Analysen und Einschätzungen nach der Präsidentschaftswahl in den USA

Das amerikanische Volk hat gewählt, Donald Trump hat eine deutliche Mehrheit der Stimmen erzielen können. Die Republikaner werden zudem über eine Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat verfügen. Was bedeutet das Wahlergebnis nun für die globalen Machtverhältnisse? Expert*innen der Goethe-Universität aus der Amerikanistik, der Politikwissenschaft, der Wirtschaftswissenschaft, der Geschichtswissenschaft sowie der Rechtswissenschaft geben eine kurze und prägnante Einschätzung.

Prof. Andreas Nölke, Professor für Internationale Beziehungen und Internationale Politische Ökonomie

Andreas Nölke
Foto: privat

Die Wahl von US-Präsident Trump wird aus der Sicht der Politischen Ökonomie eine Reihe von Entwicklungen verstärken, die sich in den letzten Jahren bereits angedeutet haben. Aus der Perspektive der Vergleichenden Politischen Ökonomie werden sich die Entwicklungsmöglichkeiten für exportorientierte Wachstumsmodelle durch die von Präsident Trump geplanten Zölle weiter verringern. Keine große Ökonomie ist so exportorientiert wie Deutschland. Sollten wir nicht die Binnennachfrage stimulieren – beispielsweise durch eine deutliche Ausweitung der privaten und öffentlichen Investitionen –, dürfte sich die wirtschaftliche Misere in Deutschland noch vertiefen.

Die Internationale Politische Ökonomie interessiert sich vor allem für die Strukturen der globalen Ökonomie. Bei diesen Strukturen dominiert heute eine fundamentale Interdependenz zwischen der US-Ökonomie mit ihrem erheblichen Handelsbilanzdefizit auf der einen Seite und einer Reihe von Ökonomien mit entsprechenden Exportüberschüssen auf der anderen. Das US-Handelsbilanzdefizit ist in diesem Ausmaß nur möglich wegen der Attraktivität des US-Dollars als Anlagewährung. Die von Präsident Trump geplante Ausweitung der bereits enormen US-Staatsverschuldung und seine Angriffe auf die Fed könnten langfristig dazu beitragen, dass das globale Vertrauen in den Dollar – und damit die aktuelle Struktur der Weltwirtschaft – erschüttert wird, zumal die Rolle des Dollars als globale Handelswährung – unter anderem wegen US-Finanzsanktionen – bereits langsam erodiert.

Die Historische Politische Ökonomie schließlich interessiert sich für lange Wellen des ökonomischen Denkens und der entsprechenden institutionellen Praxis. Hier wird die von Präsident Trump angeführte Administration zu einem Trend beitragen, der bereits seit einiger Zeit die seit den 1980er Jahren entstandene Dominanz postnationaler liberaler Wirtschaftsinstitutionen reduziert und sie mittelfristig durch eine Ära ablösen könnte, bei der es wieder viel stärker um die Sicherung nationaler Souveränität geht.

Prof. Werner Plumpe, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Professor Werner Plumpe
Foto: Uwe Dettmar

Wenn erst die Wahlkampfnebel sich verzogen haben, die derzeit unsere Wahrnehmung der Situation in den USA und namentlich die des politischen Konzepts von Donald Trump haben verschwimmen lassen, wird sich herausstellen, dass Trump in einer bestimmten Tradition der amerikanischen Politik steht, einer Tradition, die vor allem am Blühen der eigenen Wirtschaft interessiert ist und die internationalen Beziehungen in diesem Rahmen nüchtern und instrumentell sieht. Trumps unbedingte Förderung des Standorts USA wird seine Partner und Konkurrenten zwingen, über die eigenen Standortqualitäten nachzudenken, denn einen Kampf mit den USA können sie, zumindest die Europäer, wirtschaftlich nicht bestehen.

US-Zölle, die das Ziel haben, europäische Unternehmen zur Verlagerung ihrer Produktion in die USA zu veranlassen, lassen sich nicht durch irgendwelche Gegenzölle außer Kraft setzen, denn letztlich ist Europa stärker wirtschaftlich auf die USA verwiesen als umgekehrt. Trumps Förderung des dortigen Standortes, ganz abgesehen einmal von der Tatsache, ob diese Förderung angesichts der notorischen Schwäche des US-Bildungssystems überhaupt erfolgreich sein wird, zwingt die europäischen Staaten nicht nur, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen und Amerika insofern zu entlasten, sondern auch ihre eigenen Standortbedingungen zu überdenken und endlich eine Antwort auf die Frage zu geben, ob sie sich ihre teuren Sozialsysteme angesichts schwächelnder Produktivität und geringer technologischer Innovationskraft auf Dauer noch leisten können. Denn neben der überaus kostspieligen Energiepolitik sind es die hohen Abgaben, die die europäischen Staaten zur Sicherung ihrer Sozialtransfers benötigen, die den Standort belasten. Solange man technologisch führend war, konnte man sich diese Ausgaben leisten, da für „Made in Germany“ Preise gezahlt wurden, die das ermöglichten. Doch ist das ebenso vorbei, wie die Standortkonkurrenz zwischen den USA, China und Europa zunimmt. Trump wird von dieser Standortkonkurrenz nicht nur den Schleier der vermeintlichen „westlichen“ Solidarität wegreißen; er wird alle Staaten zwingen, sich selbst nüchtern zu betrachten und auf das zu konzentrieren, was wirklich zählt.

Das Festhalten an Parolen wird jedenfalls kaum weiterhelfen, zumal Trump nicht jener antidemokratische Moloch ist, als den man ihn in Europa dargestellt hat. Daran wird ihn schon die heterogene politische Welt des amerikanischen Föderalismus hindern, sollte er es überhaupt beabsichtigen. Nein, es wird, um einen Begriff des 19. Jahrhunderts zu verwenden, eine Rückkehr zur „Realpolitik“ geben müssen.

Prof. Ute Sacksofsky, Professorin für Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung

Professorin Ute Sacksofsky
Foto: Lecher

Ein amerikanischer Freund mailte mir unmittelbar nach der Wahl: „Nun warten wir nur noch auf den Reichstagsbrand …“ Das Erschreckende ist jedoch: Für vieles, was Trump sich vorstellt, braucht er nicht einmal ein Ermächtigungsgesetz. Mit Mehrheiten in Repräsentantenhaus und Senat steht Trump eine ungeheure Machtfülle zu. Dass ihm die erforderlichen Mehrheiten für Verfassungsänderungen fehlen, beruhigt kaum. Bekanntlich schert sich Trump nicht um rechtliche Bindungen: Trump stilisiert sich als starker Mann, will „Diktator“ (wenn auch nur für einen Tag) sein. Er verspricht alles endgültig zu „regeln“, sodass er eine Gruppe von Christen im Wahlkampf beschwor, diesmal wählen zu gehen: in vier Jahren sei dies nicht mehr notwendig. Selbst wenn man viele der Aussagen als Großsprecherei abtut, kann demokratiefeindlichen Tendenzen nur durch effektive Kontrollmechanismen begegnet werden. Hierzu wäre insbesondere die Justiz berufen.

Doch hier zeigen sich die Fortwirkungen der ersten Trump-Präsidentschaft. Der US-Supreme Court, das älteste Verfassungsgericht der Welt, ist durch Trump mit extrem konservativen Richterinnen besetzt worden. Die Entscheidungen der letzten Jahre zeigen, wie sehr der Supreme Court Trumps Agenda stützt. Offensichtlich hat der Supreme Court mit der Aufhebung der früheren, liberalen Schwangerschaftsabbruch-Entscheidung den Abtreibungsgegnern einen wichtigen Dienst erwiesen. Doch nicht nur Frauenrechte sind betroffen: So stärkte der Supreme Court etwa auch das Recht, Waffen zu tragen, schränkte die Möglichkeit für Umweltschutzmaßnahmen ein oder vergrößerte die Rolle der (christlichen) Religion in staatlichen Institutionen. Vor allem aber sprach der Gerichtshof dem Präsidenten Immunität für alle (weit verstandenen) Amtshandlungen zu. Trump bekommt also schon keine materiellen Grenzen für seine Maßnahmen gesetzt, er muss auch persönlich keine Folgen bei Grenzüberschreitungen fürchten. Äußerst besorgniserregend für Trumps politische Gegnerinnen – McCarthy lässt grüßen – und für Migrant*innen, die er gewaltsam, mithilfe des Militärs abschieben lassen will. Auch der Kampf gegen Rassismus und die patriarchale Geschlechterordnung – man muss sich nur den Habitus der Männer um Trump ansehen – wird erhebliche Rückschritte erfahren. Keine guten Nachrichten, auch wenn ein Brand des Kapitols ausbleibt.

Prof. Johannes Völz, Professor für Amerikanistik

Professor Johannes Völz
Foto: Dirk Frank

Nach der Wahlniederlage gegen Donald Trump sind die US-Demokraten uneins darüber, was eigentlich geschehen ist. Erklärungsansätze gibt es viele. Eine mittlerweile weit geteilte These besagt: Kamala Harris besetzte die falschen Themen. Anstatt die ökonomischen Nöte der Menschen, insbesondere der Geringverdiener, in den Vordergrund zu stellen, konzentrierte sie sich auf die Rettung von Demokratie und Abtreibungsrecht. Der Senator Bernie Sanders stellte dem Wahlkampfteam Kamala Harris‘ und der Demokratischen Partei nach der Niederlage ein vernichtendes Urteil aus: „Es sollte nicht überraschen, dass eine Demokratische Partei, die die Menschen aus der Arbeiterschicht im Stich gelassen hat, nun feststellen muss, dass die Arbeiterschicht sie im Stich gelassen hat.“ Mit anderen Worten: Die Demokraten sollten sich wieder darauf besinnen, Politik für die kleinen Leute zu machen. Allein: Eine Partei der kleinen Leute sind die Demokraten längst nicht mehr. Das Wahlergebnis mag in seiner Deutlichkeit überrascht haben, doch es bestätigt eine Tendenz, die sich seit zwei Jahrzehnten abzeichnet. Die Demokraten sind mehr und mehr zu einer Partei der urbanen Eliten geworden, Trump dagegen ist der Kandidat der Menschen ohne College- oder High-School-Abschluss. Aussagekräftig wird der Befund der Bildungsschere allerdings erst, wenn man ihn soziologisch entschlüsselt.

Allzu oft wird Bildung unmittelbar in die Kategorie der sozialen Klasse übersetzt, als Indikator für arm und reich. Doch zum politisch wirksamen Faktor der US-Politik sind die Bildungsunterschiede geworden, weil sie eine Hierarchie des gesellschaftlichen Status begründen. Wir beobachten eine Form der Polarisierung, die sich in die Sozialstruktur der USA eingegraben hat und die nicht allein durch Parteitagsbeschlüsse oder neue Programme der Sozialgesetzgebung rückgängig gemacht werden kann. Die Demokraten haben ein Habitus-Problem. Auf den Punkt gebracht hat es einst Michelle Obama: „When they go low, we go high.“ Solange diese Haltung währt, wird der Populismus weiter blühen.

Prof. Volker Wieland, Professor für VWL, insb. Monetäre Ökonomie

Professor Volker Wieland
Foto: Bernd Lammel

Donald Trump hat die US-Präsidentschaftswahl in einem Erdrutschsieg gewonnen. Im Senat haben die Republikaner die Mehrheit der Sitze erreicht und im Repräsentantenhaus behalten. Klarer geht es eigentlich nicht. Das ist Demokratie, auch wenn uns das Ergebnis als solches nicht gefallen mag. In den USA funktioniert diese Demokratie seit mehr als 200 Jahren mit den spezifischen checks and balances des dortigen präsidentiellen Systems. Gerade sehen wir dies wieder daran, dass Trump eben nicht jedes Ministeramt so besetzen kann, wie er es will. Die Nominierten müssen vom US-Senat bestätigt werden und die republikanischen Senatsmitglieder sind kein folgsames Fußvolk, das jeden Kandidaten abnickt.

Trump wird in den nächsten Jahren sicherlich viele seiner Vorhaben zu einem guten Teil durchsetzen können. Aber es mutet doch etwas seltsam an, wenn deutsche Medien sich bemüßigen, das bevorstehende Ende der amerikanischen Demokratie zu verkünden. So lange ist es nicht her, dass die Amerikaner erst einen Weltkrieg gewinnen mussten, um Deutschland die Demokratie aufzuzwingen. Fragt man nach den Gründen für das Trump-Votum, werden zwar viele genannt, aber als wichtigster Grund kristallisiert sich die Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Entwicklung während der Biden-Harris-Regierung und insbesondere mit der hohen Inflation heraus. Es hat Kamala Harris nicht geholfen, dass die Inflation inzwischen wieder gesunken ist. Es hat sie auch nicht gerettet, dass der Kaufkraftverlust durch die Inflation inzwischen mehr als ausgeglichen wurde und das durchschnittliche verfügbare Einkommen ebenso wie der Median des Stundenlohns real gestiegen sind. Die Inflation ist verhasst und die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler haben sich gegen die Wirtschaftspolitik von Biden und Harris entschieden.

Die neuere Forschung zu den Ursachen des Inflationsschubs im Jahr 2021 kommt zu dem Schluss, dass die äußerst expansive Fiskalpolitik der Biden-Harris-Regierung entscheidend dazu beigetragen hat. Trump hatte bereits in der Pandemie mit dem CARES Act 2020 hohe direkte Zahlungen an die Bürger veranlasst. Mit dem American Rescue Act, dem Build Back Better Act und dem Inflation Reduction Act wollte Biden ihn gleich mehrfach übertrumpfen. Infolgedessen stieg die Inflation bereits 2021 stark an. Die US-Fed hat lange nicht darauf reagiert und beließ die Notenbankzinsen bis zum Frühling 2022 auf niedrigstem Niveau. Dann kam der Energiepreisschock infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine als Brandbeschleuniger hinzu. Aber die Biden-Harris-Regierung hatte die Grundlage für ihre eigene Wahlniederlage bereits selbst gelegt. Für die nächste deutsche Regierung sollte dies Ansporn sein, die Schuldenregeln einzuhalten, angebotsorientierte Strukturreformen auf den Weg zu bringen, Auswüchse des Sozialstaats zu beschneiden und die exzessive Regulierung und Bürokratie abzubauen, um wieder zu substanziellem und dauerhaftem Wirtschaftswachstum zurückzukehren. Nur so wird es ihr gelingen können, eine Position der Stärke zu entwickeln, die es möglich macht, Trump auf Augenhöhe zu begegnen und die Herausforderungen in der Verteidigung, dem Infrastrukturausbau und der Dekarbonisierung erfolgreich zu bewältigen.

Prof. Simon Wendt, Professor für Amerikanistik

Professor Simon Wendt
Foto: privat

Aus historischer Perspektive betrachtet, kommt der Wahlerfolg von Donald Trump in der Wahl von 2024 nicht überraschend. Die Republikanische Partei findet vor dem Hintergrund einer konservativen Gegenbewegung nach den Erfolgen der sozialen Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre seit vielen Jahren Gehör bei Wählerinnen und Wählern. Das Schüren von Ängsten vor Kriminalität und Einwanderung, gepaart mit einer Wirtschaftspolitik, die auf niedrige Steuern und Deregulierung setzt, hat Präsidentschaftskandidaten wie Richard Nixon und Ronald Reagan in der Vergangenheit große Wahlerfolge beschert. Die destabilisierenden Folgen des Endes des Kalten Krieges und die von vielen Menschen als negativ empfundenen Auswirkungen der Globalisierung geben ebenfalls einer konservativen Denkweise Vorschub, die Donald Trumps „America First“-Botschaft auf fruchtbaren Boden fallen lässt. Angesichts solcher konservativer Kontinuitätslinien können die Präsidentschaften von Bill Clinton (1992–1998), Barack Obama (2008–2016) und Joe Biden (2020–2024) als Ausnahmen verstanden werden, die nur durch eine konservativere Politik (Clinton) oder unpopuläre Entscheidungen des Vorgängers (Obama und Biden) möglich waren.

Während viele Amerikanerinnen und Amerikaner eine liberale Politik unterstützen, die u. a. Anti-Rassismus, Geschlechtergerechtigkeit und die Chancen von Einwanderung betont, beweist die Wahl von 2024 wieder einmal, dass eine knappe Mehrheit der Bevölkerung derartige Ideen ablehnt bzw. im Vergleich mit ihrer eigenen finanziellen Situation als weniger wichtig ansieht. In diesem Zusammenhang verliert die Demokratische Partei bereits seit den 1960er Jahren immer mehr Wähler, die der Arbeiterklasse zuzuordnen sind. Donald Trumps Wahlsieg stellt den Höhepunkt dieses Wählerschwunds dar und sollte die Demokraten nachdenklich stimmen. Wenn diese Wählergruppe dauerhaft im Republikanischen Lager bleibt, wird es in der Zukunft für die Demokratische Partei schwer werden, wieder ins Weiße Haus einzuziehen.

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