Ein europäischer Bürger zwischen Frankfurt am Main und Mailand

Jakob Suter: Blick auf Bellagio, 1863. Aquarell auf Karton; Villa Vigoni, Loveno di Menaggio. Foto: © Archivio Fotografico Villa Vigoni

Ausstellung zu Heinrich Mylius im Museum Giersch der Goethe-Universität

Der Frankfurter Heinrich Mylius erlangte als Kaufmann, Bankier und Mäzen in Mailand Reichtum und Ansehen. Die Ausstellung „Heinrich Mylius (1769 – 1854) – Ein europäischer Bürger zwischen Frankfurt am Main und Mailand“ vom 8. August bis 8. September 2019 im Museum Giersch der Goethe-Universität erzählt anhand von Bildern, Dokumenten und Kunstwerken die Lebens- und Familiengeschichte dieser eindrucksvollen Persönlichkeit und ihres interkulturellen Wirkens.

Kooperationspartner ist die Villa Vigoni, Deutsch-Italienisches Zentrum für Europäische Exzellenz, Loveno di Menaggio am Comer See. Ein ausgeprägtes wirtschaftliches, soziales und kulturelles Engagement kennzeichnet Mylius als aufgeklärten Bürger, dessen vorurteilsfreies Denken und gesellschaftsorientiertes Handeln ihn als Vorbild für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts darstellt. Er pflegte intensive deutsch-italienische Bekanntschaften, besonders in Künstler- und Literatenkreisen – zu den populärsten zählen Goethe und der italienische Schriftsteller Alessandro Manzoni.

Die Exponate der Ausstellung – Gemälde, Bildhauerarbeiten, Aquarelle, Druckgrafiken, Bücher, Dokumente – stammen mehrheitlich aus der Villa Vigoni und werden durch Leihgaben des Historischen Museums Frankfurt, der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, des Instituts für Stadtgeschichte und des Städel Museums bereichert. In der Person des Heinrich Mylius spiegelt sich eine gelungene und vorbildhafte europäische Migrations- und Integrationsgeschichte:

Pelagio Palagi: Heinrich Mylius, 1831. Öl auf Holz; Villa Vigoni, Loveno di Menaggio. Foto: © Archivio Fotografico Villa Vigoni

In seiner neuen Heimat Mailand gelangte Heinrich Mylius wegen seines hervorragend ausgebildeten Netzwerkes, seines erfolgreichen unternehmerischen Geschicks und seines ausgeprägten bürgerschaftlichen Engagements schnell zu hohem Ansehen in der Stadtgesellschaft. Als Präsident der Mailänder Handelskammer und Mitglied des Mailänder Stadtrates übernahm er auch politische Verantwortung.

Neugierde am technischen Fortschritt und Innovationsbegeisterung, verbunden mit einem unerschütterlichen Glauben an die Macht der Bildung, forcierten seinen Einsatz für die Wirtschaftsund Bildungspolitik und beförderten die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Mailand und der Region Lombardei – seine Seidenhaspelanstalt in Boffalora, nördlich von Mailand, diente als Musterbeispiel fortschrittsorientierter Produktion und sozial geprägter Mitarbeiterführung, so dass Interessierte aus ganz Europa vor Ort die Erfindungen und Neustrukturierungen bestaunten.

Eine enorme Wertschätzung erfuhr Mylius durch seine breit aufgestellten mäzenatischen Aktivitäten, die er jedoch nicht auf seine neue Heimatstadt Mailand beschränkte, sondern ebenso seiner alten Vaterstadt Frankfurt am Main zugutekommen ließ:

Er förderte kulturelle, religiöse, karitative und soziale Einrichtungen (Blindenanstalten, Kleinkinderschulen, Wöchnerinnenheim, Versorgungshäuser, Kunst-, Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen), um das Bildungswesen und die Toleranz, den Wohlstand und die Wirtschaftskraft auf ein höheres Niveau zu heben.

Von besonderer und gleichermaßen für Mailand wie Frankfurt am Main von herausragender Bedeutung erwiesen sich seine Tätigkeiten als kultureller Netzwerker. Seine Kontakte zu den wichtigen Vertretern der Weimarer Klassik, insbesondere zu Johann Wolfgang von Goethe, führten zwischen Mailand und Weimar zu einem regen Austausch auf künstlerischem und literarischem Gebiet.

Autor: Manfred Großkinsky, Museumsleiter

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 4.19 des UniReport erschienen.

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