Vom 11. bis 15. April haben sich Experten zu einem deutsch-chinesischen Symposium in Beijing getroffen, um neueste Ergebnisse auf Schlüsselgebieten der chemischen Forschung zu diskutieren. Hauptorganisatoren waren Prof. Suning Wang (Beijing Institute of Technology) und Prof. Matthias Wagner vom Institut für Anorganische und Analytische Chemie Goethe-Universität.
Herr Wagner, wie kam es zu diesem hochrangig besetzten Symposium in Beijing?
Die Idee kam bei einem Gespräch mit meiner Kollegin Suning Wang auf, die ich schon lange kenne. Sie ist Professorin an der Queen’s University in Kingston, Canada. Gleichzeitig führt sie auch noch eine Forschungsgruppe am Beijing Institute of Technology (BIT). Wir arbeiten beide an neuen Materialien für Solarzellen und Organische Leuchtdioden. Hier spielen die Hauptgruppenelemente Bor, Silizium und Phosphor eine wichtige Rolle. In der westlichen Welt ist Deutschland eine der führenden Nationen auf dem Gebiet der Hauptgruppenchemie. Wesentliche Beiträge kommen jedoch gerade auch aus dem asiatischen Raum. Daher lag es nahe, führende Wissenschaftler aus Deutschland und China zu einem Symposium über „Challenges and opportunities of organoboron, organosilicon, and organophosphorus compounds“ zusammenzuführen. Die Sprecher (15 Kollegen aus Deutschland und 25 aus China) wurden von Suning Wang und mir ausgesucht und eingeladen.
Wie haben Sie die Tagung finanziert?
Die Finanzierung der Tagung, einschließlich aller Reisekosten, wurde vom „Chinesisch-Deutschen Zentrum für Wissenschaftsförderung“ (CDZ) übernommen. Dies möchte ich dankbar betonen, weil es heutzutage eine Seltenheit ist. Grundlage war ein umfangreicher Antrag von Professor Wang und mir, der sehr eingehend geprüft wurde. Das CDZ ist eine gemeinsame Einrichtung der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“ (DFG) und ihres chinesischen Pendants. Es fördert auch wissenschaftliche Kooperationen und den Studentenaustausch zwischen beiden Ländern – allerdings erst, nachdem man beispielsweise an einem Symposium teilgenommen hat, wie wir es veranstaltet haben. Dies war ein weiteres Motiv für unsere Antragstellung.
Was sind die wichtigsten Themen, die auf dem Symposium diskutiert wurden?
Das Symposium umfasste viele Themenbereiche, die sich aber überwiegend unter der Überschrift „Nachhaltige Chemie“ subsummieren lassen. Es ging nicht allein um energiesparende Materialien (unter anderem für neuartige Beleuchtungs- und Displaytechnologien), sondern beispielsweise auch um Katalyseverfahren, mit deren Hilfe sich neue Verbindungen ressourcenschonend herstellen lassen. Selbst die Medizinische Chemie fand ihren Platz, da Bor- und Phosphorverbindungen zunehmend als Fluoreszenzmarker für Zellen und Zellorganellen eingesetzt werden.
Welchen Eindruck haben Sie von der Forschung in China gewonnen?
Neben den Vorträgen und Diskussionen stand auch ein Besuch auf dem Campus des BIT auf dem Programm. Das chemische Institut dort ist ein großzügiger Neubau, in dem man alles an Laborinfrastruktur und Messgeräten findet, was man sich nur wünschen kann. Es ist ja bekannt, dass die naturwissenschaftliche Forschung in China mit immensen Geldmitteln vorangetrieben wird – jeder kann dies an dem rasend schnell wachsenden Prozentsatz von Publikationen chinesischer Arbeitsgruppen in den Topjournalen ablesen. Es war dennoch beeindruckend, die Forschungsstätten unmittelbar in Augenschein nehmen zu können. Die hohe Priorität, die der Forschung auch seitens der Politik beigemessen wird, ist in China offensichtlich kein Lippenbekenntnis. Beeindruckend ist auch die Hingabe und der Fleiß, mit dem die Studenten an ihren Projekten arbeiten. Die „work-life balance“ scheint mir am BIT kein Thema zu sein. Stattdessen herrscht ein produktives Klima des Wettbewerbs und der harten Arbeit. Gleichzeitig machten die Doktoranden auf mich überwiegend einen zufriedenen und sehr aufgeschlossenen Eindruck – weil sie sich der Qualität ihrer Forschung bewusst und der eigenen Leistungsfähigkeit sicher sind.
Wie soll die auf dem Symposium vereinbarte deutsch-chinesische Kooperation künftig weitergeführt werden?
Bereits während des Symposiums haben viele Kollegen (mich eingeschlossen) wechselseitige Kooperationen vereinbart. Inwieweit das künftig institutionalisiert werden wird und beispielsweise zu einem Transregio-Sonderforschungsbereich führen kann (das CDZ fördert auch solche Formate) wird die Zukunft zeigen. Ich persönlich bin sehr optimistisch, weil eine ausgesprochen positive und einander zugewandte Stimmung geherrscht hat.
Was war für Sie persönlich der wichtigste Eindruck auf dieser Reise?
Besonders interessant war es, die hervorragenden Arbeitsbedingungen vor Ort zu sehen, und die produktive Atmosphäre zu spüren. China macht zweifellos Ernst mit der Ankündigung, ein Ort der Spitzenforschung zu werden. Beispielsweise wurde ein „Thousand Talents Program“ aufgelegt, mit dessen Hilfe überwiegend junge Wissenschaftler als Forscher und Lehrer an die Universitäten geholt werden sollen. Das Programm richtet sich explizit auch an potentielle Rückkehrer, die nach einem Postdoc-Aufenthalt zunächst im Ausland geblieben sind. Überhaupt scheint die Internationalisierung hohe Priorität zu genießen: Im Rahmen unseres Campusbesuches am BIT wurden etliche von uns rundheraus eingeladen, Forschungssemester an chinesischen Universitäten zu verbringen, oder auch eine zweite Arbeitsgruppe dort zu etablieren – ähnlich wie die Kollegin Suning Wang es getan hat.
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Weiterführende Links
- „Chinesisch-Deutschen Zentrum für Wissenschaftsförderung“ (CDZ)
- Bericht über die Tagung auf der Website des Beijing Institute of Technology (BIT)
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