Als das Sonnensystem vor 4,567 Milliarden Jahren entstand, war die Erde ein Feuerball mit einem metallischen Kern und einer Oberfläche aus glühendem Magma. Wie sie zu einem lebensfreundlichen Ort mit Meeren, Kontinenten und einer sauerstoffreichen Atmosphäre wurde, wird bis heute in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Nun hat die Mineralogin Dr. Sonja Aulbach vom Institut für Geowissenschaften mit ihrer Forschung mehr Licht ins Dunkel gebracht.
Über die frühe Erdgeschichte weiß man wenig Gesichertes. Insbesondere ist die Temperaturentwicklung des Erdmantels und damit der mögliche Beginn der Plattentektonik bis heute umstritten, wobei die Mehrheit der Forscher vermutet, dass dies vor ca. 3.3 bis 2.5 Milliarden Jahren geschah. Das zu überprüfen ist schwierig, weil weniger als fünf Prozent der heute aufgeschlossenen Gesteine älter sind als 3 Milliarden Jahre. „Unser Planet ist sehr dynamisch und einmal entstandenes Gestein wird durch geologische Prozesse zerstört oder zumindest stark verändert“, erklärt Sonja Aulbach (siehe Kasten). Deshalb betrachtet sie alte Erdmantelfragmente (Xenolithe) und noch kleinere Einschlüsse in Diamanten (meist kleiner als 0.1 mm), um zu erfahren, wie sich die Erde im Verlauf ihrer Geschichte verändert hat und somit bewohnbar wurde.
Wertvolle Informanten: Diamanten
„Diamanten, das klingt zunächst nach Glamour“, sagt die Mineralogin, „aber ihr wahrer Wert liegt für uns darin, dass sie chemisch inert und sehr alt sind; bis zu 3.5 Milliarden Jahre. Damit können sie uns unverfälschte Informationen über die frühe und tiefe Erde liefern.“ Sowohl Xenolithe als auch Diamanten aus dem Erdmantel tief unter der Erdkruste werden von Magmen auf ihrem langen Weg an die Oberfläche aus ihrer Umgebung mitgerissen. Ein Teil dieser Fragmente besteht aus Eklogit, welcher sich bei hohem Druck und Temperatur vor Milliarden von Jahren aus Basalten bildete, wie sie auch heute an mittelozeanischen Rücken entstehen und an Plattengrenzen über die Subduktion wieder in die Tiefe gelangen (siehe Kasten). Diese Proben sind von unschätzbarem Wert, denn sie enthalten versteckte Informationen über die Eigenschaften des konvektierenden Erdmantels unter den Spreizungszonen durch die Zeit. „Wir können also die Probennahme dieses so wichtigen Bestandteils des Systems Erde getrost der Natur überlassen“, sagt die Forscherin.
Auch in Deutschland gibt es Xenolithe, in der Eifel, und in den Basalten des nahen Vogelsbergs und der Rhön. Eklogitxenolithe und Diamanten findet man jedoch fast ausschließlich in alten Kontinentalkernen, die mehr als 2.5 Milliarden Jahre alt sind, also dem Archaikum zuzuordnen sind, wo sie von viel jüngeren exotischen Magmen (Kimberliten) aus 250 Kilometern Tiefe und mehr an die Oberfläche transportiert werden. Im Archaikum kollidierten die frühesten Kontinentalkerne. Dabei wurden Ozeanböden verschluckt und die Fragmente gelangten als Eklogite in die wachsende kontinentale Lithosphäre (siehe Kasten).
Blick in den obersten Erdmantel
Das Besondere an der Herangehensweise der Frankfurter Mineralogin ist, dass sie mit ihrer Methode bis in den obersten Erdmantel zu spähen versucht. Dorthin, wo sich die magmatischen Vorgänger der Eklogite in etwa drei bis zwei Milliarden alten Spreizungszonen bildeten. „Dies setzt ein sehr gutes Verständnis der Auswirkungen jener Prozesse voraus, welche die chemische Zusammensetzung der Vorgänger veränderten, etwa die Gesteinsmetamorphose“, sagt die Mineralogin. Sie musste zunächst allgemeingültige Konzepte schaffen, die das Verhalten einer Vielzahl von chemischen Elementen während dieser verschiedenen Prozesse beschreiben, um dann verlässliche geochemische Stellvertreter (Proxies) zu finden, die noch Schlüsse auf den Zustand des konvektierenden Mantels vor Milliarden von Jahren zulassen.
GLOSSAR
Konvektion
Wärmetransport durch zähflüssige Magmaströme.
Subduktion
Begriff aus der Plattentektonik: Stoßen zwei Platten aneinander, wird die dichtere von beiden unter die andere gedrückt.
Spreizungszone
Hier bricht eine Platte auseinander, sodass Magma aus dem Erdmantel austritt.
Lithosphäre
Sie besteht aus der Erdkruste und dem obersten Teil des Erdmantels.
„Während bei der Untersuchung moderner Mittelozeanischer Rückenbasalte nur die Konkurrenz zwischen magmatischen Prozessen und echten Signaturen der konvektierenden Mantelquelle zu berücksichtigen ist, kommen bei Eklogiten noch weitere Lagen von Prozessen hinzu, deren Effekte man verstehen muss und die man abtragen muss, um wirklich in die Mantelquelle hinein sehen zu können“, erklärt Aulbach den Prozess. Doch die Mühe lohnte sich: Sie konnte Proxies finden, die erlauben, stark veränderte Proben auszusortieren und jene Elemente zu finden, deren Gehalt während der Metamorphose wenig verändert wird. So war es u. a. möglich zu bestimmen, aus welchem Teil des Ozeanbodens – Lava oder Tiefengestein – die magmatischen Vorgänger der Eklogite stammen. Schließlich wählte sie die Proben aus, die sich chemisch am wenigsten von der ursprünglichen Schmelze weg bewegt hatten.
Das Ergebnis ist beeindruckend: Aulbach konnte mit ihren Kolleginnen und Kollegen zeigen, dass der oberste Erdmantel im Archaikum vor etwa 4000 bis ca. 2500 Millionen Jahren deutlich weniger heiß war, als in einem oft zitierten Modell angenommen wurde. Dieses sagte ein Temperaturmaximum im Mesoarchaikum vor 3 Milliarden Jahren vorher. Aulbachs Ergebnisse stimmen aber überein mit älteren Modellen, die eine allmähliche Abkühlung und moderate Temperaturen fanden. „Die Implikationen sind enorm, denn diese moderaten Temperaturen erlauben nicht nur, dass wir auf der Erde vor 3 Milliarden Jahren schon richtige Plattentektonik hatten, sondern auch, dass sich Teile der frühen kontinentalen Lithosphäre über den Meeresspiegel erheben konnten“, erklärt Aulbach. Infolgedessen konnte kontinentale Verwitterung stattfinden, die wichtige Nährstoffe wie Phosphor in die Ozeane eintrug, was ungeheuer wichtig für die Entwicklung der Lebewesen war.
Aufregung um Ergebnisse
Mithilfe ihrer Untersuchungen konnte Aulbach auch zeigen, dass sich der Oxidationszustand des Mantels seit dem Mesoarchaikum verändert hat und so erklären, wie es zu einem drastischen Sauerstoffanstieg in der Atmosphäre, der „Sauerstoffrevolution“, vor 2.4 Milliarden Jahren kam. „Unsere Ergebnisse sorgten für ein bisschen Aufregung. Zum Glück wurden sie einige Jahre später durch andere Arbeiten bestätigt, die auf andersartigen Proben und einer anderen Methode beruhen“, sagt die Forscherin. Interessant ist, dass ähnliche Prozesse auch auf anderen erdähnlichen Planeten ablaufen können. Daher haben die Ergebnisse weitreichende Implikationen: Sie zeigen, wie aus einem zunächst lebensfeindlichen Planeten unsere Heimat wurde.
„Unsere Erkenntnisse sind natürlich nicht unumstritten, auch und gerade weil die Proben schon viele Schritte von ihrer ursprünglichen Mantelquelle entfernt sind. Sie haben aber dazu geführt, dass einige Paradigmen aufgebrochen wurden und nun stärker hinterfragt werden“, urteilt Aulbach. Sie freut sich schon auf die Diskussion nach ihrem Plenarvortrag auf der virtuellen Goldschmidt-Konferenz in Lyon, wo sie ihre Ergebnisse im Rahmen der angesehenen „Paul Gast Lecture“ vorstellen wird. „Ich finde mein Forschungsgebiet unglaublich spannend, aber vielleicht bin ich auch einfach nur eine Geo-Nerd“, sagt sie.
Anne Hardy
PLATTENTEKTONIK, MANTELKONVEKTION UND METAMORPHOSE DER GESTEINE
Die Theorie der Plattentektonik beschreibt die dynamischen Umwälzungen der Erdkruste und des darunterliegenden obersten Teils des Mantels durch Platten, die wie Eisschollen gegeneinander stoßen. Dabei taucht die dichtere Platte in Subduktionszonen wieder in den Mantel ein, begleitet von Gebirgsbildung. Komplementär dazu brechen Platten an Spreizungszonen auseinander. Dort tritt Magma aus dem tiefer gelegenen konvektierenden Erdmantel an die Oberfläche und bildet eine basaltische Kruste, die mittelozeanischen Rückenbasalte (MORB). Diese wird durch die fortschreitende Spreizung wie auf einem Fließband an die Plattengrenzen transportiert und dort subduziert. Durch steigenden Druck und Temperatur finden in den Subduktionszonen kontinuierliche und abrupte mineralogische und chemische Veränderungen statt, die Geowissenschaftler als „Metamorphose“ bezeichnen. Hier wird u. a. der MORB in viel dichteren Eklogit umgewandelt. Der größte Teil der Platte taucht wieder in den konvektierenden Mantel ein, aber ein kleiner Teil wird abgetrennt und gelangt wieder an die Oberfläche. Solche Gesteine finden sich z. B. in den Alpen. Die Gesteinsverwitterung sorgt dafür, dass das Material in Form von Sedimenten wieder in die Ozeane gelangt, wo sie auf sich immerzu neu bildendem MORB abgelagert werden (Kreislauf der Gesteine).
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 4/2021 (PDF) des UniReport erschienen.