Sozialpädagogik: Studie zum Wohlbefinden von Kindern in 35 Ländern

Geht es Dir gut – zu Hause, in der Schule, in Deinem Viertel? Machst Du Dir Sorgen, dass Deine Familie nicht genug Geld hat? Rund um den Erdball – von Neapel bis Norwegen, von Albanien bis Chile – wurden zwischen 2017 und 2019 acht- bis zwölfjährige Kinder zu ihrem Wohlbefinden befragt. Federführend bei der globalen Erhebung von 128.000 Kindern in 35 Ländern waren Wissenschaftler aus sechs Ländern, darunter die Sozialpädagogin Prof. Sabine Andresen von der Goethe-Universität. Nun wurden erste allgemeine Ergebnisse des „Children’s World Report 2020“ veröffentlicht.

„Wenn wir wissen wollen, wie es Kindern geht und wo sie Mangel leiden“, erklärt Andresen, „und wenn Politik ihnen auch helfen soll, müssen wir Kinder selbst befragen. Dass uns nun Antworten aus so vielen Ländern vorliegen, deren Lebensstandard und Kultur kaum unterschiedlicher sein könnten, ist einzigartig. Das gibt uns Daten für viele vertiefende Fragen an die Hand.“ Gibt es Erfahrungen, interessierte die Wissenschaftler zum Beispiel, die alle Kinder ähnlich beantworten?

Wo auch immer sie auf dem Erdball wohnen – Kinder beantworten die Frage nach ihrem Wohlbefinden grundsätzlich positiv. Dabei mag überraschen, dass die Länder Albanien, Rumänien, Kroatien und Griechenland in der Wertung der Kinder die Spitzenplätze einnehmen (Deutschland rangiert auf Platz 20, am unteren Ende liegen Malaysia, Hongkong und Vietnam). Die Wissenschaftler vermuten, dass Zufriedenheit und Lebensstandard nicht unbedingt aneinander gekoppelt sind.  

Noch ist es zu früh für Schlussfolgerungen, beginnen die Wissenschaftler erst, Antworten miteinander in Beziehung zu setzen. Ist es also Zufall, dass wiederum in Albanien, Indien und Griechenland Kinder überwiegend mit ihren Eltern zusammenleben? In Brasilien, Namibia und Südafrika sind es nur etwas mehr als die Hälfte. Dagegen machen sich Kinder in Malaysia, Brasilien, Namibia und Südafrika mehr Sorgen um die finanzielle Situation der Familie als etwa in Norwegen und Finnland. Und: Je jünger die Kinder sind, desto besorgter sind sie. Altersspezifische Unterschiede zwischen den befragten Acht-, Zehn- und Zwölfjährigen arbeitet auch die detaillierte Frage nach dem Wohlbefinden heraus: während die Zehn- bis Zwölfjährigen sich in Schule und Nachbarschaft weniger wohl fühlen, äußern die Achtjährigen ein Unbehagen zu Hause.

Sind Mädchen oder Jungs besser drauf? Je nach Herkunftsland liegen einmal die Jungen, ein anderes Mal die Mädchen im Wohlbefinden vorn. Eine Tendenz zeichnet sich allerdings in der globalen Ländererhebung ab: Acht- bis zwölfjährige Mädchen fühlen sich – anders als gleichaltrige Jungen – sicherer in der Schule als in ihrem Viertel. Und: Sie rechnen fest mit der Unterstützung ihrer Freundinnen.

Wenig Überraschungen bringt die Frage nach der digitalen Vernetzung zutage: Während in Norwegen, Deutschland und Estland fast alle Kinder angeben, über einen Internetanschluss zu verfügen, ist dies bei Kindern in Indonesien nur bei knapp der Hälfte der Fall. In Nepal liegt ihr Anteil bei 30 Prozent.

Kulturelle Unterschiede in der Erziehung und nicht finanzielle Gründe vermuten die Wissenschaftler allerdings bei unterschiedlichen Antworten zum Handygebrauch: In Frankreich und der Schweiz gibt nur die Hälfte der acht- bis zwölfjährigen Kinder an, über ein Handy zu verfügen (anders in Norwegen, Finnland und Kroatien, wo es 95 von hundert Kindern sind). Damit liegen Frankreich und Schweiz auf einer Linie mit Namibia.

„Wir müssen jetzt vertiefende Fragen an unsere Daten stellen“, so Sozialpädagogin Andresen. „Interessant ist doch, welche Erfahrungen Kinder aus Polen oder Rumänien machen, deren Eltern im europäischen Ausland arbeiten. Welche Unterschiede gibt es bei Kindern innerhalb eines Landes? Gibt es ein Armutserleben, das Kinder aus verschiedenen Ländern verbindet?“ Interessant sei auch, jüngere Kinder zu befragen und deren Antworten mit den vorliegenden Daten zu vergleichen.

Die repräsentative Befragung von Wissenschaftlern aus Bellville, Frankfurt, Girona, Jerusalem, Seoul und York wurde von der in Zürich ansässigen Jacobs Foundation gefördert. Die private Stiftung unterstützt Forschungsprojekte und wissenschaftliche Einrichtungen im Bereich der Kinder- und Jugendentwicklung.

Sabine Andresen ist seit 2011 an der Goethe-Universität Professorin für Sozialpädagogik und Familienforschung und Mitglied im IDeA (Individual Development and Adaptive Education)-Zentrum. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Kindheits- und Familienforschung, Internationale Child Well-Being Forschung, Kinder- und Familienarmut, sexueller Kindesmissbrauch und seine Aufarbeitung (transitional justice) sowie Übergänge im Lebenslauf.

Hier finden Sie die gesamte Studie sowie eine Zusammenfassung des „Children’s Worlds Report 2020“ (PDF).

Quelle: Pressemitteilung vom 4. August 2020

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