Der demographische Wandel, das Altern der Gesellschaft, aber auch ein gestiegenes Bewusstsein dafür, dass auch im Alter Partizipation und Teilhabe an Gesellschaft sichergestellt werden muss, bilden den Hintergrund des gerade eröffneten Frankfurter Forums für interdisziplinäre Alternsforschung (FFIA). Zwei laufende Projekte, einmal aus dem Bereich „Individuelle und räumliche Fragen des Alterns“ und „Rechtliche und ethische Fragen des Alterns“ sollen im Folgenden exemplarisch vorgestellt werden.
Hilfe durch emotionale Roboter
Die zunehmende Alterung der Gesellschaft ist bereits heute nicht zu übersehen. Auch die Zahl an Hochaltrigen (älter als 85 – 90 Jahre) nimmt stark zu. Der Unterstützungsbedarf gerade bei der letztgenannten Altersgruppe ist immens, Pflege- und Betreuungspersonal auf lange Sicht – der Beruf Altenpfleger ist nicht sehr attraktiv – kaum in ausreichender Zahl vorhanden.
Ob und in welcher Form technische Lösungen helfen können, untersucht Prof. Monika Knopf, Entwicklungspsychologin an der Goethe-Universität, in einem vom BMBF-geförderten Projekt „ERimAlter“. An dem interdisziplinären Projekt sind neben Psychologen auch Erziehungswissenschaftler, Mediziner und Vertreter aus den Bereichen Pflege und Technik aus der Frankfurt University of Applied Sciences beteiligt.
Digitale Technologie, so die Überlegung, kann auch im emotional-menschlichen Bereich unterstützen. PARO heißt eine Roboter-Robbe, die zukünftig in Altenheimen erprobt werden soll. Deren Preis von ca. 5.000 Euro liegt recht hoch, sodass sich kaum Einzelpersonen ein solches Gerät anschaffen werden. „Das Gerät hat eine Kuscheltieroptik mit Kunstfell und reagiert auf Berührung, auditive und visuelle Reize“, erläutert Monika Knopf.
Es reagiert nicht nur, sondern ist begrenzt lernfähig und kommuniziert auch aktiv mit der Person und kann somit möglicherweise bei Einsamkeit, Langeweile oder auch Schmerzen für Trost, Ablenkung und Linderung sorgen. Die Idee, Robotik in der Altenpflege einzusetzen, stammt aus Japan, wo ein ähnlicher demographischer Wandel zu beobachten ist. Allerdings, konzediert Monika Knopf, ist dort aufgrund anderer kultureller Prägungen der Umgang mit künstlichen Dialogpartnern nichts Außergewöhnliches; nicht von ungefähr stammt das digitale Kinderspielzeug Tamagotchi aus Japan.
Ob die Akzeptanz für emotionale Roboter in Deutschland ähnlich hoch sein kann, muss erst noch getestet werden. Die ersten Ergebnisse signalisieren, so Knopf, eine moderate Zustimmung, die sich im Verlauf eines gestuften, immer konkreter werdenden Interviews noch verbesserte. Die Gruppe der „fitten älteren Menschen“ (70 – 80 Jahre) gab allerdings an, sich ein solches Gerät aktuell nicht anschaffen zu wollen; eine Nutzung in einem möglichen Krankheitsfall wurde jedoch nicht ausgeschlossen.
Ähnlich schätzt diese Personengruppe die Bedeutung eines zweiten technischen Artefakts ein, dessen Akzeptanz durch das Projekt ebenso getestet werden soll. „Eine Art Skype auf Rädern, ein bewegliches Gerät mit Bildschirm, das die Echtzeit-Kommunikation mit Familie und Freunden ermöglicht; ebenso können sich aber auch Ärzte und Pfleger auf digitalem Weg einen Eindruck vom Zustand des Patienten verschaffen“, erläutert Monika Knopf.
Der Entscheidungs-Assistent
Auf einem ganz anderen Feld ist das von der VW Stiftung geförderte Projekt EmMa unterwegs: Das von der Psychologin Dr. Julia Haberstroh geleitete Projekt knüpft an die UN-Behindertenrechtskonvention an, nach der Staaten dafür Sorge tragen müssen, dass Menschen mit Behinderung ihr Recht auf Selbstbestimmung maximal wahrnehmen können.
Auch Demenz gilt rechtlich als Behinderung. „Obwohl auch Deutschland die Konvention unterschrieben hat, gibt es bislang keine geeigneten Maßnahmen, um die Anforderungen der Konvention zu erfüllen“, betont Julia Haberstroh. EmMa möchte hier Abhilfe schaffen und Maßnahmen zur assistierten Entscheidung für Menschen mit Demenz zur Verfügung stellen.
Bislang ist gängige Praxis, dass Patienten, denen die Einwilligungsfähigkeit abgesprochen wurde, ein Betreuer oder Bevollmächtigter zur Seite gestellt wird, der die Entscheidung stellvertretend übernimmt. Davon will (und muss) man nun wegkommen: weg von der Stellvertretung hin zu einer Assistenz. „Statt dem Patienten die generelle Handlungsfähigkeit abzusprechen, muss jede Entscheidung für oder gegen eine medizinische Behandlung speziell und neu geprüft und unterstützt werden“, erläutert die Expertin auf dem Gebiet der Kommunikation mit Demenzkranken.
Jeweils angepasst werden müssen Formen der Vermittlung von Informationen, da bei Patienten mit Demenzerkrankungen die verbale Kommunikation oftmals gestört ist. „Unsere bisherige Forschung weist darauf hin, dass u. a. die Zuhilfenahme von Gedächtnisstützen, Visualisierungen und besonderen Sprachstilen hilfreich sein kann.“ Es bedarf einer verbalen und non-verbalen Vereinfachung, ohne allerdings in den berüchtigten ‚baby-talk‘ zu verfallen:
„Der ist nicht geeignet, weil er von den Patienten zurecht als kränkend, frustrierend und demotivierend wahrgenommen werden kann“, erklärt Haberstroh. Um die von der UN-Behindertenrechtskonvention geforderte Assistenz für Menschen mit Demenz leisten zu können, bedarf es Kenntnisse über die individuellen Bedürfnisse der Person. Hierfür bleibt den Ärzten im stressigen Alltag oft nicht die nötige Zeit.
Die Assistenz ist daher in der Praxis oft Aufgabe der Angehörigen, Bevollmächtigten und Betreuer, denen ebenfalls oft die Zeit fehlt. Um beispielsweise von der Betreuung leben zu können, werden manchmal unmögliche Klientenzahlen aufgenommen – von bis zu 80 Klienten pro Berufsbetreuer hört man in drastischen Fällen. Angehörige von Demenzkranken können oft mit mehr Zeit und Wissen über die Vorlieben und Wünsche des Betroffenen assistieren.
Besonders schwierig gestaltet sich jedoch die Betreuung der zunehmenden Zahl an alleinlebenden Menschen mit Demenz. Das Projekt EmMa hat den Anspruch, dass die entwickelten assistierenden Maßnahmen ohne viel Zeitaufwand sowohl von Ärzten als auch von Betreuern, Bevollmächtigten und Angehörigen praxistauglich umgesetzt werden können.
[dt_call_to_action content_size=”small” background=”plain” line=”true” style=”1″ animation=”fadeIn”]
FFIA – Frankfurter Forum für interdisziplinäre Alternsforschung
Wie lässt sich das Leben im Alternsverlauf gestalten und meistern, was müssen Individuen und Gesellschaft lernen und leisten, um erfolgreich, zufrieden und würdevoll zu altern? Diesen Fragen widmet sich das im Oktober 2014 an der Frankfurter Goethe-Universität eröffnete Forum. Ziel ist die Erforschung von Bedingungen guten Alterns, von Alternsprozessen und von Alternsfolgen aus lebens-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Perspektiven zur Förderung der Lebensqualität im hohen Alter.
Das Forum möchte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zusammenbringen, die zum Thema Altern aus verschiedenen Disziplinen forschen, neue interdisziplinäre Projekte bean tragen und durchführen und den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern. Beteiligt sind zunächst die universitären Fachbereiche Rechtswissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, Erziehungswissenschaften, Medizin, Psychologie und Sportwissenschaften.
Die Finanzierung des FFIA wird zunächst über eine Laufzeit von 5 Jahren durch eine Förderung der BHF-Bank-Stiftung (Frankfurt a. M.) ermöglicht. Zur Realisierung von Einzelprojekten wird eine Förderung bei variablen öffentlichen und privaten Drittmittelgebern eingeworben.
Kontakt
Prof. Dr. Frank Oswald, Fachbereich Erziehungswissenschaften und Sprecher der Initiativgruppe; Tanja Müller, Koordinatorin. Tel. (069) 798-36398; oswald@em.uni-frankfurt.de, www.uni-frankfurt.de/ffia
[/dt_call_to_action]