Gewalt- und Friedenspotenzial der Weltreligionen

Neuer LOEWE-Schwerpunkt „Religiöse Positionierung“ an der Goethe-Universität untersucht Verhältnis von Judentum, Christentum und Islam zu religiöser Vielfalt und Differenz in historischer und empirischer Perspektive.

Im Rahmen der 9. LOEWE-Förderstaffel des Landes Hessen erhält die Goethe-Universität einen neuen Forschungsschwerpunkt: „Religiöse Positionierung: Modalitäten und Konstellationen in jüdischen, christlichen und islamischen Kontexten (RelPos)“. Das Projekt wird vom Land Hessen mit einer Summe von knapp 4,5 Millionen Euro gefördert, die Förderzeitraum reicht von 2017 bis 2020. Federführende Institution ist die Goethe-Universität, Wissenschaftlicher Koordinator Prof. Christian Wiese (Fachbereich Evangelische Theologie). An der kooperierenden Justus-Liebig-Universität Gießen ist Prof. Roderich Barth Wieses Stellvertreter.

Zum Hintergrund: Gegenwärtig wird angesichts einer Vielzahl gewaltförmiger Konflikte, in denen Religion zum Tragen kommt, über die ebenso sinnstiftende wie auch zerstörerische Rolle von Religion und Religionen kontrovers debattiert. Besonders monotheistischen Religionen wird dabei unterstellt, sie ständen aufgrund ihrer zum Teil exklusiven Geltungsansprüche dem Pluralismus feindlich gegenüber und hätten eine Tendenz zu fundamentalistischen Positionen oder zur Gewalt. Andere Interpretationen hingegen sehen in ihnen ein Potenzial, Konflikten, Kriegen und Terror entgegenzuwirken. „Die aktuellen Debatten über die gesellschaftlichen und kulturellen Folgen der zahlenmäßig beispiellosen Zuwanderung von Geflüchteten zeigen, dass sich Einwanderungsgesellschaften künftig auf ein weit höheres Maß an religiös-kultureller Pluralisierung und dadurch ausgelösten Ängsten und Konflikten einstellen müssen“, betont Prof. Christian Wiese.

Der neue LOEWE-Schwerpunkt wird vor diesem Hintergrund die Funktion religiöser Positionierungen in historischen wie auch gegenwärtigen jüdischen, christlichen und islamischen Kontexten hinsichtlich des Umgangs mit religiöser Differenz untersuchen. „Interreligiöse Pluralismus- oder Dialogkonzepte zielen auf eine konsensorientierte, harmonisierende Überwindung von Gegensätzen. Wir hingegen gehen in unserem Projekt davon aus, dass Religionen grundsätzlich positionell und somit konflikthaft, deshalb aber nicht zwangsläufig pluralismusunfähig sind, sondern Differenzen Ernst zu nehmen und zu achten vermögen“, erläutert Prof. Wiese. Beteiligt an diesem interreligiösen und interdisziplinären Projekt sind neben der protestantischen Theologie, der Judaistik und den Islamischen Studien auch die Soziologie, die Ethnologie und die Erziehungswissenschaften.

Wiese verweist auf die ausgezeichneten Voraussetzungen, die der Wissenschaftsstandort Frankfurt/Gießen bietet, einen innovativen Beitrag zu Fragen von Religion und Gesellschaft, Migration und Integration sowie religiöser Differenz und Interreligiosität zu leisten: So ist der Fachbereich Evangelische Theologie an der Goethe-Uni bereits mit dem Institut für Theologie an der Justus-Liebig-Universität eng verbunden; gemeinsam werden auch nichtkonfessionelle religionswissenschaftliche und –philosophische Studiengänge angeboten, die programmatisch auf Interreligiosität ausgerichtet sind. Im Bereich der Jüdischen Studien ist mit dem Seminar für Judaistik und der Martin-Buber-Professur für Jüdische Religionsphilosophie ein international gut vernetzter Partner vorhanden. Ferner hat das vom BMBF und vom Land Hessen geförderte Zentrum für Islamische Studien Frankfurt/Gießen in den vergangenen Jahren eine führende Rolle im Bereich einer modernen islamisch-theologischen Wissenschaft eingenommen.

Auch die in Frankfurt beim Exzellenzcluster „Normative Orders“ angesiedelten Projekte bieten beste Kooperationsmöglichkeiten: Beispielsweise das „Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam“ von Prof. Susanne Schröter, das aktuelle Entwicklungen in der islamischen Welt untersucht, das Projekt „Genese und Geltung des Säkularen“ (Prof. Matthias Lutz-Bachmann u. Prof. Thomas Schmidt) oder „Macht, Herrschaft und Gewalt in Ordnungen der Rechtfertigung“ (Prof. Rainer Forst). Ebenfalls zu nennen sind auf dem Gebiet der interreligiösen Forschung die seit 2014 etablierten Kooperationen der Goethe-Universität mit der Tel Aviv University und der Cambridge University. Der Forschungsschwerpunkt wird zudem intensiv mit Partnerinstitutionen im Bereich von Bildung und Politik in Frankfurt und der Rhein-Main-Region zusammenarbeiten und so auch zu den öffentlichen Debatten über religiöse Vielfalt und Differenz beitragen.

Quelle: Pressemitteilung vom 15. Juli 2016

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