Uni-Partnerschaften: Beziehungsarbeit gehört auch dazu

Prof. Marcus Bleicher knüpft internationale Verbindungen für die Physik. Foto: Dettmar

Internationale Partnerschaften mit über 400 Institutionen kann die Goethe-Universität vorweisen, von strategischen Verbindungen bis zu kleinen gemeinsamen Projekten. Damit diese gelebt werden, braucht es aber mehr als eine unterschriebene Abmachung.

Manchmal scheint das Schicksal seine Finger mit im Spiel zu haben. Marcus Bleicher, Professor für Theoretische Physik, erinnert sich noch ganz genau an den Moment, als er seinen bosnischen Kollegen das erste Mal persönlich traf, mit dem er gemeinsames Netzwerk aufbauen wollte. »Die Chemie hat von Anfang an gestimmt; wir wussten beide, dass wir gut zusammen arbeiten würden.«Das war im Vorfeld nicht klar gewesen, denn die beiden Physiker waren nur über einen kroatischen Kollegen in Verbindung gekommen– eigentlich nicht die beste Voraussetzung, um grenzübergreifend intensiv zusammenzuarbeiten. Doch hier bewährte sich das Vertrauensverhältnis zum gemeinsamen Bekanntem, dem »dritten Mann«.

Kooperationen sind auch Beziehungsarbeit

Wenn internationale Kooperationen heute als Selbstverständlichkeit betrachtet werden, vergisst man leicht, dass es wie bei allen Beziehungen ist: Beide Seiten müssen es wollen; Zeit und Mühe investieren, damit es funktioniert. Unterstützung für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität bietet das International Office (IO) – zum Beispiel, wenn es darum geht, einer Kooperation den formellen Rahmen zu geben.

Prof. André Fuhrmann setzt in Lateinamerika auf persönliche Kontakte. Foto: Privat

Das kann ein ganz einfaches Memorandum of Understanding sein, bei dem nur der allgemeine Wille zur Kooperation beider Institutionen festgehalten wird. Oder die Hochschulen haben sogar eine strategische Partnerschaft im Blick, bei der sich beide Universitäten sowie ihre Städte auf ein ganzes Paket von Maßnahmen verständigen. Das IO prüft Vertragsmuster, hält – gegebenenfalls gemeinsam mit der Rechtsabteilung – Ausschau nach Stolpersteinen im Papier.

Und die IO-Kolleginnen und -Kollegen beraten bei Bedarf zu Fördermöglichkeiten. Natürlich gibt es die großen bekannten Programme wie die Humboldt- Professuren oder die Angebote von EU, DAAD etc.. Aber auch niederschwelliger lässt sich etwas bewegen. »Manchmal machen tausend Euro den Unterscheid«, sagt Almuth Rhode, Abteilungsleiterin Internationale Partnerschaften und Mobilität im International Office.

»Zum Beispiel, wenn es dann möglich ist, zur anderen Universität hinzureisen und die Kooperation vor Ort wirklich zu besprechen.« Rhode weiß auch: »Die Verschriftlichung allein garantiert keine gelebte Partnerschaft. Sie kann aber Türen öffnen, weil nicht selten das dokumentierte Interesse an einer Zusammenarbeit bei Antragstellungen von Förderungen vorgelegt werden muss.«

Die Rahmenbedingungen richtig einschätzen

Dass die Partner ähnliche Vorstellungen von den Bausteinen ihrer Kooperation haben, ist mitentscheidend für den Erfolg. Wie soll zum Beispiel Studierendenmobilität organisiert werden – sind Semesteraufenthalte sinnvoll, funktionieren Kurzprogramme besser? Ähnliches gilt für die Mobilität von Lehrenden und gemeinsame Forschungsprojekte. Ideal ist es daher, wenn Wissenschaftler schon einmal an der potenziellen Partnerhochschule waren, Land und Leute kennen; wenn sie klare Vorstellungen haben, was erreicht werden kann und was unrealistisch ist.

Ein kleineres Vorprojekt kann zum Beispiel hilfreich sein, wenn eine neue (ERASMUS-) Partnerschaft aufgebaut werden soll. Apropos: »Wenn es um Mobilitätspartnerschaften im großen Stil für Studierende geht, bewähren sich durchaus auch Instrumente wie Multiplikatorenmessen «, erklärt Almuth Rhode. »Wenn es aber um mehr geht – etwa, weil ein gemeinsamer Studiengang aufgebaut werden soll – müssten die jeweiligen Professorinnen und Professoren das Vorhaben als Motor treiben.«

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Prüfsteine beim Aufbau einer internationalen Kooperation:

  • Was wollen die jeweiligen Wissenschaftler bzw. Hochschulen mit der Zusammenarbeit erreichen?
  • Wie gut kennen sich die potentiellen Kooperationspartner?
  • Was muss investiert werden?
  • Welche Form der Zusammenarbeit eignet sich am besten, um das anvisierte Ziel zu erreichen (z.B. Sommerschule, Studierendenmobilität, Doktorandenaustausch, Studiengangsentwicklung, Strukturentwicklung)?

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Unterwegs mit einer Tasche voll Geld

Prof. Marcus Bleicher hat internationale Kooperationen in verschiedensten Ecken der Welt aufgebaut, darunter auf Kuba, dem Westbalkan und in Thailand. Auch wenn die Bedingungen, unter denen Wissenschaftler und Studierende arbeiteten, sich sehr unterschieden – »in Kuba funktioniert oft nicht einmal der Internetzugang « – ändere das nichts daran, dass sich die Partner auf Augenhöhe begegneten.

»In Kuba und auf dem Westbalkan gibt es viele Hochschulen, an denen gute Physik betrieben wird. Weil es an Geld für teure Geräte mangelt, sind diese Universitäten vor allem in der theoretischen Physik leistungsstark. Deren Studierende sind gut ausgebildet, haben aber wenige Möglichkeiten, lokal weiterzukommen. Wir bieten uns dann gerne als Partner an, indem die Absolventen zum Beispiel bei uns promovieren oder als Post-Doc forschen«, stellt Bleicher eine Kooperationsmöglichkeit vor.

Bei Ländern wie Kuba sei es außerdem wichtig, an die dortigen Hochschulen zu kommen, da der normale Austausch ja gar nicht stattfinden könne. Gemeinsam mit US-amerikanischen Partnern wurden zum Beispiel Sommerschulen und Konferenzen in Kuba ausgerichtet, um den grenzüberschreitenden Austausch trotz aller Hindernisse möglich zu machen. Ohnehin, die Sache mit dem Geld: Weil Überweisungen nach Kuba nicht funktionieren, ist Bleicher tatsächlich sogar schon einmal mit der berühmten Tasche voll Geld herübergeflogen, um den Beitrag der Goethe-Universität auszahlen zu können.

Kulturelle Unterschiede ernst nehmen

Almuth Rhode, International Office, berät die Wissenschaftler gerne zu Kooperationsfragen. Foto: Dettmar

Dass nicht nur die Situation im entsprechenden Land, sondern auch der Status des jeweiligen Fachs mit über den richtigen Weg zur Zusammenarbeit entscheidet, daran erinnert Prof. André Fuhrmann vom Institut für Philosophie. Fuhrmann hat unter anderem mit Brasilien verschiedene Kooperationen aufgebaut. Die Kultur ist ihm vertraut, er war vier Jahre Professor in Såo Paulo.

»Gerade bei den Geisteswissenschaften ist die Situation teilweise so prekär, dass eine ›rette sich, wer kann‹-Haltung entsteht. Kooperationen funktionieren dann vor allem über die direkte Verbindung zwischen Kollegen, weniger über das von Rivalitäten geprägte Institut oder die Hochschule.« Fuhrmann rät, auch die Mentalitätsunterschiede zwischen den verschiedenen Kulturen nicht zu unterschätzen.

»In Deutschland kann eine nicht beantwortete Anfrage durchaus als Desinteresse gewertet werden, in Südamerika dagegen ist es wichtig, das tatsächliche Interesse unter Beweis zu stellen. Wer weiterkommen will, muss auch hartnäckig sein und sollte ruhig immer wieder nachfragen, bis eine Antwort kommt.« Persönliche Kontakte seien in Brasilien eine sehr wichtige Basis. Dafür hielten einmal aufgebaute Beziehungen auch dauerhaft.

»Zu förmlichen Abkommen zu kommen ist trotzdem teilweise schwierig wegen der zentralistischen und bürokratischen Strukturen in Südamerika «, berichtet Fuhrmann. »Und es führt zu einer großen Asymmetrie: Während von unserer Seite aus ein großer zeitlicher Vorlauf nötig ist, wird dort vieles erst fünf vor zwölf entschieden, und das gerne verbunden mit harten Fristen für die Projektpartner. «

Dennoch: Wer am Ball bleibe und auf den individuellen Kontakt setze, könne trotz möglicher Hürden gut mit den Kollegen in Lateinamerika kooperieren. Und manchmal wird aus der wissenschaftlichen Zusammenarbeit auch ein Stück Völkerverständigung. So zum Beispiel bei einem Kooperationsprojekt auf dem westlichen Balkan, das von Prof. Marcus Bleicher mit aufgebaut wurde.

Weil es dort gar nicht so viele Physik- und Mathematikstudierende an den einzelnen Universitäten gibt, hat der Fachbereich Physik Hochschulen aus den verschiedenen Teilen (und damit Kulturen) Bosniens sowie aus Serbien zusammengebracht. Was auf der politischen Bühne oft nicht klappt, funktioniert hier, mit Freundlichkeit statt Feindlichkeit. Bleicher lacht: »Es haben sogar schon Paare zusammengefunden.«

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.18 der Mitarbeiterzeitung GoetheSpektrum erschienen.

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