Werden E-Zigaretten teurer?

Fragen an den Suchtforscher Dr. Bernd Werse zur Anhörung im Bundestag zur „Modernisierung des Tabaksteuerrechts“

Herr Werse, Sie waren als Experte zur Anhörung im Bundestag eingeladen. Das Centre for Drug Research (CDR) an der Goethe-Universität beschäftigt sich hauptsächlich aber eher mit illegalen Drogen?

Das ist prinzipiell richtig. Wir hatten aber vor einiger Zeit ein kleines Projekt zum Konsum von E-Zigaretten bei Jugendlichen, das vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wurde. Seitdem beschäftigt uns das Thema immer mal wieder, auch im Hinblick auf die sogenannte „Gateway-Theorie“. Damit wird unterstellt, dass Jugendliche durch das Rauchen von E-Zigaretten an das Rauchen herangeführt werden. Sicherlich gibt es dieses Phänomen, aber nur bei einer verschwindend geringen Minderheit. Gleichzeitig ist seit Aufkommen der E-Zigaretten die Zahl der Jugendlichen, die gar nicht erst mit dem Rauchen beginnen, weiter deutlich zurückgegangen. Die Verbreitung von E-Zigaretten könnte hier also eher einen präventiven Faktor darstellen.

In dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen E-Zigaretten aber stärker als bislang besteuert werden. Experten wie Sie haben sich nahezu einhellig dagegen ausgesprochen.

Nur Vertreter des Aktionsbündnisses Nichtrauchen haben sich dafür ausgesprochen. Sie verweisen darauf, dass auch E-Zigaretten potenziell schädliche Stoffe enthalten. Studien zeigen aber gerade, dass E-Zigaretten weitaus weniger schädlich sind als normale Zigaretten, vor allem, weil sie keine Verbrennungsprodukte enthalten. Ansonsten findet der Gesetzentwurf bei Expert*innen wenig Gegenliebe. In der Vorlage wird unter anderem die Hoffnung ausgedrückt, dass man darüber mehr Steuereinnahmen erzielen könnte. Wenn es aber um die Gesundheit gehen sollte, dann ist das der falsche Ansatz. Es gibt zudem Erfahrungen aus Ländern wie Ungarn und Italien, dass sich Steuermehreinnahmen gar nicht einstellen, denn die Konsumenten besorgen sich die Liquids, aus denen der Dampf entsteht, aus dem Ausland bzw. über das Internet.

Haben denn die Preiserhöhungen über Steuererhöhungen grundsätzlich einen signifikanten Effekt auf das Rauchen?

Ja, aber es müssen schon empfindliche Erhöhungen sein, dann nimmt die Zahl derer, die mit dem Rauchen aufhören, schon zu. Die Politik möchte aber auch Steuern eintreiben und berücksichtigt die Interessen der Industrie, wie man es auch bei der neuen Gesetzesvorlage sehen kann – eine sehr vorsichtige Preiserhöhung in mehreren Schritten, die der Konsument kaum merken dürfte.

Man kann auch als Laie beobachten, dass heute deutlich weniger geraucht wird. Hat der Preisanstieg großen Anteil daran oder sind es eher andere Faktoren?

Ich denke, dass der Nichtraucherschutz seit Anfang der Nuller Jahre den größten Anteil an dem Rückgang hat. Wir können uns ja noch alle darin erinnern, wie selbstverständlich bis vor 15 Jahren noch in Restaurants, Kneipen und Clubs, aber auch noch in der Uni, etwa vor den Seminarräumen, geraucht wurde. Die Akzeptanz für Rauchen in geschlossenen Räumen ist verschwunden. Warnhinweise auf den Packungen spielen auch eine Rolle, aber gerade was die schockierenden Bilder angeht, sollte man den Effekt nicht überschätzen. Hingegen soll laut Präventionsforschung das in manchen Ländern praktizierte „Plain Packaging“, einheitliche Zigarettenpackungen ohne Markenlogos, mehr bringen. Ein weiterer Punkt dürfte die Heraufsetzung der Altersfreigabe sein. Was die erwachsenen Raucher*innen angeht, geht die Kurve aber nur sehr langsam runter, während bei den Schüler*innen – da haben wir ja eine valide Datengrundlage durch die regelmäßigen Schülerbefragungen des Centre for Drug Research – ein massiver Rückgang zu beobachten ist. Wir sehen in dieser Altersgruppe auch eine Polarisierung, was das Image des Rauchens betrifft. Zigarettenrauchen wird unter Jugendlichen heute kaum noch als irgendwie „cool“, sondern eher als „asi“ betrachtet.

Sie setzen sich als Drogenforscher für eine gerechtere Bewertung der unterschiedlichen Drogen ein. So müsste man strenggenommen auch auf der Bierflasche Horrorbilder von erkrankten Konsumenten anbringen.

Ja, in Sachen Alkohol liegt Deutschland im internationalen Vergleich bei der Verhältnisprävention ganz weit hinten. Die Verfügbarkeit von Alkohol quasi rund um die Uhr und die Präsenz von Werbung ist in kaum einem Nachbarland so groß. Vor allem ist Alkohol bei uns auch sehr billig.

Sie waren als Experte zur Anhörung im Bundestag, also in Sachen Third Mission unterwegs. Wie schätzen Sie die Wirksamkeit Ihrer Expertise dort ein?

Man bemerkt in den letzten Jahren in der Drogenpolitik, dass auch Expert*innen außerhalb von Medizin und Strafverfolgung häufiger Gehör finden. Ich bin ja unter anderem der Sprecher des Expertennetzwerkes „Schildower Kreis“ und werde daher recht häufig zu solchen Veranstaltungen eingeladen.

Erwarten Sie eigentlich von einer möglichen Regierungsbeteiligung der Grünen eine gemäßigtere Drogenpolitik?

Nicht gemäßigt, das wäre vielleicht zu eindimensional. Man muss ja immer beides im Blick haben – legale und illegale Drogen. Wie man bei der Anhörung im Bundestag zur „Modernisierung des Tabaksteuerrechts“ deutlich sehen konnte, tut sich die SPD beim Thema E-Zigaretten als besonders restriktiv hervor. Parteien wie die CDU, aber vor allem die FDP stehen hier mehr auf der Seite der Tabak- und E-Zigaretten-Industrie. Diese Industriefreundlichkeit einiger Parteien zeigt sich recht deutlich bei den legalen Drogen; Gesundheitsinteressen treten dabei oftmals in den Hintergrund. Bei den illegalen Drogen dominiert hingegen bei der Union eine reine Verbotspolitik. Da sind die Grünen sicherlich differenzierter. Mit Blick auf eine Regierungsbeteiligung der Grünen im Bund wäre ich vorsichtig optimistisch, was Entkriminalisierung und Legalisierung in der Drogenpolitik angeht.

Fragen: Dirk Frank

Dr. Bernd Werse ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mitbegründer des Centre for Drug Research (CDR) im Fachbereich Erziehungswissenschaften. Das CDR finanziert sich ausschließlich über Drittmittel.

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