»Justitia Amplificata«: Gerechtigkeit steht im Fokus

Am Forschungskolleg Humanwissenschaften: (v. l. n. r., vorne) Antoinette Scherz, Rainer Forst, Alasia Nuti, Valérie Bignon; (v. l. n. r., hinten) Iris Koban, Nathan Adams, Melissa Williams, Isaac Taylor, Matthias Lutz-Bachmann. Foto: Dettmar
Am Forschungskolleg Humanwissenschaften: (v. l. n. r., vorne) Antoinette Scherz, Rainer Forst, Alasia Nuti, Valérie Bignon; (v. l. n. r., hinten) Iris Koban, Nathan Adams, Melissa Williams, Isaac Taylor, Matthias Lutz-Bachmann. Foto: Dettmar

Flüchtlinge, Schuldenkrise, Diskriminierung. Drei hochaktuelle, weltumspannende Themen, die eines verbindet: die Frage nach Gerechtigkeit. An der Goethe-Universität denkt die Forschergruppe »Justitia Amplificata: Erweiterte Gerechtigkeit – konkret und global« über Gerechtigkeitstheorien nach. Die Gruppe untersucht Theorien der Gerechtigkeit und ihre praktischen Implikationen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die Arbeit der interdisziplinär angelegten Kolleg-Forschergruppe.

Diese vernetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Karrierestufen. Was ist Fairness, und wer legt das fest? Wer gibt wem das Recht, Grenzen zu schließen und Menschen mit Waffengewalt zu hindern, die Grenze zu überschreiten? Wer darf darüber entscheiden, welchem Staat Schulden erlassen werden oder nicht und warum? Darüber haben sich wahrscheinlich angesichts der täglichen Nachrichten über Krisen in der Welt schon etliche Menschen Gedanken gemacht.

Wer Antworten sucht, landet schnell beim Thema Gerechtigkeit. Diesem Schlüsselgriff widmet sich an der Goethe-Universität die Kolleg- Forschergruppe „Justitia Amplificata“ (JA). Sie besteht seit 2009, die DFG-Förderung läuft bis 2018. Ausgehend von zeitgenössischen Gerechtigkeitstheorien gehen die Wissenschaftler im Kern der Frage nach, „wie die ursprünglich auf Nationalstaaten bezogenen Theorien im globalen Zeitalter verändert oder revidiert werden müssen“, erläutert Rainer Forst, Professor für Politische Theorie und Philosophie an der Goethe-Universität.

Forst hat die Forschergruppe gemeinsam mit seinem Kollegen Stefan Gosepath initiiert, der inzwischen an der Freien Universität Berlin lehrt. Seit dem Wechsel Gosepaths hat JA eine Dependance an der Spree. Das Team wird durch exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen erweitert, die für vier bis fünf Jahre an der Goethe-Universität arbeiten. Der Blick der Wissenschaftler geht über die Grenzen von Staaten und Nationen hinaus. „Nachdenken über transnationale Gerechtigkeit“, benennt Forst den Fokus ihrer Arbeit.

Dazu lädt JA regelmäßig etablierte und jüngere Wissenschaftler als Fellows ein. Die Gerechtigkeitsforscher kommen aus den USA, Kanada, Großbritannien, Israel, Indien oder China. Die Internationalität befruchtet den Dialog. Im Kolleg wird auch nach Methoden gesucht, „um nicht die ganze Welt nach dem Vorbild des westlichen Nationalstaats zu denken“ – basierend auf der Erkenntnis, dass zum Beispiel das Verständnis von Freiheit, Menschenrechten oder Demokratie in anderen Kulturen ein anderes sein kann als im Westen.

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Ort des Dialogs , Ort des Diskurses

Austausch über Grenzen hinweg im Forschungskolleg Humanwissenschaften

Im 2009 in Bad Homburg eröffneten Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität denken international renommierte Wissenschaftler über die Prozesse der Veränderung unserer Wirklichkeit im Zeitalter von Globalisierung und Digitalisierung nach. Die Forscher sind als Fellows Gäste des Kollegs, das die Goethe-Universität in Kooperation mit der Werner Reimers Stiftung ins Leben gerufen hat. Sie bleiben bis zu einem Jahr in Bad Homburg. Während ihres Aufenthalts halten sie öffentliche Vorträge und nehmen an Veranstaltungen der Uni teil.

In diesem Semester werden die Gastaufenthalte überwiegend vom Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ und der DFG-Forschergruppe „Justitia Amplificata: Erweiterte Gerechtigkeit – konkret und global“ finanziert. Beide sind wissenschaftliche Partner des Kollegs, mit dem sie fast zeitgleich initiiert wurden. „Es ist ein seltener Glücksfall, dass die drei Einrichtungen gemeinsam entstanden sind. Ohne die Infrastruktur des Kollegs hätten wir zum Beispiel bei der DFG nicht die Mittel für unsere Forschergruppe einwerben können“, sagt Rainer Forst, Professor für Politische Theorie und Philosophie an der Universität, der die Verzahnung der drei
Institutionen personifiziert: Er gehört dem Direktorium des Kollegs an, spricht für den Exzellenzcluster und ist Kodirektor von Justitia Amplificata.

Matthias Lutz-Bachmann, Professor für Philosophie an der Universität und Wissenschaftlicher Direktor des Kollegs, erläutert, dass sich das Kolleg in der Identifizierung und Profilierung neuer, disziplinäre Grenzen überschreitender Forschungsfragen engagiert. Dazu kooperiert es eng mit ausgewiesenen Forschern der Universität und den in der Region Frankfurt/RheinMain vertretenen Instituten der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz-Gemeinschaft. „Seit seiner Gründung hat sich das Kolleg als ein Institute for Advanced Studies auf dem Gebiet der Geistes- und Sozialwissenschaften etabliert. In internationalen Wissenschaftlerkreisen hat es sich einen Namen gemacht als Ort des kreativen wissenschaftlichen Austauschs über institutionelle und disziplinäre Grenzen hinweg.“[/dt_call_to_action]

Wie das häufig historisch gewachsene Verständnis von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit Gesellschaften bis in die Moderne beeinflusst, hat Alasia Nuti am Beispiel der Sklaverei in den USA erforscht. Nuti, die in Cambridge promoviert wurde, gehört zu den zahlreichen Nachwuchswissenschaftlerinnen, die Rainer Forst und Stefan Gosepath für das Postdoc- Programm in der JA-Forschergruppe ausgewählt haben. „Alle Nachwuchs-Fellows, die bei uns waren, haben inzwischen Professuren übernommen oder sich erfolgreich um weitere Stipendien beworben“, freut sich Forst.

Die Fellows leben und arbeiten abseits des Campus Westend im Haus des Forschungskollegs Humanwissenschaften der Goethe-Universität. Während die Postdoc-Fellows ihren Schwerpunkt auf erste Forschungsarbeiten legen, nutzen die von JA eingeladenen Senior-Fellows ihren Aufenthalt, um – wie beispielsweise die kanadische Politikwissenschaftlerin Melissa Williams – Veröffentlichungen voranzubringen, die im normalen Unialltag oft liegen bleiben.

Die international renommierten Senior-Fellows bleiben bis zu einem Jahr. Oder länger: Der US-Amerikaner Darrel Moellendorf, der 2013 zu Gast war, hat inzwischen als Nachfolger von Stefan Gosepath die Professur für Internationale Politische Theorie an der Goethe-Universität übernommen. Die ersten JA-Fellows kamen 2010 nach Bad Homburg, inzwischen stehen 75 Namen auf der Liste – ein „Who is Who“ der internationalen politischen Philosophie.

Das seit der JA-Gründung gewachsene Netzwerk der Fellows „ist von unschätzbarem Wert für die Nachwuchsförderung an der Goethe-Uni“, ist Rainer Forst überzeugt. Denn die Wissenschaftler sind vielfältig in das Leben der Universität eingebunden, auch durch Lehrveranstaltungen. „Vom Erstsemester bis zum Postdoc hat jeder die große Chance, sich mit den besten Forschern seines Fachs auszutauschen und die Menschen nicht nur über Bücher wahrzunehmen, sondern durch Begegnungen“, sagt Forst.

Die Forschergruppe stellt Ergebnisse ihrer Arbeit aber auch auf wissenschaftlichen Konferenzen mit internationalen Partnern wie der Yale University oder der Renmin-Universität Peking zur Debatte. Die Goethe-Universität als internationales Zentrum für Gerechtigkeitsforschung – Justitia Amplificata ist auf dem Weg ein gutes Stück vorangekommen. [Autorin: Monika Hillemacher]

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Weitere Informationen:

Interview mit Melissa Williams aus dem UniReport 6-15
www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de
www.justitia-amplificata.de

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