»Der Natur einfach mal was zurückgeben«

Als Landschaftsarchitekt ist Robert Anton seit elf Jahren für die Pflege der Pflanzen und Tiere auf dem Unigelände zuständig. Ökologische Aspekte wurden in dieser Zeit immer bedeutsamer. Ein Gespräch über Nachhaltigkeit auf dem Campus Westend.

»Zur Nachhaltigkeit gehören auch ganz einfache Dinge wie das Aufhängen von Vogelhäuschen«: Ein Vogelhäuschen in der Baumkrone einer Flügelnuss. Foto: Robert Anton

UniReport: Wer mit Ihnen spricht, bekommt den Eindruck, dass Nachhaltigkeit auch froh machen kann. Sie sprühen nur so vor Ideen …

Robert Anton: Ich habe eben immer schon gern im Garten gearbeitet. Das fing mit fünf Jahren im Garten meiner Eltern an, in der Grundschule habe ich mich auch fürs Gärtnern interessiert, und das geht durch bis heute. Ich glaube, dass Nachhaltigkeit das Wesen eines Gärtners ist. Wobei es diese Wortschöpfung ja damals noch gar nicht gab; heute nervt sie mich sogar schon ein wenig, weil sie ziemlich breitgetreten wird. Als Landschaftsarchitekt sehe ich es aber als meine Aufgabe an, Nachhaltigkeit umzusetzen. Dazu gehören auch ganz einfache Dinge wie das Aufhängen von Vogelhäuschen – auch das ist gelebte Nachhaltigkeit, denn die Vögel fressen Prozessionsspinner und Ungeziefer. Was ich aber sagen muss: Über die Jahre bin ich immer ökologischer denkend geworden.

Das heißt, in der Ausbildung als Landschaftsarchitekt war Naturschutz nicht immer mitgedacht?

Nein, die klassische Gartengestaltung sah früher ganz anders aus. Meistens gab es ordentliche Ziergärten, mit Rasen, mit Hecken, mit Ziergehölzen, auch nach dem Vorbild der Renaissancegärten in Italien. Seit ein paar Jahren gibt es aber einen großen Wandel. Die Landschaftsarchitekten gestalten heute viel mehr naturnahe Gärten, und Biodiversität ist in aller Munde. Ganz langsam kommt der Gedanke der Nachhaltigkeit in die Köpfe. Man versteht, dass nicht alle Wiesen gleich gemäht werden müssen, dass auch was verwildern darf. Es geht darum, der Natur einfach mal was zurückzugeben.

»Als Landschaftsarchitekt sehe ich es als meine Aufgabe an, Nachhaltigkeit umzusetzen«: Robert Anton, technischer Leiter für den Wissenschaftsgarten und die
Außenanlagen der Universität. Foto: Dettmar

Stichwort Klimawandel, abnehmende Biodiversität: Wie nehmen Sie das auf dem Campus wahr? Hat sich Ihre Arbeit im Laufe der Zeit verändert?

Absolut. Wir können heute in Frankfurt Pflanzen auspflanzen, die vor dreißig, vierzig Jahren noch kaputtgegangen wären. Das Klima hat sich wirklich dramatisch verändert. Es ist viel, viel milder geworden. Das sieht man an den Hanfpalmen im Palmengarten – sie werden durch Wind und Tiere weggetragen, samen sich in Frankfurt aus und erfrieren gar nicht mehr.

Bei mir war es vor allem der Wissenschaftsgarten mit seinen vielen Natur und Wiesenflächen, der mich dazu inspiriert hat, noch viel nachhaltiger zu denken. Professor Dierkes hat auf dem Riedberg zum Beispiel einen Schulgarten angelegt, der ein richtiger Naturgarten ist. Seit Beginn dieses Gartens forscht Herr Dierkes zur Artenvielfalt. Auf knapp 2000 Quadratmeter kommen inzwischen 939 Tier- und Pflanzenarten. Viele davon stehen auf der Roten Liste, plötzlich tauchen diese Tiere in dem Habitat auf und fühlen sich wohl. Es ist also wichtig, dass wir nicht etwas gegen die Natur machen, sondern mit ihr wirtschaften. Deshalb ich finde es gut, dass die GemüseheldInnen (https://gemueseheldinnen.de/, die Red.) auf dem Campus einen Fleck bekommen. Und ich finde es gut, dass Leute, die sich mit Permakulturgärten beschäftigen, einen Fleck bekommen. Platz haben wir ja genug.

Profitieren Sie auch von Erkenntnissen der Wissenschaftler?

Der Klimawandel ist ja nicht neu, aber er wird seit 2000 halt prägnant sichtbar. Zum Beispiel in unseren Gewächshäusern: Da ist es im Sommer jetzt teilweise 50 Grad heiß. Wir können durch Gießen gar nicht mehr alle Pflanzen erhalten. Und auch hier auf dem Campus Westend sterben Bäume. Zum Teil nehme ich die toten Bäume weg, zum Teil lasse ich sie liegen, damit sie als Totholz verrotten. Und dann pflanze ich Bäume, die das zukünftige Klima hoffentlich gut aushalten. Die Entwicklung verläuft dabei relativ logisch: Wenn es wärmer wird, bewegen sich die Pflanzen aus dem Süden nach Norden, wenn es kälter wird umgekehrt. Die Vegetation stellt sich von alleine um, aber wir müssen auch nachhelfen.

Die Wissenschaftler können uns Landschaftsgärtnern aber schon helfen und Tipps geben, damit Bäume gepflanzt werden, die unseren genetisch näher sind und damit auch nützlich für die Tierwelt. Der chinesische Götterbaum zum Beispiel wächst hier wunderbar, aber er ist für unsere Tierwelt komplett wertlos. Die mediterranen Eichen sind aber unseren Eichen sehr ähnlich, manche kann man fast gar nicht unterscheiden. Professor Brüggemann denkt über solche Themen schon seit mindestens 25 Jahren nach. Und natürlich halte ich mich auch an die Forschung, die den „Wald der Zukunft“ im Wissenschaftsgarten gestaltet. Hier vor dem PA-Gebäude (Gebäude „Präsidium und Administration“, Red.) habe ich zum Beispiel vier esskastanienblättrige Eichen gepflanzt. Sie halten die Hitze, die nachmittags als Rückstrahlung von dem Gebäude kommt, wunderbar aus.

Sie sind auf dem Campus sehr aktiv in Sachen Dachbegrünung. Bei der Fassadenbegrünung …

… da läuft im Moment gar nichts. Aber die Dächer auf dem Campus Westend haben wir extensiv begrünt und sind dabei, diese extensiven Dachbegrünungen einfach wachsen zu lassen, wie sie wachsen. Wir machen nur die Wege frei, wenn zum Beispiel Bäume in die Abflüsse und die Abdichtungen wachsen. Manches würden wir heute allerdings anders pflanzen – auf dem Gebäudedach der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften gibt es zum Beispiel vor allem Lavendel, heute würden wir da Pflanzen ergänzen …

Und ja, was soll ich zur Fassadenbegrünung sagen? Es gibt Dinge, die werden oft von den ­Architekten nicht gewünscht. Sie wollen ihre Gebäude nicht begrünt haben. Ich kann das verstehen, aber ich würde mir schon wünschen, dass wir in Zukunft auch Gebäude begrünen können, dass die Architekten also ein bisschen umdenken. Pflanzen verhindern zum Beispiel die Aufheizung, bilden Habitate für Vögel und Insekten. Es gibt auch spezielle Glasscheiben, die Einlagerungen haben, die die Vögel sehen können, damit sie nicht wie beim Biologicum am Riedberg an den Scheiben zerschellen. Einfachste Mittel sind auch, bei vorgehängten Fassenden oben einen Spalt einzuplanen; damit könnte man viele Nistgelegenheiten schaffen für Mauerbrüter, also Mauersegler, Schwalben und Fleder­mäuse. Ein anderes Beispiel: Da wo ich die esskastanienblättrigen Eichen gepflanzt habe, saßen vorher Traubenkirschen, die im feuchten Auenwald wachsen …

… den es hier nie gab …

… eben, das hat ein Planungsbüro vorgeschlagen, das sicherlich niemals auf diesem Gelände war. Es ist ein wunderschöner Baum, der aber hier gar nicht wachsen kann. Aber natürlich haben sich auch Vegetationszeiten geändert. Die Gegensätze zwischen Trockenheit und viel Regen werden extremer, das macht den Pflanzen zu schaffen.

Gibt es Projekte, auf die Sie besonders stolz sind?

Ich bin eigentlich auf alle Maßnahmen stolz. Mir macht es besonders viel Spaß, diesen denkmalgeschützten Campus mitgestalten und klimaresilient machen zu können. Denn ich sehe es als meine Aufgabe an, alles, was gerade negativ verläuft, durch neue Baum­pflanzungen auszugleichen, damit der Campus schön grün wird. Damit er viel Grünmasse hat. Das Grün ist ja auch der Schönheit des Campus maßgeblich zuträglich, nicht die Gebäude …

Die Architekten würden jetzt sicher protestieren …

Na ja, ein guter Architekt hat immer einen Landschaftsarchitekten bei der Hand, beide gehören nun einmal zusammen. Das ist der ewige Zwist zwischen Landschaftsarchitekten und Architekten. Den sehen Sie auch an den Innenhöfen: Sie sind mit vielen Schattenpflanzen bepflanzt worden; im Sommer, wenn die Sonne sehr steil steht, verbrennen sie aber. Da müssen eben andere Pflanzen hin.

Schönheit ist für Sie auch ein Kriterium – neben der Nachhaltigkeit?

Absolut. Ich möchte zum Beispiel gern dem Wissenschaftsgarten eine schöne Gestalt geben. Einiges habe ich schon verändert, indem es kleine Mauern gibt, auf die man sich setzen kann. Die Wissenschaftler brauchen das nicht unbedingt, nehmen es aber doch als etwas Schönes sehr wahr. Auch Leute, die keine Ahnung von Gestaltung haben, erkennen Schönes sehr schnell. Dann wird ein Garten als ein Raum wahrgenommen, in dem ich mich wohlfühle. Ein Garten darf nicht aufregend sein, er muss beruhigend sein.

Der Campus Westend ist also für Sie ein großer Garten?

Ein großer Park, eine Parkanlage.

Sie gehen regelmäßig über die Campi und gucken in alle Ecken?

Ich bin jede Woche an jedem Campus. Dann gehe ich mit einem Mitarbeiter über das Gelände und wir überlegen: Welche Probleme gab
es während der Woche, welche Bäume wollen wir pflanzen, wie machen wir das mit der blauflügeligen Ödlandschrecke …?

Das mit der blauflügeligen Ödlandschrecke müssen Sie jetzt erklären …

Es gab einmal die Auflage der Stadt, an Orten, an denen es diese Schrecke gab, ein Habitat einzurichten, wenn dort ein Gebäude gebaut wird. Wir haben solche Habitate und haben dann nach einiger Zeit untersuchen lassen, ob die Ödlandschrecke überhaupt noch im Habitat lebt. Das Ergebnis war: Sie gibt es noch – und zwar reichlich. Und dazu noch andere Schreckarten. Deshalb haben wir an die Habitate nochmal Schotter hingeworfen. Den brauchen Schrecken eben.

Gibt es noch Ideen und Lieblings­projekte, die Sie unbedingt noch verwirklichen wollen?

Ich möchte weiter die Bäume unter Beobachtung haben, damit wir ­einen guten, kräftigen Bestand ­entwickeln. Und ich wünsche mir mehr Wildnis, Bereiche, an denen man nichts mehr machen muss. Zum Beispiel beim Vorgarten vor dem IG-Farben-Haus – mit 30 000 Quadratmetern sind diese Wiesen übrigens der größte Vorgarten Frankfurts. Östlich dieser Wiesen steht ein Eibenwald mit fast hundertjährigen Eiben. Weil es in unseren Wäldern kaum noch Eiben gibt – sie wurden alle abgeholzt –, haben wir auf dem Campus eine der größten zusammenhängenden Eibenkolonien weit und breit. Wenn man dort reingeht, ist es dunkel und kühl – eine tolle Anmutung.

Die Uni ist ja keine Insel – stehen Sie mit der Stadt im Austausch? Greifen Sie untereinander Initiativen auf?

Ja, ich stehe mit der Stadt immer in Verbindung, auch mit denjenigen, die mit Bäumen zu tun haben. Ich muss ja auch die Fällanträge bei der Stadt stellen. Und jeder Baum, der gefällt wird, muss auch ersetzt werden, lautet eine Vorgabe der Stadt. Ich ersetze aber immer doppelt so viele Bäume. In den letzten Jahren habe ich etwa 120 Bäume vor allem auf dem Campus Westend und dem Campus Riedberg gepflanzt.

Doppelt ersetzen heißt – dieses kleine persönliche Plus für die Umwelt kommt von Ihnen?

Ja. Man lässt mir hier Spielraum. Das ist schön. Wir wollen jetzt zum Beispiel auf dem Campus Westend auch eine Klotzbeute aufhängen, die mein verstorbener Kollege Peter Paul noch hergestellt hat. Das ist ein ausgehöhlter Stamm, in dem Wildbienen nisten können. Irgendwann werden wir ihn in einen Baum hängen. Außerdem haben wir auch einen Tiny ­Forest vor. Beim Gebäude der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften kann ich mir zum Beispiel vorstellen, etwas wildern zu lassen. Da gibt es ja sehr viele Wiesenflächen, die nur zweimal im Jahr gemäht werden. Das sind sogenannte Glatt­haferwiesen. Auch in der Umgebung des Adorno­Kubus will ich bald nicht mehr mähen und die Blätter liegen lassen, damit sich eine Art Waldvegetation entwickelt. So eine Entscheidung stimme ich nicht großartig ab. Das Vertrauen ist ja da. Außerdem ist eine Waldvegetation eher billiger als andere Maßnahmen.

Die Akzeptanz für solche verwilderten Wiesen ist inzwischen da?

Es gibt natürlich auch Leute, die eine artenreiche Wiese als unordentlich empfinden. Auch deswegen rufen mich ständig Leute an und äußern Lob, aber auch kritische Gedanken. Studenten, die zum Beispiel fragen, warum im Sommer der Rasen verbrennt. Dann erkläre ich denen, dass ich zwei Millionen Liter Wasser pro Woche auf die Flächen geben müsste, damit der Rasen grün bliebe. Und dann gibt es natürlich die Anrufer, die wegen der Nachhaltigkeit hinter mir her sind. Ich kann mir übrigens auch den Campusplatz vor dem Hörsaalgebäude auf dem Campus Westend grün vorstellen …

Wie könnte das aussehen?

Da könnten drei schöne, großwerdende Bäume stehen. Mit Bäumen hätte der Platz vor dem Hörsaalgebäude meiner Meinung nach eine ganz andere Qualität – er wäre wie ein schön eingerichteter Raum. Ich stelle mir also vor, da Bäume und unter die Bäume Waldgräser zu pflanzen und dann Sitzbänke dazuzustellen. Dann könnte der Wind durch die Bäume gehen, was noch ein schönes Geräusch gäbe. Für den Platz fände ich das absolut positiv. Deshalb werde ich diese Idee nie ad acta legen.

Fragen: Lilly Gothe, Katharina Forster (Büro für Nachhaltigkeit) und Pia Barth (Büro für PR & Kommunikation)

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