Wer sind eigentlich die knapp 30 Seniorprofessorinnen und –professoren an der Goethe-Universität, die sich auch nach ihrer Pensionierung noch in der Lehre engagieren? In einer mehrteiligen Serie werden sie hier vorgestellt.
Um die Betreuungsrelationen zu verbessern und ein zusätzliches hochqualifiziertes Lehrangebot anbieten zu können, besteht seit Ende 2009 an der Goethe-Universität die Möglichkeit, Seniorprofessuren einzurichten. Pensionierte oder emeritierte Professorinnen und Professoren der Goethe-Universität oder anderer Universitäten mit ausgewiesener Lehrkompetenz kommen für eine Seniorprofessur infrage und können somit auch nach ihrer Pensionierung weiterhin in der Lehre tätig sein. Das Lehrdeputat liegt zwischen vier und acht Semesterwochenstunden und schließt die Verpflichtung zu prüfen ein.
Teil 4 – Prof. Matthias Kreck
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Prof. Matthias Kreck (71) ist seit dem Wintersemester 2015 Seniorprofessor am Institut für Mathematik der Goethe-Universität. Sein Lehrdeputat beträgt sechs Semesterwochenstunden.
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Herr Prof. Kreck, wie kam es zu der Entscheidung für eine Seniorprofessur und was war Ihre Motivation, sich für weitere Lehrjahre an der Goethe-Uni zu entschieden, statt Ihre freie Zeit zu genießen?
Von weiteren Lehrjahren an der Uni Frankfurt kann keine Rede sein, da ich ein externer Seniorprofessor bin. Meine Heimatuniversität ist Bonn. In Bonn habe ich mit 68 Jahren aufgehört zu lehren, meine Forschung mache ich weiter dort, in erster Linie am dortigen Max-Planck-Institut für Mathematik. Ich hätte auch dort weiter gelehrt, aber mein Gebiet ist in Bonn stark vertreten. Per Zufall habe ich den Frankfurter Kollegen Martin Möller am MPI getroffen und gesagt, dass ich gerne auch in Zukunft unterrichte. Er hat das aufgegriffen und so kam der Gedanke einer Seniorprofessur in Frankfurt auf. Da ich in Mainz wohne, lässt sich das gut realisieren.
Gab es Situationen, in denen Sie Ihre Entscheidung bereut haben?
Nein!
Büro vs. Homeoffice, Gehalt vs. Rente, junge Kollegen vs. Senioren – wie haben sich die Rahmenbedingungen für Sie verändert?
Die Rahmenbedingungen haben sich nicht wesentlich geändert. Früher bin ich öfters nach Bonn gefahren, jetzt mache ich das nur noch zweimal pro Woche. Zwei Tage bin ich an der Uni Frankfurt und einen Tag forsche ich zu Hause. Mit den Frankfurter Kollegen verstehe ich mich sehr gut. Die Pension reicht aus, aber ich freue mich über die Anerkennung meiner Arbeit durch die Bezahlung für die Seniorprofessur.
Wenn Sie an Ihre allererste Vorlesung als Dozent zurückdenken und sie mit heute vergleichen: Was hat sich für Sie grundlegend in Ihrer Lehrtätigkeit gewandelt?
Meine erste Vorlesung habe ich 1975 gehalten, meine erste Professur hatte ich mit 28 Jahren. Es gibt große Veränderungen und große Gemeinsamkeiten. Die Veränderungen haben in erster Linie mit dem Bachelor-Master System zu tun. Allein die Tatsache, dass jede Vorlesung mit einer Prüfung abgeschlossen wird, macht einen großen Unterschied. Wie viele alte Leute, fand ich das System mit dem Diplom besser.
Wenn Sie an Ihre Zuhörer von heute und damals denken: Wie hat sich das Bild der Studierenden verändert, das Sie wahrnehmen, wenn Sie in den Hörsaal blicken?
Auch da gibt es große Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Nach wie vor gibt es hoch begabte und sehr motivierte Studierende. Ich erwähne mal eine scheinbare Äußerlichkeit. Ich schreibe jeden, den ich nicht näher kenne, mit „Sehr geehrte(r)…“ an. Wenn ich „Hallo“ höre, schrecke ich immer zusammen, ich denke, es warnt mich jemand. Und so geht es mir auch, wenn die Studierenden mir eine Mail mit „Hallo..“ schreiben. Wie gesagt ist das nicht wesentlich, aber vielleicht doch ein Ausdruck von einer Veränderung.
An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?
In der Forschung bin ich sogar aktiver als vor ein paar Jahren. Das ging bei mir immer in Wellen. Leider ist die Mathematik für Laien ein Buch mit 7 Siegeln. Aber ich will wenigsten den Titel einer Arbeit nennen, an der ich mit Don Zagier, Direktor am Bonner MPI, arbeite, der anfängt mit: „An overlooked problem… „ Da bearbeiten wir eine Frage, wo wir uns wundern, dass sie nicht vor 50 Jahren bearbeitet wurde.
Gelingt es Ihnen als Seniorprofessor viel mehr Zeit mit Dingen zu verbringen, die nicht mit Ihrer Profession zu tun haben? Haben Sie in der frei gewordenen Zeit neue Leidenschaften für sich entdeckt?
Was den Beruf angeht ist die größte Veränderung, dass ich nicht mehr zu Sitzungen gehen muss. Das ist einerseits angenehm, andererseits kommt da hier und da etwas Wehmut auf, weil man nicht mehr so dazugehört. Allerdings betrifft das nur meine Beziehung zum Institut in Bonn. Hier in Frankfurt kommt so etwas nie auf. Daneben erlaube ich mir, viel weniger Gutachten zu schreiben. Das ist wunderbar. Dadurch habe ich auch etwas mehr Zeit, die ich dazu benutze um möglichst viel Cello zu üben.
Wann ist Schluss?
Vor 20 Jahren habe ich gesagt: Mit 65 höre ich komplett mit der Mathematik auf, eine große Fehleinschätzung. Daraus habe ich gelernt, keine Vorhersagen mehr zu machen. Aber es kann ganz schnell eine Veränderung kommen, die einem die Entscheidung abnimmt.
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