Wie eine Ausstellung entsteht: Unterwegs im Museum Giersch der Goethe-Universität

Museum und Universität wachsen zusammen: Die Kooperation zwischen Dr. Birgit Sander und Prof. Christian Spies hat bestens funktioniert; Foto: Lecher

Eine gute Idee, viel Organisation und Verhandlungsgeschick: So entstehen die Ausstellungen im Museum Giersch der Goethe-Universität. Die Ausstellung „ersehnte freiheit“ war das erste echte Kooperationsprojekt zwischen Museum und Goethe-Universität.

Einerseits war die Ausstellung »ersehnte freiheit. abstraktion in den 1950er jahren« keine große Überraschung: Christian Spies, Professor für Kunstgeschichte an der Goethe-Universität, hat sich damit schon oft und lange beschäftigt. Schließlich forscht und lehrt er seit 2015 an der Goethe-Universität zum Thema »zeitgenössische Kunst« und hat sich – auch zuvor – mit der Kunst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs auseinander gesetzt:

»Ich finde, die 1950er Jahre sind ein schwieriges, aber zugleich ein ganz wichtiges Jahrzehnt in Deutschland. Ganz allgemein stellten sich nämlich die Fragen ›Wie ist nach dem zweiten Weltkrieg ein Neuanfang möglich?‹, und ›Welche Position nimmt die Kunst bei der Suche nach einem Neuanfang ein?‹«, erläutert Spies. Das Thema der Ausstellung lag also gewissermaßen auf der Hand.

Andererseits stellte die Ausstellung »ersehnte freiheit. abstraktion in den 1950er jahren« im Museum Giersch der Goethe-Universität eine Premiere dar: Seit Anfang 2015 das Museum der Goethe-Universität angegliedert wurde und nachdem zunächst Ausstellungspläne verwirklicht wurden, die schon länger bestanden hatten, war »ersehnte freiheit« das erste echte Kooperationsprojekt der beiden Frankfurter Institutionen, gemeinsam betreut durch Spies und die stellvertretende Direktorin und Kuratorin des Museums, Dr. Birgit Sander.

»Das Museum Giersch hat schon immer einen guten Kontakt zur Goethe-Universität gehabt. Zum Beispiel haben wir 2009 einen Teil der historischen Pflanzenbücher der Universitätsbibliothek gezeigt und diese Auswahl zusammen mit der dort zuständigen Kollegin getroffen. Und 2013 waren in einer Ausstellung des Museums Giersch unter anderem Felsbilder aus der Sammlung des Frobenius-Instituts zu sehen, das ja der Goethe-Universität assoziiert ist.

Damals habe ich viel mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter des Frobenius- Instituts zusammengearbeitet«, zählt Sander auf. »Aber das waren eher punktuelle Kontakte, nicht so eine umfassende Kooperation mit einem Partner unseres Fachgebiets.«

Die Basis: Zwei markante Ereignisse, drei Künstlergruppen

Diese umfassende Kooperation begann, gleich nachdem Sander, Spies und der Leiter des Museums Giersch, Dr. Manfred Großkinsky, den Plan gefasst hatten, in einer Ausstellung den künstlerischen Neuanfang der 1950er Jahre vorzustellen: Sie fingen an, sich mit dem Thema zu beschäftigen und es zu strukturieren. Sie entwickelten gemeinsam das Konzept, zwei markante Ereignisse aus den Jahren 1950 und 1959 sowie drei wichtige Künstlergruppen aus Frankfurt, München und Recklinghausen vorzustellen.

Blick fürs Detail: Sander und Spies vor Emil Schumachers Werk »Barein«. Foto: Lecher

Sie wälzten Kataloge, tauschten sich mit anderen Kunsthistorikern aus, durchforsteten das Internet auf der Suche nach geeigneten Exponaten, kontaktierten potentielle Leihgeber, verhandelten über Leih- und Transportbedingungen. Auf den Besitz des Museums Giersch konnten sie dabei nicht zurückgreifen – denn den gibt es nicht; das Museum Giersch besitzt keine eigene Sammlung, ist also strenggenommen ein Ausstellungshaus.

»Ungefähr die Hälfte der Bilder kam aus Museen in ganz Deutschland, darunter aus so namhaften Häusern wie der Staatsgalerie Stuttgart, der Kunsthalle Emden oder der Sammlung Deutsche Bank«, zählt Spies auf. »Zugleich haben viele private Leihgeber sehr großzügig ihre Schätze aus dem Haus gegeben, damit wir sie im Museum Giersch ausstellen konnten.« Sogar die Goethe-Universität selbst war unter den Verleihern: Zu sehen war auch das Bild »Blaue Polyphonie« des Frankfurter Malers Heinz Kreutz (1923 bis 2016), das sich im Besitz der Universitätsbibliothek befindet.

»Das war schon sportlich«

Über die umfassende Kooperation mit einem Hochschullehrer der Goethe-Universität äußert sich Birgit Sander ausgesprochen positiv: »Ich arbeite ja seit dem Jahr 2000 für das Museum Giersch, und für mich war es das erste Mal, dass ich gemeinsam mit einem am Kunsthistorischen Institut lehrenden Professor eine Ausstellung kuratiert habe – diese Zusammenarbeit hat wunderbar geklappt.«

Bei ihrem eigenen kunsthistorischen Hintergrund liege der Schwerpunkt eher auf dem 19. Jahrhundert und der klassischen Moderne. »Aber«, so Sander, »Herr Spies ist in den 1950er Jahren ja bestens eingearbeitet, sodass er viele Ideen für Inhaltliches und für Leihgaben hatte.« Für das ehrgeizige Ziel, innerhalb von gut einem Jahr mit einem zweiköpfigen Kuratoren-Team – unterstützt durch Praktikanten des Kunsthistorischen Instituts und des Studiengangs »Curatorial Studies« – eine ansprechende und informative Ausstellung auf die Beine zu stellen, hat sie allerdings nur einen Kommentar: »Das war schon sportlich.«

Seminarsituation mit Studierenden des Studiengangs »Curatorial Studies« in der Ausstellung. Foto: Lecher

Christian Spies fügt hinzu: »Man wünscht sich eigentlich bei jedem Projekt mehr Zeit und würde gerne noch tiefer in die Materie einsteigen.« Neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit für die Goethe-Universität fungiert er zwar immer wieder als Kurator von Kunstausstellungen. Das Zusammenwirken von Universität und Museum ist für ihn in dieser Form jedoch neu, und auch er hat es als sehr bereichernd erlebt:

»Wenn Sie zum Beispiel den Ausstellungskatalog oder das Begleitprogramm zusammenstellen, das dem Publikum helfen soll, die Ausstellung zeitgeschichtlich einzuordnen, und wenn Sie deswegen Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen von anderen Fachbereichen aufnehmen, dann stoßen Sie auf Verbindungen, an die Sie als Kunsthistoriker zuerst gar nicht gedacht haben.«

Museum und Universität wollen sich enger verzahnen

Genau so erging es Birgit Sander, als sie im Zusammenhang mit der Ausstellung eine Reihe von weiteren Veranstaltungen plante: als sie eine Professorin des musikwissenschaftlichen Instituts bat, über »abstrakte Musik« zu referieren, als sie die Ausführungen eines Politologen ins Begleitprogramm aufnahm, der zu den Wissenschaftlern des Exzellenzclusters »Normative Ordnungen« gehört und über die Politik der Abstraktion vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts in den 1950er Jahren gesprochen hat, und als sie sich an eine Germanistik-Professorin wandte, weil diese Ende Juni einen Überblick über die literarische Szene dieser Zeit geben sollte.

»Das Ziel der Annäherung ist es, dass das Museum Giersch nicht mehr nur formal zur Goethe-Universität gehört, sondern dass beide immer enger miteinander verzahnt werden, bis das Museum sowohl in Frankfurt als auch darüber hinaus als Teil der Universität wahrgenommen und empfunden wird«, fasst Spies zusammen. Diesem Ziel sind Sander und Spies schon mit der ersten gemeinsamen Ausstellung einen großen Schritt nähergekommen.

[Autorin: Stefanie Hense]

 

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.17 der Mitarbeiterzeitung GoetheSpektrum erschienen.

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