Schwerelos in Kiruna

Zwei Frankfurter Biowissenschaftler schicken Pflanzenexperimente ins Weltall

Auf der Erde wachsen die Wurzeln von Pflanzen nach unten, der Spross nach oben. Aber wie erkennen Pflanzen eigentlich genau, wo unten ist? Das wollen Maik Böhmer, Professor für Pflanzenphysiologie am Institut für Biowissenschaften der Goethe-Uni, und der Doktorand Dario Ricciardi herausfinden. Für ihr von der Freundesvereinigung gefördertes Experiment sind sie nach Kiruna, die nördlichste Stadt Schwedens, gereist.

Für ihr Experiment machen sich die beiden Frankfurter Biowissenschaftler auf in den Hohen Norden. Mit einer Chartermaschine geht es von Bremen nach Kiruna, die nördlichste Stadt Schwedens. Dort wird eine 13 Meter lange Rakete starten – mit Pflanzenexperimenten der Frankfurter Biowissenschaftler an Bord.

Fünf Minuten Schwerelosigkeit bringen das Schwerkrafterkennungssystem der Pflanzenzellen durcheinander, was in Veränderungen der pflanzlichen Biomoleküle sichtbar wird, so hoffen die Forscher.

Die Hardware für das Pflanzwachstum stammt aus einem 3D-Drucker, der dank der Unterstützung der Freunde und Förderer der Goethe-Universität angeschafft werden konnte. Im Labor in Schweden baut Dario Ricciardi die Hardware zusammen und sät im Anschluss Ackerschmalwand-Samen aus. Sie ist das »Haustier« vieler Pflanzenforscherinnen und -forscher. Nach ein paar Tagen beginnen die Samen zu keimen. Kurz vor dem Start werden die Pflänzchen dann in die Rakete eingebaut.

Mission mit Hindernissen

Drei lange Jahre warteten Maik Böhmer und Dario Ricciardi auf diesen Moment. Der Tag des Raketenstarts. Eigentlich sollte das Forschungsprojekt schon 2020 starten. Damals verhinderte das Corona-Virus die Mission in Kiruna. Ein Jahr später, 2021, ist die Abschussrampe abgebrannt. Dann, im April 2022, verhinderte der Krieg Russlands gegen die Ukraine einen Raketenstart nahe der russischen Grenze. Sieben Stunden vor Beginn des Countdown wurde damals die Kampagne beendet. Viele diplomatische Verhandlungen brachten die Wende: im Oktober 2022 gibt es endlich grünes Licht für einen Raketenstart.

Es ist noch mitten in der Nacht, als die Frankfurter Biowissenschaftler gemeinsam mit Kollegen von Airbus die Pflanzenproben in die Kammern einbauen. Die Kammern kommen anschließend in sogenannte Late-Access-Units (LAU) und werden noch einmal akribisch durchgetestet. Nach allen Durchläufen werden die 4 LAUs zur Rakete gefahren. Und dann ist es so weit: 3:00 Uhr morgens. Das Warten auf den Raketenstart beginnt

Genau um 8:26 Uhr hebt die Rakete ab. Gut eine Minute später beginnt die Schwerelosigkeit und hält 421 Sekunden an. Das sind rund sechs Minuten. Während dieser Zeit werden die Pflanzen zu verschiedenen Zeitpunkten automatisch mit dem Zellgift Methanol geflutet, das alle biologischen Prozesse fixiert. 14 Minuten nach dem Start ist alles vorbei: Die Rakete schlägt um 8:40 Uhr auf.

Zwei Stunden später ist die Rakete mit den Experimenten per Helikopter geborgen und anschließend auseinandergebaut. Die erfolgreich fixierten Proben werden dann von Maik Böhmer und Dario Ricciardi geerntet und weggefroren. Später werden die Proben auf Trockeneis von Schweden nach Bremen gebracht und von dort mit dem Zug nach Frankfurt transportiert.

Dort angekommen, geht es spät abends noch ins Labor am Campus Riedberg, um die Proben sicher zu verwahren. Es wird noch etwas dauern, bis Maik Böhmer und Dario Ricciardi genaue Ergebnisse zu ihrem Experiment vorliegen. Sie hoffen, so besser zu verstehen, wie genau die Pflanze die Schwerkraft wahrnimmt.

Bildnachweise: Bild 1: lovelyday12/Shutterstock; Bild 2ff.: Dario Ricciardi

Autoren: Heike Jüngst, Marcus Bernards

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