Ein Nachbericht zur Podiumsdiskussion des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ über religiöse Symbole und ein mögliches Burka-Verbot. Auf dem Podium saßen Ethnologin Susanne Schröter, Philosoph Rainer Forst und Rudolf Steinberg, ehemaliger Präsident der Goethe-Universität.
Der beste Zustand einer emanzipierten Gesellschaft sei der, „in dem man ohne Angst verschieden sein kann“. Mit diesem Adorno-Zitat, in Erinnerung gerufen von dem politischen Philosophen Rainer Forst und mit viel Applaus bedacht, ist eine Podiumsdiskussion versöhnlich zu Ende gegangen, die nicht frei von Meinungsverschiedenheiten war. Unter dem Titel „Religiöse Symbole und Praktiken – Grenzen der Toleranz?“ hatte der Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ in den Renate-von-Metzler-Saal des Casino-Gebäudes auf dem Campus Westend eingeladen.
Der Publikumszuspruch war groß, das Podium prominent besetzt. Von Seiten des Exzellenzclusters teilgenommen haben Susanne Schröter, Ethnologin und Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam am Exzellenzcluster, und Rainer Forst, auch Co-Sprecher des Clusters. Hinzu kam Rudolf Steinberg, emeritierter Professor für öffentliches Recht und ehemaliger Präsident der Goethe-Universität. Die Moderation lag in den Händen von Rebecca Caroline Schmidt, Geschäftsführerin des veranstaltenden Forschungsverbundes.
Obwohl auch Praktiken und Symbole anderer Religionen angesprochen wurden – die Anbringung des Kruzifixes in staatlichen Klassenzimmern verstößt laut Bundesverfassungsgericht gegen die Religionsfreiheit – lag ein eindeutiger Schwerpunkt auf dem Islam und der Vollverschleierung durch die Burka oder den Niqab. Ein Grund dafür war neben den Diskussionen der vergangenen Wochen und Monate auch ganz konkret der jüngste Leitantrag der CDU, beschlossen auf dem Parteitag in Essen. Hier wird zumindest ein Teilverbot der Vollverschleierung gefordert.
„Bei uns heißt es: Gesicht zeigen“, sagte die Bundeskanzlerin in ihrer Essener Rede. Deswegen sei die Vollverschleierung nicht angebracht. „Sie sollte verboten sein, wo immer das rechtlich möglich ist.“ Nach den Vorstellungen der CDU sollen die Burka und ähnliche Kleidungsstücke in bestimmten Bereichen verboten werden – unter anderem im öffentlichen Dienst, vor Gericht, bei Demonstrationen und im Straßenverkehr.
Eine solche Regelung entspräche derjenigen, die jüngst in den Niederlanden beschlossenen worden ist. In diesem Land soll es allerdings kaum mehr als 100 Burka-Trägerinnen geben, und in Deutschland wird ihre Zahl allenfalls auf rund 300 geschätzt. Die Diskussion um das religiöse Symbol der Burka habe selbst schon symbolischen Charakter, so waren sich die Diskutanten einig.
Für Rainer Forst ist die emotionale Debatte ein Zeichen für ein weit verbreitetes, allgemeines Ressentiment gegenüber dem Islam. Damit wolle er allerdings nicht, wie er ausdrücklich betonte, allen Verbotsbefürwortern unterschiedslos unterstellen, auch gleichzeitig gegen diese Religion zu sein. Der Philosoph vertrat die Meinung, dass die Burka-Trägerinnen nicht gegen Grundrechte anderer verstießen, sich aber selbst auf solche berufen könnten. Auch für ihn selbst sei die Burka ein befremdliches Kleidungsstück und ein Kommunikationshindernis. Doch das allein reiche nicht für ein generelles Verbot, wie es etwa in Frankreich besteht. Dort ist die Burka auch auf öffentlichen Straßen und Plätzen untersagt. Toleranz sei, so Forst, gerade dann nötig, wo sie schwerfalle.
Rudolf Steinberg dagegen hält auch ein generelles Burkaverbot grundsätzlich für zulässig. Das Thema sei deshalb so sensibel, weil die westliche Gesellschaft auf Visualität beruhe. Die Burka-Trägerin entziehe sich der Gegenseitigkeit des sozialen Austausches; sie sehe andere, könne aber selbst nicht gesehen werden. Eine Gesellschaft könne dieses visuelle System als Grundlage einer offenen Bürgergesellschaft rechnen.
„Mit einem derartigen legitimen Gemeinwohlzweck ließe sich ein generelles Burka-Verbot rechtfertigen“, so Steinberg, der allerdings zurzeit ein generelles Verbot des Vollschleiers in Deutschland für unverhältnismäßig hält, weil es zur Abwehr erheblicher Gefahren für das Gemeinwesen nicht erforderlich sei. Anderes gelte in besonderen kommunikativen und sicherheitsrelevanten Bereichen wie Schule und Straßenverkehr. Hier sieht er keine rechtlichen Einwände gegen ein Verbot. Besondere Aufmerksamkeit verdiene die Burka auch im Umfeld des Salafismus, dessen Ideologie auf die Abschaffung unserer freiheitlichen Verfassungsordnung gerichtet sei.
Susanne Schröter widersprach der These Rainer Forsts, wonach eine Burka-Ablehnung auf eine vielfach geteilte Ablehnung des Islam hindeute. Zudem sei auch die innerislamische Perspektive aufschlussreich. Der Koran schreibe die Vollverschleierung gar nicht vor. Eher im Gegenteil sei diese beispielsweise an der einflussreichen Al-Azhar-Universität mit Hauptsitz in Kairo ausdrücklich verboten.
Mit Bezug auf ihre eigene Forschungserfahrung wies sie darauf hin, dass viele Frauen in Deutschland das Kopftuch und auch die Burka aus eigenem Antrieb tragen. Dabei könne es sich um einen Akt der Selbstbestimmung handeln oder aber, besonders bei der Burka und ähnlichen Kleidungsstücken, um ein Zeichen zunehmender Radikalisierung unter Jugendlichen. Weiblichen Mitgliedern in salafistisch-dschihadistischen Bewegungen komme die europäische Debatte um die Burka gerade Recht, da sie sich durch das demonstrative Tragen des ‚Niqab‘ zu religiösen Widerstandskämpferinnen stilisieren könnten.
Susanne Schröter bezeichnet die Burka und besonders den Niqab als Symbol des politischen Islam. Dem stimmte Rudolf Steinberg zu, wohingegen Rainer Forst und auch Teile des Publikums bezweifelten, dass alle Burka-Trägerinnen politisch motiviert seien. Auch könne man nicht immer, so Forst, „die Polizei holen“, wenn einem etwas nicht gefalle. Eine dadurch geprägte Gesellschaft wäre auf jeden Fall schlechter, als die, die man durch Strafen und Verbote verändern wolle.
Doch auch für Forst gibt es Handlungsbedarf – jedoch nicht so sehr „am symbolischen Ende“, wie er sagte, sondern viel früher durch Aufklärung und Prävention. Steinberg sprach zustimmend von einem „Kampf der Ideen“, der im Sinne der freiheitlichen Demokratie gewonnen werden müsse. Schröter sieht hier auch die vielen liberalen Moslems und gemäßigten Moscheevereine gefordert.
Vielleicht wäre man ja dann, um mit Adorno zu sprechen, auf dem Weg zur „Verwirklichung des Allgemeinen in der Versöhnung der Differenzen“.
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Die Podiumsdiskussion in der Presse
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