Guido Friebel über ein Feldexperiment in einer deutschen Bäckereikette

Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

Wie und auf welche Weise wirken Anreizsysteme für Teams? Guido Friebel über ein Feldexperiment in einer deutschen Bäckereikette.

UniReport: Herr Prof. Friebel, Sie haben in einer aktuellen Publikation in der renommierten American Economic Review* den Erfolg eines Team-Bonus-Systems nachgewiesen. Sind Team-Boni ein neuer Trend?

Guido Friebel: In der Praxis wird tatsächlich aktuell viel darüber diskutiert, welche Alternativen zu individuellen Leistungsmaßen und Entlohnungen bestehen. Zwar finden individuelle Boni in der Forschung überwiegend positive Bewertung – außer in einzelnen Sektoren, wie etwa im Finanzbereich, in dem durch Boni Fehlverhalten begünstigt werden kann. Die Bedeutung von Teamarbeit nimmt jedoch stetig zu. Deswegen setzen Unternehmen verstärkt darauf, dass Team-Mitglieder, die gut miteinander kooperieren, gemeinsam mehr und besser produzieren, als wenn man jeden von ihnen einzeln arbeiten ließe. Daraus folgt das Bedürfnis, Kooperation auf Team-Ebene zu fördern. Insgesamt sind Team-Boni aber noch wenig verbreitet – obwohl sie wahrlich nicht neu sind. Im Produktionsbereich gab es sie bereits in den 1930er Jahren. Aber auch in der Forschung sind Team-Boni bis heute wenig beleuchtet.

Sie haben ein Feldexperiment zusammen mit einer Bäckereikette durchgeführt. Was haben Sie herausgefunden?

Wir haben in einem Teil der Filialen Team-Boni für die Mitarbeiterinnen eingeführt und untersucht, wie sich das auf die Arbeitsleistung auswirkt. Die Verkäuferinnen konnten bis zu 300 Euro im Monat mehr verdienen, wenn sie als Team bestimmte Verkaufsziele erreichten bzw. übererfüllten. Das System war sehr erfolgreich: Die Boni führten zu einem Umsatzanstieg in den untersuchten Filialen um durchschnittlich drei Prozent. Der entsprechende Anstieg des Gewinns hat die höheren Lohnkosten für das Unternehmen mehr als kompensiert. Das hat auch die Führungsebene sehr überrascht. Insbesondere im mittleren Management hatte es sehr viel Vorbehalte dagegen gegeben, sich über Monate solch einem Experiment unter wissenschaftlich sauberen Bedingungen zu unterwerfen. Glücklicherweise haben uns die Geschäftsführung und der Betriebsrat voll unterstützt.

Die Teams in Ihrer Studie bestehen im Durchschnitt aus sieben Mitarbeiterinnen. Ist das eine ideale Größe für ein Team-Bonus- System?

Das scheint in der Tat eine gute Größe zu sein. Zwar könnte man auch eine Gewinnbeteiligung für alle Mitarbeiter eines Unternehmens als „Team-Bonus“ bezeichnen. Es ist aber fraglich, ob sich ein solches System, bei dem mehrere Hundert, Tausend oder Zehntausend Mitarbeiter als „Team“ entlohnt werden, nachhaltig auf die Motivation des Einzelnen auswirkt. Der individuelle Beitrag zum Gesamtgewinn ist zu abstrakt und der Anreiz, als Trittbrettfahrer ohne besondere eigene Anstrengung am Bonus zu partizipieren, zu groß. Andere Faktoren spielen aber auch eine wichtige Rolle. In den Bäckereien haben die Boni interessanterweise eher in den größeren Teams von mehr als zehn oder zwölf Mitarbeitern zu großen Effizienzgewinnen geführt. Das lag aber weniger an der Teamgröße als daran, dass sich die größeren Filialen in attraktiveren, innerstädtischen Lagen befinden, wo die Mitarbeiter den Verkaufserfolg besser beeinflussen können – zum Beispiel, indem sie in Stoßzeiten effizienter kooperieren, sodass mehr Kunden bedient werden. Bei kleineren Filialen, z.B. auf dem Land, haben die Boni dagegen weniger bewirkt, weil die Mitarbeiter schlicht nichts an der schlechten Nachfragelage ändern konnten. Insofern lässt sich sagen, dass Team-Bonus-Systeme am besten funktionieren in überschaubaren Teams mit klaren Arbeitsaufträgen und gut nachvollziehbaren Ergebnissen, bei denen Kooperation eindeutig zu Effizienzgewinnen führt.

Haben Sie etwas darüber gelernt, wie die Teammitglieder Trittbrettfahrer-Verhalten verhindert haben?

Es ist relativ schwer, das von außen zu untersuchen. Es gibt einzelne Studien, die zeigen, dass es tatsächlich der Gruppendruck ist, der zu einer Verhaltensänderung führt: Die Tatsache, dass mich jemand beobachtet, der produktiver ist als ich, bringt mich dazu, härter zu arbeiten. Ein interessantes Ergebnis unserer Studie in diesem Zusammenhang war, dass der Teambonus in Filialen, in denen mehr als 20 Prozent der Arbeitsleistung auf geringfügig Beschäftigte entfällt, keinen Effekt hatte. Das lag auf den ersten Blick daran, dass wir diesen Mitarbeitern keinen Teambonus zahlen konnten, da sie sonst über die gesetzlich festgelegte 450-Euro-Schwelle gekommen wären. Man hätte sich aber vorstellen können, dass die anderen Mitarbeiter mit den „Mini-Jobbern“ unter der Hand verabreden, einen Teil ihres Bonus abzugeben, um sie zur Mit-Anstrengung zu motivieren. Das hat aber nicht stattgefunden. Die Wirkung eine Team-Bonus bricht also in sich zusammen, wenn nicht alle Team-Mitglieder belohnt werden. Und es scheint, dass selbst ein sehr kleines Team es nicht schafft, ein solches Problem zu überwinden.

Hat es für den Erfolg Ihrer Team-Boni eine Rolle gespielt, dass die Teams aus relativ gering qualifizierten Beschäftigten im Niedriglohnsektor bestanden?

Es deutet einiges darauf hin. Zum einen kann man im Niedriglohnsektor, so z.B. im Einzelhandel oder in der Gastronomie, den Output eines Teams oftmals gut messen – was für den Einsatz von Team-Boni von Vorteil ist. Zum anderen spielen in diesem Bereich Karriereanreize kaum eine Rolle. In Teams mit höher Qualifizierten haben viele Mitarbeiter auch ohne Bonus ein Interesse daran, in ihrem Projekt einen guten Job zu machen, da sie sich beruflich weiterentwickeln wollen. Im Niedriglohnsektor gibt es dagegen kaum Perspektiven und die Gehälter sind zudem so gering, dass monetäre Boni auch in kleinem Umfang schon Anreizwirkung entfalten können.

Hat das Unternehmen Ihr Bonus-System beibehalten?

Nachdem unser Experiment so positive Ergebnisse gezeigt hat, hat das Unternehmen das Bonus-System auf alle Filialen ausgeweitet. Außerdem hat es Konsequenzen gezogen aus den Unterschieden zwischen den Filialen: Zweigstellen, in denen sich überhaupt kein Effekt gezeigt hat, weil die Mitarbeiter auch durch effizienteres Arbeiten nichts an der Tatsache ändern konnten, dass die Filialen eben in sehr unattraktiven Gegenden liegen oder neben einem Aldi oder Lidl, wo es die gleichen Waren zum halben Preis gibt, wurden verkauft oder geschlossen. Das ist zwar bedauerlich, aber man sollte berücksichtigen, dass dieses seit langem existierende Unternehmen unter massivem und stetig steigendem Wettbewerbsdruck steht. So muss man die Effizienzgewinne durch die Einführung leistungsgerechter Entlohnung auch als einen Beitrag zur Arbeitsplatzsicherheit aller übrigen Mitarbeiterinnen bewerten. Wo aber die Strukturen und Marktbedingungen nicht stimmen, helfen Team-Boni auch nicht weiter.

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Guido Friebel ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalwirtschaft. *Friebel, G., Heinz, M., Krueger, M., Zubanov, N. (2017), Team Incentives and Performance: Evidence from a Retail Chain, forthcoming in American Economic Review.

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Dieser Artikel ist in der Ausgabe 3.17 (PDF-Download) des UniReport erschienen.

Autorin: Muriel Büsser

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