Wie kann man in Zellen und Organismen chemische Prozesse des Stoffwechsels beobachten? Das Auge und herkömmliche Mikroskope reichen dazu nicht aus. Hochauflösende optische Einzelmolekül-Spektroskopie ist eine sehr leistungsstarke Methode (für die im letzten Jahr der Nobelpreis vergeben wurde), liefert allerdings nicht atomistische Details vergleichbar mit der Kernspinresonanz (NMR: Nuclear Magnetic Resonance).
Auf der anderen Seite ist die NMR Spektroskopie um viele Größenordnungen unempfindlicher, was den Nachweis in kleinen Probenmengen erschwert. Professor Dr. Thomas Prisner und Dr. Vasyl Denysenkov vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie haben ein Gerät entwickelt, mit dem diese Empfindlichkeit um einen Faktor 10-100 verbessert werden kann, wodurch dynamische Prozesse in kleinsten Probenmengen (0.1 Mikroliter) in nativer Umgebung beobachtet werden können.
Diese Apparatur wurde von der Goethe-Universität zum Patent angemeldet; inzwischen wurden Patente für Europa, die USA und Japan erteilt. Die Wissenschaftler nutzen hierfür das Prinzip der Kernspinresonanz (NMR). Minimale Magnetfelder von Wasserstoffatomen werden durch starke Magnete beeinflusst und sichtbar gemacht. In der Medizin verwendet man die Prinzipien der NMR beispielsweise bei der Magnetresonanztomographie (MRT) zum Darstellen von Struktur und Funktion der menschlichen Organe.
Grundsätzlich gilt NMR als die ideale Technik für Materialanalysen und für Untersuchungen an lebenden Systemen in Forschung und Medizin. Allerdings reicht die Empfindlichkeit herkömmlicher NMR-Bildgebungssysteme nicht aus, um Strukturen zu beobachten, die kleiner als einige Millimeter sind. Ein wichtiges Ziel ist es daher, die Ortsauflösung zu verbessern. Hierzu versucht man beispielsweise, höhere Magnetfelder oder bestimmte Pulsmethoden zu verwenden.
Als besonders vielversprechend zur Verstärkung der NMR-Signale erwies sich das Verfahren der sogenannten „dynamischen Kernpolarisation“ (DNP). Hierbei wird durch die zusätzliche Einstrahlung von Mikrowellen die sogenannte Spinpolarisation von Elektronen auf die Kerne übertragen. Mittels geeigneter Spulen werden die Kernspinübergänge angeregt und die NMR-Signale detektiert.
Diesen Effekt nutzen die Frankfurter Wissenschaftler mit dem von ihnen entwickelten DNP-Probenkopf besonders effektiv. Tatsächlich stellt der NMR-Probenkopf eine der wichtigsten Komponenten bei der Steigerung der Leistungsfähigkeit der heutigen NMR-Methoden dar; er gilt als Herzstück der modernen NMR-Systeme.
Innovectis koordiniert Patentgeschäft
Bereits 2012 meldeten Prisner und Denysenkov das von ihnen entwickelte Gerät als Erfindung bei Innovectis, die als universitätseigene Technologietransfergesellschaft für das Patentgeschäft der Goethe-Uni zuständig ist. Innovectis prüft neue Erfindungen und koordiniert die Patentverfahren zum Schutz von Forschungsergebnissen, die zu einem Produkt (z. B. einem Medikament) führen können.
Welche Erfindungen zum Patent angemeldet werden, entscheidet ein eigens hierfür eingerichtetes Bewertergremium mit Experten der Goethe-Uni und aus Unternehmen. Ziel ist es, den Wissenstransfer zu fördern, indem an der Uni generiertes Wissen mit kommerziellem Potential professionell geschützt und vermarktet wird.
Die Kosten für die Patentverfahren übernimmt die Goethe-Uni. Von den Einnahmen erhalten auch die Wissenschaftler einen Teil, nämlich 30 %, als Erfindervergütung. In vielen Fällen ermöglicht erst der Patentschutz die zeit- und kostenintensive Entwicklung bis hin zu einem marktreifen Produkt. Tatsächlich ist es fast immer notwendig, neue Erfindungen weiterzuentwickeln, z. B. indem eine Evaluierungsstudie für einen neuen Biomarker durchgeführt oder ein Prototyp für ein neues Gerät gebaut wird.
Auch der neue DNP-Probenkopf wird aktuell als Prototyp im Rahmen eines von der Wirtschaftsund Infrastrukturbank Hessen geförderten Projektes realisiert, das insbesondere auf die Weiterentwicklung der patentgeschützten Technologie abzielt. »Veredelungsprojekt« „Derartige Veredelungsprojekte zur Weiterentwicklung neuer Technologien sind dringend erforderlich, um die Finanzierungslücke zwischen Grundlagenforschung und marktnaher Entwicklungsarbeit in Unternehmen zu schließen“, betont Prof. Schubert-Zsilavecz, als Vizepräsident zuständig für den Technologietransfer an der Goethe-Uni.
Die bisherigen Experimente mit einem Prototyp ergaben, dass die Nachweisempfindlichkeit gegenüber den herkömmlichen NMR-Systemen um den Faktor 100(!) gesteigert werden kann. Derzeit laufen Untersuchungen mit dem neuen Probenkopf, der zukünftig als Upgrade in bestehende Mikroimaging-Systeme integriert werden könnte. Bereits jetzt arbeiten die Wissenschaftler mit einem deutschen Gerätehersteller zusammen, der als Lizenznehmer in Frage kommt.
Wichtige Anwendungsfelder des neuen NMR-Mikroskops liegen im Bereich Mikrofluidik, etwa bei der Überwachung von Stoffströmen in Mikroreaktoren, Sensoren oder bei „Lab on a Chip“-Anwendungen. Weiterhin interessant ist der Einsatz zur Charakterisierung von nanostrukturierten oder porösen Materialien, wie Polymeren, Zeolithen und Keramiken, welche beispielsweise in Brennstoffzellen eingesetzt werden. In biologischen Systemen können mittels NMR-Mikroskopie wichtige Informationen zur Morphologie und Transportbewegungen, z. B. von Stoffwechselprodukten in Pflanzenschnitten oder histologischen Gewebeproben, erzielt werden, welche mit anderen Methoden nicht verfügbar sind. [Autorin: Kirstin Schilling]