Forschungsdatenzentrum im House of Finance

Das neu eingerichtete Forschungsdatenzentrum im House of Finance erleichtert empirisch forschenden Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlern die Arbeit mit großen aktuellen Datensätzen erheblich: Sie können jetzt direkt an der Goethe-Universität auf Daten des Statistischen Bundesamtes und der Statistischen Ämter der Länder zugreifen. Das Datenzentrum hat im November 2014 eröffnet und wird in Kooperation mit dem LOEWE-Zentrum »Sustainable Architecture for Finance in Europe« (SAFE) betrieben.

Das Datenangebot an der Goethe-Universität umfasst über 100 Statistiken aus den Bereichen Wirtschaft, Bevölkerung, Gesundheit und Soziales, Finanzen und Steuern, Bildung, Recht und Wahlen sowie Landwirtschaft, Umwelt und Energie. Es stehen Daten aus allen 16 Bundesländern und aus mehreren Erhebungszeiträumen zur Verfügung. Die Aufgabe des Forschungsdatenzentrums ist es, Wissenschaftlern einen besser Zugriff auf das umfangreiche Datenangebot der amtlichen Statistik zu ermöglichen – dazu gehören sowohl Mikrodaten des Statistischen Bundesamtes als auch der Statistischen Ämter der Länder.

Diese Kooperation zwischen den Ämtern im House of Finance ist bundesweit einzigartig. An den beiden neu eingerichteten Arbeitsplätzen im House of Finance können Forscher und Studierende von Hochschulen sowie von unabhängigen wissenschaftlichen Einrichtungen Einzeldaten selbstständig nach ihrer jeweiligen Fragestellung auswerten. Die bereitgestellten Daten sind faktisch anonym. Das heißt, es wäre nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich, sie den jeweilig Befragten oder Betroffenen zuzuordnen.

Die abgesicherten PC-Arbeitsplätze im House of Finance werden von Mitarbeitern der Ämter vor Ort betreut. Ein Zugang zu den Daten muss vorher beantragt werden, die staatlichen Stellen erheben für die Nutzung der Daten bei den Wissenschaftlern Gebühren: 250 Euro pro Datensatz, Nutzungsweg und Erhebungsjahr, für Studierende, die an ihrer Abschlussarbeit schreiben, und Promovenden 25 Euro beziehungsweise 50 Euro. Jan Pieter Krahnen, Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Goethe- Universität und Direktor des LOEWE-Zentrums SAFE weist darauf hin, dass empirische Studien, die auf verlässlichen und umfassenden Datensätzen beruhen, gerade in den Wirtschaftswissenschaften zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Der Zugang zu deutschen und europäischen Datensätzen sei für Wissenschaftler von entscheidender Bedeutung, um politische Maßnahmen bewerten und darauf aufbauend Empfehlungen für die Zukunft geben zu können. In der Finanzforschung würden viele Wissenschaftler derzeit noch häufig auf Datensätze aus den USA zurückgreifen, da für Europa kaum gesamteuropäische Datensätze zur Verfügung stünden. Politische Empfehlungen, die dann aus diesen Analysen abgeleitet werden, ließen sich aber aufgrund von rechtlichen und institutionellen Unterschieden nur bedingt auf Europa übertragen, so Krahnen.

Im Bereich der Datenverfügbarkeit bestehe somit hierzulande noch Aufholbedarf. Das Forschungsdatenzentrum im House of Finance sei daher ein wichtiger Schritt, um diesen Missstand zu beheben. Nicola Fuchs-Schündeln, Professorin für Makroökonomie und Entwicklung an der Goethe-Universität, nutzt den Datenzugang aktuell für zwei Forschungsprojekte. So führt sie Analysen mit Daten des Mikrozensus – eine repräsentative Haushaltsbefragung der amtlichen Statistik in Deutschland – durch.

Zum einen untersucht sie, ob eine Schulbildung in der DDR heute noch Auswirkungen auf den Erfolg am Arbeitsmarkt hat und zum anderen, ob die Schließung von Kindertagesstätten in Ostdeutschland nach der Wende das Arbeitsmarktverhalten von Frauen beeinflusst hat. Sie dürfe mit den sensiblen Daten des Mikrozensus nur in einem Forschungsdatenzentrum arbeiten und sie nicht auf den eigenen Computer überspielen, erklärt Fuchs-Schündeln.

Das Zentrum im House of Finance biete ihr nun die Möglichkeit, mithilfe der sehr kompetenten und hilfsbereiten Mitarbeiter vor Ort auch spontan kleinere Analysen durchzuführen, ohne eine weite Anreise in Kauf nehmen zu müssen. Auch im Bereich der quantitativen empirischen Sozialforschung finden amtliche Daten verstärkt Verwendung, etwa wenn der Strukturwandel der Arbeitsmärkte erfasst werden soll oder wenn es darum geht, wie Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen sind [siehe auch »Empirische Sozialforschung im Aufwind «, Seite 50].

In einem Projekt beispielsweise nutzt Markus Gangl, Professor für Soziologie mit Schwerpunkt Sozialstruktur und Sozialpolitik, gemeinsam mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Fabian Ochsenfeld Daten des Mikrozensus, um das Einkommen zu ermitteln, das Hochschulabsolventen erwartet – aufgeschlüsselt nach Fachrichtungen. Mit den Ergebnissen soll anschließend überprüft werden, inwiefern sich geschlechtsspezifische Studienfachwahlen dadurch erklären lassen, dass Männer stärker als Frauen zu einer einkommensbezogenen Studienentscheidung neigen.

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Ina Christ

Die Autorin: Ina Christ, 27, hat Volkswirschaftslehre in Mannheim studiert, nach dem Master-Abschluss absolvierte sie ein Volontariat im House of Finance, seit 2014 ist sie Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Forschungszentrum SAFE und am Center for Financial Studies.

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