Work in progress: Die Ausstellung »Faszination der Dinge« im Museum Giersch in Vorbereitung

Dr. Charlotte Trümpler, Luisa Borowski und Sebile Yapici (v.l.n.r.); Foto: Frank

Doktoranden eines Graduiertenkollegs an der Goethe-Uni erarbeiten gemeinsam mit angehenden Kommunikationsdesignern der Hochschule Darmstadt eine Ausstellung im Museum Giersch. Forschungsarbeiten aus Ethnologie und Archäologie über fremde Welten und Kulturen sollen anhand von »Dingen« greifbar und verständlich werden.

Ungewöhnlich sei das, sagt Dr. Charlotte Trümpler, über eine Ausstellung vorab zu berichten, die noch gar nicht steht: Die erfahrene Ausstellungsmacherin, die unter anderem die zentrale Jubiläums- Ausstellung der Goethe-Uni 2014 kuratiert hat, ist diesmal in einer etwas anderen Rolle: Die Ausstellung „Faszination der Dinge“ wird von so genannten Tandems, gebildet aus Archäologen und Ethnologen einerseits und Kommunikationsdesignern andererseits, inhaltlich erarbeitet. 14 Promovierende und zwei Postdocs sind im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes aufgefordert, das Thema ihrer Dissertation öffentlichkeitswirksam in einem Raum zu präsentieren, ihnen stehen Studierende der Hochschule für Gestaltung in Darmstadt zur Seite.

Das Museum Giersch der Goethe-Universität ist mit seiner Vielzahl an eher kleinen Räumen ein optimaler Ort, so Trümpler: „Viele Forschungsarbeiten erblicken nie das Licht der Öffentlichkeit“, erklärt sie. Dies sei gerade im Falle der Archäologie und Ethnologie schade, da deren Themen, selbst wenn sie sich auf den ersten Blick mit entlegenen Epochen und Kulturen beschäftige, immer auch zentrale Fragen der heutigen Zeit behandelten: Wie leben Menschen, wie ist ihre Gesellschaft aufgebaut, mit welchen Techniken und nach welchen ästhetischen Leitbildern werden die ‚Dinge‘ ihrer Kultur hergestellt? Dem Vorwurf, dass diese Disziplinen im Elfenbeinturm verharrten, könne eine Ausstellung, die Wissenschaft anschaulich macht, entgegenarbeiten.

Migration eines Reisgerichts

Dass ihr Thema abgehoben oder abstrakt sei, hat Sebile Yapici sicherlich noch nicht gehört. Die Ethnologin und Doktorandin im Graduiertenkolleg „Wert und Äquivalent“ beschäftigt sich seit ihrem Master in Zentralasienstudien mit Kultur und Geschichte Usbekistans. Ihre von Prof. Dr. Marin Trenk betreute Promotion trägt den Titel „Gemeinschaftsbildende und -erhaltende Bedeutung des Essens unter usbekischen Migranten im Einwanderungsland USA“. Sie wirft darin unter anderem die Frage auf, wie ein für die usbekische Kultur zentrales Reisgericht namens osh palov sich unter den Einflüssen von Migration und Globalisierung verändert. „Essen spielt in Usbekistan eine große Rolle, es ist in hohem Maße gemeinschaftsstiftend und auch Ausdruck der Gastfreundschaft“, erläutert Sebile Yapici; dieses traditionelle Reisgericht werde ursprünglich am offenen Feuer gemacht, wichtig dabei seien gute Zutaten.

Auch wenn in Usbekistan nicht alle Usbeken in weiträumigeren Dorfhäusern wohnten, seien die Platzverhältnisse weniger beengt als in New York City, so dass gesellige Essenseinladungen besser möglich seien. Ganz anders bei den Usbeken, die nach New York ausgewandert sind: Hier lebten oft mehrere Familien auf engstem Raum, sodass Feiern nur noch an öffentlichen Orten möglich seien, erzählt Yapici, die schon länger die usbekische Kultur in Asien und in den USA beobachtet. Eine große Hilfe bei der Kontaktaufnahme zu den in den USA lebenden Usbeken war Social Media: „Nachdem ich eine Anfrage auf Facebook gestartet hatte, meldeten sich binnen kürzester Zeit unzählige Nutzer, viele davon luden mich ein, sie einmal zu besuchen“, erzählt sie. Die Lebensverhältnisse mögen sich für im Westen lebende Usbeken geändert haben, dennoch oder gerade deswegen spiele der osh palov immer noch eine große Rolle. „Mich interessiert vor allem, welche Bedeutung die Usbeken ihrem Nationalgericht beimessen, wie sie dieses definieren und auch unter anderen geographischen, ökonomischen und sozialen Verhältnissen als Teil ihrer Kultur begreifen“, betont Yapici.

Das (Nicht-)Greifbare der Esskultur

Verglichen mit Münzen oder Scherben ist die Dinghaftigkeit des osh palovs recht begrenzt, dachte sich Yapici anfangs. Im Zentrum ihrer Forschung steht nun aber nicht das Produkt, sondern die Kochkultur eines Landes, wie lässt sich diese im Rahmen einer Ausstellung zur Faszination der Dinge materialisieren? Mit Luisa Borowski, ihrer Tandempartnerin der Hochschule für Gestaltung, kam der Blick von außen ins Spiel: „Mir hat das Thema von Anfang an sehr gefallen, es war für mich greifbarer als andere Themen aus der Archäologie“, erzählt Luisa Borowski.

Traditionelle usbekische Esszeremonie, Foto Sebile Yapici

Gleichwohl stellte sich die angehende Kommunikationsdesignerin am Anfang die Frage, wie sie in das Thema eintauchen könne. Da hatte ihre Tandempartnerin Yapici eine ebenso naheliegende wie auch umsetzbare Idee: Sie nahm Luisa mit in ein usbekisches Restaurant in Frankfurt. „Die usbekische Esskultur hat viel mit Geruch und Geschmack zu tun, auch mit den unterschiedlichen Kontexten von Tradition und Moderne, Land und Großstadt. Diese müssen in der Ausstellung zum Tragen kommen“, sagt Borowski.

Ein von ihr angefertigtes Modell des Ausstellungsraumes zeigt die Struktur: Im Zentrum der Installation soll ein Tisch mit traditionellem Geschirr stehen; der Raum soll von Kontrasten und Kontinuitäten geprägt sein. Auf der einen Seite Bilder und Karten der Metropole New York, auf der anderen Seite Impressionen der Traditionen in Usbekistan, vermittelt über den landestypischen Ikat-Stoff. Natürlich habe man, so Yapici, auch über die Möglichkeit nachgedacht, den osh palov den Besuchern zu servieren, aber das wäre in einem Museum kaum möglich. Haltbares usbekisches Brot könnte aber einen Eindruck der Küche vermitteln, ebenso Nüsse und Rosinen.

„Ganz sicher werden wir Geruchsproben präsentieren“, sagt Luisa Borowski. Und Charlotte Trümpler ergänzt: „Erinnerungen werden ganz stark über Geruchs- und Geschmackspartikel vermittelt, das ist ein ganz wichtiger Ansatz in den so genannten Food Studies.“ Auch der auditive Kanal soll genutzt werden: Authentische Aufnahmen von Feierlichkeiten in der usbekischen Community vermitteln damit das hohe Maß an Geselligkeit einer ungebrochen lebendigen Esskultur.

Grenzen des Machbaren

Vieles ist in Vorbereitung der Ausstellung im Museum Giersch noch zu tun: Texte müssen geschrieben und redigiert, Fotos und Filme in das entsprechende Format gebracht, die jeweilige Raumausstattung und -technik besprochen werden. „Wie lang wird der Tisch werden?“, fragt Charlotte Trümpler Luisa Borowski. Trümpler ist von der Kreativität und dem Engagement der 16 Tandems begeistert. In ihrer Funktion als Kuratorin müsse sie aber auch darauf achten, dass das Gesamtbudget nicht überschritten werde.

Leihgaben in der Archäologie könnten mitunter sehr teuer sein, verzichten könne man darauf aber nicht. Insgesamt könnten also nicht alle Ideen, so originell sie auch sein mögen, umgesetzt werden. Die Grenzen des Machbaren spiele im musealen Bereich eine große Rolle, somit stelle sich für alle Teilnehmenden des Projekts ein gewisser Lerneffekt ein: pragmatisch mit den Mitteln zu haushalten. Trümpler sieht in der Begrenzung aber auch Vorteile: „Aus meiner Erfahrung als Ausstellungsmacherin kann ich sagen, dass weniger oft mehr ist. Beispielsweise sieht der Besucher in einem Raum mit 50 Vasen gar nichts mehr, hingegen kann die Fokussierung auf eine Vase sehr fruchtbar sein.“

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Faszination der Dinge. Werte weltweit in Archäologie und Ethnologie.
Ausstellung vom 29. November 2018 bis 24. Februar 2019 im Museum Giersch der Goethe-Universität, Schaumainkai 83 (Museumsufer).

Mehr Infos »

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Dieser Artikel ist in der Ausgabe 5.18 des UniReport erschienen. PDF-Download »

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