Drei Fragen an…Dr. Heinz Bingemer, Meterologe

Heinz Bingemer. Foto: privat
Heinz Bingemer. Foto: privat

Dr. Heinz Bingemer, 63 Jahre, Meteorologe und seit 1990 am Institut für Atmosphäre und Umwelt an der Frankfurter Goethe-Universität beschäftigt. Seit 2004 forscht er zu Eiskeimen und Eisbildung in Wolken und ist als Wissenschaftler am INUIT-Projekt beteiligt.

INUIT ist den Eiskeimen in Wolken auf der Spur. Ist das Verständnis der Wolkenphysik und der Aerosole der Schlüssel zur Klimaforschung?

Die Kausalität, der Zusammenhang von Wolken und Niederschlag, ist der wissenschaftliche Rahmen des Projektes. Für die Bildung von Eiskeimen, Wassertröpfchen, das Erscheinungsbild oder die Strahlungseigenschaften von Wolken in der Atmosphäre, muss man die Mikrophysik in Wolken und die Wechselwirkungen kennen und verstehen. Die Anwendung dieses Wissens ist wichtig für die Wettervorhersage. Auch in der Klimaforschung sowie für Klimamodelle spielen Wolken eine ganz entscheidende Rolle.

Ohne Staubpartikel – Aerosole – in der Luft gibt es in unseren Breiten keine Wolkenbildung und keinen Niederschlag. Für die Kondensation von Wassertropfen braucht man diese Staubpartikel. Es handelt sich um Schwebstaub in der Luft, der durch Pflanzenabrieb entstehen kann, Bakterien, Luftverunreinigung, Wüstenstaub, Vulkanausbrüche oder Verbrennungsprodukte. Eine spezielle Art der Aerosole sind die Eiskeime, die in einer Wolke, wenn sie kalt genug ist, die Gefrierphase auslösen können und damit den Niederschlag. Die detaillierte Kenntnis und das Wissen um diese Eiskeime soll helfen, Wolken zu modellieren und Niederschläge simulieren zu können.

Diese Eiskeime sind noch wenig erforscht?

Ja, aber es ist ein weltweites Forschungsgebiet. Auch die EU und die Amerikaner fördern entsprechende Projekte. Bisher wissen wir noch nicht genau, wann welche Staubpartikel Eiskristalle bilden. Wir versuchen das beispielsweise zu ergründen, indem wir Staubproben aus der Luft nehmen, diese im Labor in eine kalte Wolke setzen und schauen, wie viele Eiskristalle wachsen konnten. Im Labor kann man gezielt diese Bedingungen schaffen und Aerosole zu Eiskristallen „entwickeln“. In der Natur ist das natürlich anders, da gibt es viele Unbekannte, daher ist für uns die Feldforschung ebenfalls sehr wichtig. Da misst man die Realität. Bedeutsam ist unter anderem die Frage, in wie weit Eiskeime auch menschengemacht sind, also menschliches Handeln sich auf die Bildung von Wolken und Eiskeimen auswirkt. Beispielsweise gelangt durch die fortschreitende Wüstenbildung mehr Staub in die Atmosphäre. Es gibt weltweit auch immer wieder Versuche, mit dem Beschuss von Silberjodid-Partikeln in die Atmosphäre den Niederschlag zu beeinflussen. Doch ob diese Wettermacher-Aktionen wirklich funktionieren, ist bisher nicht bewiesen.

Die Komplexität des Forschungsthemas spiegelt sich auch in den zahlreichen Teilprojekten wider, in die INUIT unterteilt ist?

Ja, wir haben neun Teilprojekte mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die Forschung geschieht in drei Phasen – anhand von Laborversuchen, Feldforschung und zum Schluss Computermodellierung. Die Arbeiten sind stark miteinander verzahnt. Das Karlsruher Institut hat eine große Aerosolkammer, um künstliche Wolken zu erzeugen, das Troposphären Institut Leipzig einen Strömungs- oder Wolkenkanal. Dort laufen beispielsweise die Laborexperimente aller INUIT-Teilgruppen. Die Forscher in Frankfurt haben einen Eiskeimzähler entwickelt, die beteiligten Wissenschaftler der TU Darmstadt und der Goethe-Uni nehmen sich der Untersuchung der chemischen Zusammensetzung der individuellen Eisnuklei an, die Mainzer untersuchen die biologischen Partikel, in Karlsruhe und Mainz laufen zwei Modellierungsprojekte, in die auch Daten aus Darmstadt einfließen. Das Fachwissen soll sich im Idealfall ergänzen und zu einem Ergebnis zusammenwachsen. Das macht das INUIT-Projekt stark.

Das Interview führte Astrid Ludwig

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