

…das sind

• 72 Fellows
• über 100 Promotionen
• 3 Stiftungsprofessuren
• 15 eng kooperierende Adjunct und International Fellows
• über 20 fördernde Stiftungen und Sponsoren
• jährlich rund 150 forschende Gäste aus über 25 Ländern

Im markanten roten Institut am Riedberg forscht das Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) mit 150 Fellows und Mitarbeitenden interdisziplinär an komplexen naturwissenschaftlichen Zukunftsthemen. Schwerpunkt sind Simulationen und Theorien aus allen naturwissenschaftlichen Bereichen, die Grundlagen zur Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit schaffen. Als gemeinnützige Stiftung arbeitet das FIAS eng seit 20 Jahren mit der Goethe-Universität, benachbarten Forschungsinstituten sowie privaten Stiftern und Sponsoren zusammen.

Die FIAS-Forschungsgebiete greifen dabei häufig ineinander: So verwenden Informatiker ihre Kenntnisse, um Ansatzpunkte für Impfstoffe zu finden, oder Physikerinnen untersuchen, wie man mit Teilchenstrahlen Tumore zerstören kann. Das FIAS feierte sein Jubiläum mit Veranstaltungen wie Tag der offenen Tür, Sommerfest und Beteiligung an der Night of Science sowie dem Museumsuferfest. Höhepunkt war der Festakt im Casino der Goethe-Universität am 5. Dezember unter der Schirmherrschaft von Prof. Enrico Schleiff.

Foto: Frobenius-Institut FBA-D3 01622-b

Entwürfe des Menschseins

Eine gelungene „Symbiose aus Forschungseinrichtung und Museum“: So beschreibt der Wissenschaftsrat im April 2024 das Frobenius-Institut an der Goethe-Universität nach seiner Evaluation. Der Rat lobte Forschung und Transfer der einzigartigen Einrichtung in der deutschsprachigen Kulturanthropologie und empfahl, das Institut zu stärken.

Mit seinen weltweit einzigartigen Archiven und Sammlungen nimmt das Frobenius-Institut in der deutschsprachigen Kulturanthropologie eine Sonderrolle an der Schnittstelle von Forschungseinrichtung und Museum ein: Dies attestiert der Wissenschaftsrat (WR) dem Frobenius-Institut an der Goethe-Universität nach einer ausgiebigen Evaluation – und würdigt dessen hervorragende, sammlungsbasierte Forschungs- und Transferleistungen.

Unterschiedliche kulturelle Entwürfe des Menschseins sowie Mensch-Umwelt-Beziehungen sind zentrale Forschungsthemen der Kulturanthropologie. Die Disziplin kann damit auch wichtige Impulse zu aktuellen Debatten über die Möglichkeiten und Risiken des menschlichen Zusammenlebens liefern. Dabei muss die Forschung angesichts der oft kritischen öffentlichen Sicht auf das Fach und auf die Institution Museum besonders selbstreflexiv agieren.

Lokale Forscher und Forscherinnen der Tacana, Tsimane' und Mosetén (Bolivien) besuchen das Felsbildarchiv des Frobenius-Instituts, 2024 (Foto: Jennifer Markwirth)

Archive international sichtbar

Das Frobenius-Institut stelle sich dieser Herausforderung im Rahmen seiner finanziellen und personellen Möglichkeiten eindrucksvoll, so der Wissenschaftsrat. Es zeige vorbildlich, wie die in der deutschsprachigen Kulturanthropologie herrschende Kluft zwischen Forschungseinrichtung und Museum überbrückt werden kann. „Seit dem Amtsantritt des aktuellen Direktors im Jahr 2017 hat sich das Frobenius-Institut überaus positiv entwickelt und erbringt ausgezeichnete Forschungs- und Transferleistungen“, so der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Wolfgang Wick. Grundlage für diese Leistungen seien die weltweit einzigartigen Archive und Sammlungen des Instituts, etwa das Felsbilderarchiv, das für das UNESCO-Weltdokumentenerbe nominiert ist. Die Kopien von Felsbildern, die im Original zum Teil inzwischen nicht mehr erhalten sind, waren unter verschiedenen thematischen Blickwinkeln in mehreren Ausstellungen in Deutschland und im Ausland zu sehen.

Für sein breites Aufgabenspektrum, das von Forschung über Sammlungserhalt und -ausbau bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit reicht, brauche das Frobenius-Institut allerdings mehr Personal. Eine Unterstützung empfiehlt der WR insbesondere für die zentrale Sammlungsbearbeitung, auch damit die Archive und Sammlungen international noch besser zur Geltung gebracht werden können sowie für wichtige Aufgaben der Digitalisierung und Datensicherung.

Mit seinen weltweit einzigartigen Sammlungen nimmt das Frobenius-Institut in der deutschsprachigen Kulturanthropologie eine Sonderrolle an der Schnittstelle von Forschungseinrichtung und Museum ein
(Foto: Jürgen Lecher)

Im Austausch mit der Universität

„Wir freuen uns außerordentlich über diese positive Evaluation durch den Wissenschaftsrat, insbesondere über das Lob für das große Engagement unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wir fühlen uns in unserer Arbeit bestätigt und wären der Politik für eine Stärkung unserer Grundförderung dankbar“, sagt Roland Hardenberg, Direktor des Frobenius-Instituts und Professor für Ethnologie an der Goethe-Universität.

Das Frobenius-Institut für kulturanthropologische Forschung e.V. ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut mit Sitz in Frankfurt am Main, im IG-Farben-Gebäude der Goethe-Universität. Das Institut mit seinen zwölf Festangestellten und 16 Drittmittelbeschäftigten nutzt die Infrastruktur und die Förderangebote der Goethe-Universität, stellt seine Archiv-, Bibliotheks- und Sammlungsbestände aber auch den Studierenden und Forschenden der Goethe-Universität zur Verfügung. Zudem beteiligt es sich an der Lehre und an etlichen gemeinsamen Forschungsvorhaben. Das Frobenius-Institut wird vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) grundfinanziert. Das HMWK hatte den Wissenschaftsrat 2021 darum gebeten, das Frobenius-Institut zu evaluieren.

Wissenschaftsrat/pb

Gute Noten für die Afrikaforschung

Das Zentrum für Interdisziplinäre Afrikaforschung soll die vielfältige Forschung zu Afrika an der Goethe-Universität bündeln. Hat es sein Ziel erreicht? Das 2003 gegründete Zentrum wurde nun erstmals evaluiert.

Hans Peter Hahn scheut nicht davor zurück, 2024 zu einem der wichtigsten Jahre seit Bestehen des Zentrums für Interdisziplinäre Afrikaforschung, kurz ZIAF, zu erklären. Ging es für den Geschäftsführer des ZIAF und alle wissenschaftlichen Mitglieder doch darum zu erfahren: Hat sich die Initiative im Jahr 2003 gelohnt, die Afrikaforschung aller Fachrichtungen in einem Zentrum zu koordinieren und sie in einen kreativen Austausch zu bringen? Die Empfehlungen der prüfenden Expertenrunde beantworteten die Frage eindeutig mit Ja. Die Experten attestieren dem Zentrum eine hervorragende Arbeit und sprechen sich für seine Fortführung aus. Besonders loben sie die „von unten nach oben“ gewachsene interdisziplinäre Zusammenarbeit und die produktive Strategie, Starthilfe für Projektanträge des ZIAF zu geben. Allein im Jahr 2024, erklärt Hahn, hätten zwei ZIAF-Mitglieder über eine Förderung des Zentrums Starthilfe für ihre Projektanträge erhalten: Der Kirchenhistoriker Prof. Stefan Michels überzeugte die VolkswagenStiftung von einem Pionierprojekt zur Verflechtung von Politik, Kirche und Theologie im namibischen Freiheitskampf im Rahmen der Förderlinie „Explorations of the Unknown Unknown”. Und die Musikwissenschaftlerin Barbara Alge erhielt von der Gerda Henkel Stiftung Fördermittel für die Erhaltung und Digitalisierung des Musikarchivs von São Tomé. Beiden hatte das ZIAF zuvor Reisen zur Kontaktaufnahme mit potentiellen Partnern nach Afrika finanziert.

Welches Afrikabild vermitteln unsere Medien? Die Ausstellung „Vergessene Welten und blinde Flecken. Die mediale Vernachlässigung des Globalen Südens" (2.– 22.Juli 2025) stellte Ergebnisse einer Langzeitstudie zur Afrika-Berichterstattung verschiedener Leitmedien vor (Foto: Stefan Schmid)

„Tue Gutes und rede darüber“

So positiv die Drittmitteleinwerbung, die Breite der Forschung und die Zahl der Partnerschaften beurteilt worden waren – eines wurde dem ZIAF nach der Prüfung dann doch ins Stammbuch geschrieben: sein Kerngeschäft „interdisziplinäre Afrikaforschung“ in der Goethe-Universität und insbesondere im Kreis der akademischen Kolleginnen  bekannter zu machen, zumal die Zusammenarbeit von Geistes-, Kultur-, Sozial- und Naturwissenschaften ein bedeutendes Alleinstellungsmerkmal des ZIAF in Deutschland sei.

Auch die Einbindung afrikanischer Partner auf allen Ebenen, so der Expertenrat, solle noch gestärkt werden. Diese Einschätzungen wurden dann auch Grundlage der Zielvereinbarungen des ZIAF mit dem Präsidium der Universität im Oktober 2024. Thema war unter anderem die Zusammenarbeit des ZIAF mit den Profilbereichen der Universität, insbesondere dem Profilbereich „Universalität und Diversität”; diesem wurde das ZIAF auch mit sofortiger Wirkung zugeordnet. Die Vereinbarungen treten ab 2025 in Kraft und geben dem Zentrum bis 2031 Planungssicherheit.

Welchen Beitrag leisten Afrika-Wissenschaftler*innen, um Stereotype über afrikanische Länder im deutschsprachigen Raum zu verringern? Der jährlich stattfindende ZIAF-Young scholars day befasste sich 2024 mit dem Thema „Afrika-Wissenschaftler*innen im deutschsprachigen Raum und Afrika-Wissen. (Foto: Stefan Schmid)

Aktionsmonat zum Afrikabild

Dem Auftrag „Tue Gutes und rede darüber“ ist das ZIAF bereits im laufenden Jahr gefolgt: In einem Aktionsmonat informierte es zu den Themen „Das Bild Afrikas in Deutschland“ und „Stereotypen und Alltagsrassismus“ – und das in so unterschiedlichen Formaten wie Ausstellungen, Dialoggesprächen, Konferenzen für Nachwuchswissenschaftler*innen und Podiumsdiskussionen. Mit Veranstaltungen in deutscher Sprache möchte das ZIAF künftig auch ein breiteres Publikum im Raum Frankfurt und darüber hinaus erreichen.

Zuwachs gab es auch bei der Konzeption interdisziplinärer Kooperationsprojekte: Unter der Leitung von Professor Hans Peter Hahn und Professorin Barbara Alge wurde ein interdisziplinäres und globales Graduiertenkolleg mit dem Titel „Die Zukunft von Forschungssammlungen. Bedeutungen und Werte jenseits des Eurozentrismus” beantragt. Die vom ZIAF organisierte internationale Konferenz „CrossArea24: Practices of Distribution and the Reconfiguration of Culture” leitete darüber hinaus die im Januar 2025 gestartete zweite Phase des Verbundprojekts CEDITRAA ein, das sich mit kultureller Unternehmensgründung und digitaler Transformation in Afrika und Asien befasst. Die Tagung markiert auch den Start zu Vorarbeiten für einen Sonderforschungsbereich, der sich mit dem Thema „Kulturen der Distribution” befassen soll. Positiv fiel die Bilanz aus auch bei dem seit 2008 geförderten Programm „Point Sud“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), das auf Afrika bezogene geistes- und sozialwissenschaftliche Veranstaltungen fördert. Die jährliche Förderung erreichte 2024 einen neuen Höchststand – und wird  von der Goethe-Universität und der DFG bis 2029 weiterhin gefördert.

Prof. Hans Peter Hahn, Geschäftsführer des ZIAF/pb

Wie beeinflussen Stereotype Rassismus gegenüber Menschen mit afrikanischem Migrationshintergrund in Deutschland? Und welche Rolle spielen dabei die Medien? Dies waren Themen der Podiumsdiskussion „Stereotype und Rassismus gegenüber weiten Regionen der Welt am Beispiel Afrikas in Deutschland“ (Poster: Dr. Judith Tavakoli)

Der Jahresrückblick 2024 des ZIAF gibt es hier.

Unser Wissenschaftsmagazin Forschung Frankfurt mit dem Schwerpunkt Afrika gibt es hier.

Foto: Goethe-Universität

Wie die Goethe-Universität zu einer Stiftungsprofessur für Experimentalphysik kam

2024 erhielt die Goethe-Universität die Stiftungsprofessur für experimentelle Physik. Gestiftet wurde sie von Gisela Eckhardt, die ihre Universität einst im Groll verlassen hatte. 60 Jahre später kamen Alumna und Universität wieder zusammen.

Wie entschlossen muss eine Zwölfjährige sein, die nach dem Tod des Vaters von der Mutter einfordert, testamentarisch zu verfügen, Physik studieren zu dürfen? Wie entschieden hat diese junge Frau ihr Ziel vor Augen, wenn sie ihrem Partner von Anfang an klarmacht: keine Kinder!? Denn Gisela Elsholtz, so ihr Mädchenname, will eine selbstbestimmte Frau und Forscherin sein. Genauer: Sie will experimentelle Physikerin sein.

So lässt sie sich auch nicht von einem ersten Hindernis aufhalten: In den Wirren der Nachkriegszeit muss sie für das letzte Schuljahr vom Mädchen-Gymnasium an die bislang Jungen vorbehaltene Wöhlerschule wechseln. An der neuen Schule merkt sie schnell, dass sie bisher nur „Mathe light“ kennengelernt hatte, wie sie es selbst formuliert. In kürzester Zeit holt sie fehlenden Stoff nach und schneidet auch in Mathematik im Abitur bemerkenswert gut ab.

Als Gisela Elsholtz sich 1947 an der Universität Frankfurt für Physik einschreibt, erfährt sie schon bald, dass sie auch für ihre Berufswahl genau dies brauchen wird: eine sehr besondere Entschlossenheit. „Ich bin nicht aggressiv, aber sehr hartnäckig“, wird sie später über sich sagen. Da blickt sie bereits auf ein Studium und einen Berufsweg zurück, in der ihr Männer immer wieder Boden streitig machen. Nach der Einschreibung an der Goethe-Universität nämlich sucht Gisela Elsholtz auf dem Aushang der 40 zugelassenen Studenten ihren Namen in alphabetischer Reihenfolge vergebens – sie findet ihn am Ende, auf Platz 41. Was Gisela Elsholtz erst später erfährt: Diesen Erfolg hat sie ihrem Physiklehrer und damaligen Präsidenten des Physikalischen Vereins Ludwig Protz zu verdanken. Als einzige Frau am Institut wird Gisela Elsholtz nun von 1947 an Physik studieren können.

Früh meldet Gisela Elsholtz sich für die Diplomprüfung an, wird aber in der Warteliste weit zurückgestuft. Und auch ihre Promotion wird sich um Jahre verzögern, weil ihr Doktorvater sich weigert, sie notwendige Änderungen am Versuchsaufbau vornehmen zu lassen. Wütend macht sie der Zeitverlust auch noch im hochbetagten Alter.

Studierte an der Goethe-Universität und gilt nach einer Entdeckung des Raman-Lasers als eine der Pioniere der Laserphysik: die Frankfurterin Gisela Eckhardt (Foto: privat)

Eine der hundert einflussreichsten Frauen der Optikforschung

Es scheint, dass Gisela Eckhardt – sie ist inzwischen mit ihrem Studienkollegen Wilfried Eckhardt verheiratet – nach dem Abschluss ihres Studiums nicht mehr bereit ist, gravierende Störmanöver weiter hinzunehmen. Denn nach ersten Bewerbungen und der Erfahrung, dass ihr Gehalt als Physikerin im Nachkriegsdeutschland weit unter dem ihres ebenfalls promovierten Mannes liegen würde, entschließen sich beide 1958, nach Amerika zu gehen, das damalige Mekka der Physikforschung. Auch dort wird sie als Frau weniger verdienen als männliche Kollegen, aber sie kann ihren Traum verwirklichen: Sie kann forschen. Nach zwei Jahren in Princeton wechselt sie zu den Hughes Research Laboratories in Malibu, eines der in Kalifornien boomenden Hochtechnologie-Unternehmen. Dort wird ihre Forschung 1962 sogar weit über die Grenzen des Instituts bekannt: Eckhardt kann mit anderen zeigen, wie sich mit Hilfe des sogenannten Raman-Effekts Laserstrahlen in fast jeder beliebigen Wellenlänge erzeugen lassen – eine Entdeckung, die der Lasertechnik neue Möglichkeiten eröffnet. Dass Laser heute für viele verschiedene Zwecke genutzt werden, dass mit ihnen Daten übertragen, Entfernungen gemessen und Tumore operiert werden können, ist auch Eckhardts bahnbrechender Arbeit zu verdanken. Die Harvard University führt Gisela Eckhardt als „one of the early pioneers“ der Laserphysik auf, die wissenschaftliche Gesellschaft „Optical Society of America“ (OSA) zählt sie zu den hundert einflussreichsten Frauen der Optikforschung im vergangenen Jahrhundert.

Nach einem Artikel in „Physics World“ über Eckhardts Pionierleistung in der Laserforschung wird auch die Nobelpreistauglichkeit der Raman-Laser-Erfindung 2015 erneut sondiert – schon zum Zeitpunkt der Entdeckung wurde darüber spekuliert, allerdings auch damals ohne Erfolg. Der Beitrag in „Physics World“ ist mit ein Grund dafür, dass wir Gisela Eckhardts Lebensgeschichte heute überhaupt kennen: Denn der Beitrag würdigt sie nicht nur als Mitentdeckerin des Raman-Lasers. Er führt auch dazu, dass in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ein Porträt über die prominente Laserspezialistin erscheint. Seit ihrer Übersiedlung in die USA verbringt Gisela Eckhardt jedes Jahr einige Wochen im Elternhaus im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen, auch um sich als Erbin und Gesellschafterin um den familiären Elektrohandel zu kümmern, den sie erst im Jahr 2000 verkauft hat. Der Leiter der Privaten Hochschulförderung der Goethe-Universität Andreas Eckel wird auf den redaktionellen Beitrag aufmerksam und bietet der Alumna als späte Wiedergutmachung ein Treffen mit dem Fachbereich Physik an – mit inzwischen immerhin drei Professorinnen und etlichen Nachwuchsforscherinnen. Gisela Eckhardt ist hocherfreut. Nach dem Besuch, zu dem 2017 kommt, vergehen nur wenige Monate, bis die 91jährige die Initiative ergreift, der Universität die Anschaffung eines Raman-Lasers zu ermöglichen.

Olena Fedchenko
besetzt die neue Gisela-und-Wilfried-Eckhardt-Stiftungsprofessur und stärkt damit entscheidend die experimentelle Kompetenz in der Festkörperphysik des Fachbereichs Physik.

Foto: Kateryna Fedorenko

Wie sich jedoch in den weiteren Gesprächen herausstellt, ist ihr dies nicht genug. Als wohlhabende Frau und großzügige Spenderin kennt Gisela Eckhardt auch das US-amerikanische Spendenwesen. Im Verlauf des sich immer persönlicher bis zum „Du“ entwickelnden Austauschs mit Eckel äußert die geistig fitte und noch sportlich aktive 92-Jährige deutlich ihr Bedauern darüber, dass von ihr aufgrund der Kinderlosigkeit „nichts bleiben würde“, weder in der Forschung – insbesondere bei der Förderung von Frauen – noch in ihrer Heimatstadt. Als Reaktion darauf schlägt ihr Eckel vor, sich für die Einrichtung einer Stiftungsprofessur mit ihrem Namen einzusetzen. Sie ergänzt sofort, dass auch der Name ihres Mannes genannt werden solle, da sie ohne ihn nicht in die USA gegangen wäre. Auch den Umstand, dass eine solche Professur aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen geschlechtsneutral ausgeschrieben werden müsse, also nicht Frauen vorbehalten sein könne, akzeptiert sie.

Details der gewünschten Stiftungsprofessur für experimentelle Physik sind noch nicht besprochen, als Gisela Eckhardt am 30. Januar 2020 mit 93 Jahren stirbt. Den Wunsch, der Goethe-Universität eine größere Summe zu hinterlassen, hat sie da bereits testamentarisch festgelegt. Was nun beginnt, ließe sich als Marathon einer erbschaftsrechtlich hochkomplexen Nachlassverwaltung des internationalen Erbfalls beschreiben. Nach knapp drei Jahren und regem Austausch zwischen Testamentsvollstreckern in den USA, der Schweiz und Deutschland steht das Stiftungsvermögen für die Universität fest: Es beträgt rund 11,5 Millionen Euro. Ausreichend für einen Stiftungsfonds, aus dem langfristig eine Stiftungsprofessur für experimentelle Physik finanziert werden kann.

Olena Fedchenko erhält Gisela-und-Wilfried-Eckhardt-Stiftungsprofessur

2024 wird die Stiftungsprofessur – genau: Gisela-und-Wilfried-Eckhardt-Stiftungsprofessur für Experimentalphysik im Bereich Festkörper-Spektroskopie elektronisch korrelierter Materialien – ausgeschrieben und zur Freude des Fachbereichs mit einer ausgewiesenen Expertin besetzt: Im Januar 2025 tritt die Festkörperphysikerin Olena Fedchenko als erste Wissenschaftlerin die neue Stiftungsprofessur an. Fedchenko, die in an der Staatlichen Universität Sumy (Ukraine) studiert und promoviert hat, wechselt von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz nach Frankfurt. In Mainz war sie als Postdoktorandin an zwei Sonderforschungsbereichen und mehreren BMBF-Projekten beteiligt und trug damit zur Entwicklung der Photoemissionstechnik bei DESY (Deutsches Elektronen-Synchrotron) bei. Fedchenkos Expertise, erklärt der Geschäftsführende Direktor des Physikalischen Instituts Prof. Cornelius Krellner, „stärkt erheblich einen von drei wissenschaftlichen Schwerpunkten unseres Fachbereichs, nämlich unseren Forschungsschwerpunkt ,Kondensierte Materie und Quantenmaterialien‘“.

Dies und auch die Tatsache, dass das Spezialgebiet der Experimentalphysikerin Olena Fedschenko der Laserpionierin Gisela Eckhardt thematisch nahesteht, wäre sicher ganz im Sinne der Stifterin gewesen.

pb

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