Die Hochschulsportler*innen der Goethe-Universität organisieren nicht nur vielfältiges Sportprogramm für alle Uniangehörigen. Mit ihrem Projekt „Active Movement Break“ haben Martin Miecke und sein Team das physische, psychische und soziale Wohlbefinden der gesamten Unicommunity im Blick. Nun wurde die Goethe-Universität dafür als Hochschule des Jahres ausgezeichnet. Ein Gespräch über Teamwork, das Finden von Ideen und was gute Lehre mit Gesundheit zu tun hat.
Sie sind vom „Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband“ für Ihre hervorragende, engagierte und innovative Arbeit aus 203 Hochschulen ausgewählt worden. Wissen Sie, warum Ihre Arbeit so besonders gut klappt? Sie können sich übrigens gern auch selbst loben…
Joshua Kliewer: Man könnte sagen, es ist Zufall. Aber tatsächlich brennen alle von uns für die Sache. Alle haben dasselbe Ziel. Und das ist gar nicht selbstverständlich – jeder von uns kennt Teams, in denen es nicht ganz so rund läuft. In unserem Team ist es für mich das erste Mal, dass es eine Atmosphäre gibt, in der sich alle blind auf einander verlassen können.
Henning Blumenroth: Das Feedback, das wir von unseren Teilnehmern, von unseren Hiwis und von Kolleg*innen bekommen, zeigt: Man merkt die Freude an unserer Arbeit am Ergebnis.
Martin Miecke: Für mich sind es vor allem drei Faktoren: Wir haben ein großes Vertrauen innerhalb des und in das Team, es gibt eine hohe Identifikation mit den Themenfeldern Sport und Gesundheit und jeder kann sich eigenverantwortlich und auf Augenhöhe in seinem Bereich ausleben und ausprobieren.
Die Bezeichnung „Zentrum für Hochschulsport“ weckt die Erwartung an ein breites Sportangebot. Das bekommt man bei Ihnen ja auch. Sie bereiten aber auch Sportlerinnen und Sportler auf Wettkämpfe vor.
Luisa Klein: Wir sehen es nicht als unsere Aufgabe an, sportliche Laufbahnen zu entwickeln – aber oft kommen gute Sportler*innen an die Universität und wollen die Hochschule bei Wettkämpfen wie zum Beispiel bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften oder auch bei internationalen Wettkämpfen vertreten. Wir unterstützen sie dann bei der Organisation und der Finanzierung der Teilnahme, weil das ja auch für das Gemeinschaftsgefühl wichtig ist und die Goethe Universität nach außen repräsentiert. Das ist aber nur ein Teilbereich unserer Aufgaben neben dem Gesundheitsprogramm, den Sportangeboten, Exkursionen und Veranstaltungen.
Ihr Sport- und Veranstaltungsprogramm ist beeindruckend vielfältig. Da findet sich neben traditionellen und Trendsportarten wie Volleyball und Zumba auch Gruppensingen und Lachmeditation – wie kommen Sie auf solche Ideen?
Klein: Das ist unserem Teamgeist geschuldet: Jeder hat Ideen, Visionen und Vorstellungen und kann sie eigenverantwortlich umsetzen. Das Gruppensingen hat Joshua ins Team eingebracht, ich war direkt begeistert. Wir verstehen uns eben nicht nur als breiter Sportanbieter, sondern als Anbieter von Bewegung und Begegnung. Wir wollen, dass Studierende sich über den Hochschulsport aktiv am Universitätsleben beteiligen.
Probieren Sie neue Projekte auch manchmal selbst aus?
Blumenroth: Ja, bei Veranstaltungen außerhalb des Sportprogramms machen wir manchmal einen Testlauf mit uns selbst.
Haben Sie ein Beispiel?
Blumenroth: Wir haben vorletztes Jahr einen Escaperoom entwickelt, der die Studierenden unter Coronabedingungen zusammenbringen sollte. Den Raum haben wir dann im Austausch mit unseren studentischen Hilfskräften getestet. Wir verfolgen da einen partizipativen Ansatz.
Miecke: Den Onlinekochkurs haben wir natürlich vorher auch mal probiert…
Klein: … und das SUP-Team-Event auch (Stand-up-Paddlesurfen, Anm. d. Red.).
Der Hochschulsport wurde während der Pandemie zu einem sozialen Kleber zwischen den Menschen im Homeoffice. Haben Sie etwas von Ihrem breiten Onlineangebot beibehalten?
Klein: Einiges haben wir beibehalten, da es auch Vorteile des Onlineprogramms gibt – der Kernbestand unserer Kurse wird aber Präsenz sein.
Inwieweit unterscheidet sich Ihr neues Gesundheitsprojekt, für das Sie ja auch besonders gelobt werden, von ihrem Sportprogramm?
Kliewer: Wenn wir uns ansehen, dass sich in den letzten Jahren vor allem auch die psychische gesundheitliche Situation von Studierenden sukzessiv verschlechtert hat, dann steht es außer Frage, dass das Thema von institutioneller Seite angegangen werden muss. Als „Zentrum für Hochschulsport“ könnten wir sagen, wir bieten ja schon ein breites Sportprogramm an. Wir wollen aber etwas schaffen, das Menschen beim Bewegen auch in Berührung bringt, sie vielleicht auch geistig bewegt. Und wir müssen auch darüber nachdenken, warum es überhaupt zu Belastungen kommt. Es gibt zum Beispiel einen überwiegend sitzenden Studienalltag, rund elf Stunden sind es im Durchschnitt. Aber die meisten Belastungen haben natürlich nicht nur mit dem Sitzen zu tun. Allein dadurch, dass die Mieten so exorbitant sind, sind viele in finanziellen Nöten, die Stress auslösen. Dann zu sagen, bewegt Euch doch einfach ein bisschen mehr, ist unglaubwürdig. Sport als Bewegung um des Bewegens willen ist nicht schon gesund. Wir müssen das Thema Gesundheit deshalb wesentlich breiter denken.
Miecke: Wir vertreten einen ganzheitlichen Ansatz. Wir denken zwar nicht, weil wir jetzt tolle Sachen machen, werden alle gesünder. Aber wir sind davon überzeugt, dass durch soziale Unterstützung Kompetenzen vermittelt werden, die fürs Leben wappnen. Das hängt natürlich auch an Ressourcen und finanziellen Mitteln. Das heißt, ein Projekt wie ,Get in Touch‘ darf nicht nur Projekt bleiben, es muss langfristig finanziert werden.
Könnte Ihr Gesundheitsprogramm eigentlich auch dabei helfen, besser durch einen Winter mit Energieengpässen zu kommen?
Kliewer: Das ist ein Thema, über das wir uns tatsächlich Gedanken machen. Nehmen wir einmal an, wir schaffen es, die Studierenden zwei Stunden länger an der Uni zu halten, damit sie ihr WG-Zimmer weniger heizen müssen, dann hätte das einen unterstützenden Effekt. Wir sind jetzt deshalb auch in Gesprächen mit Studienberatern und anderen, wie man an allen Campi Räume in den Abendstunden bespielen könnte – auch mit einem pluralen Kursprogramm wie zum Beispiel Improvisationstheater und Entspannungsangeboten. Es wäre doch toll, wenn zum Beispiel die Studierenden am Riedberg nach ihrer letzten Vorlesung vor Ort an Sport- und anderen Kursen teilnehmen könnten. Da sind wir dran.
Haben Sie andere Wunschprojekte?
Klein: Mein Herzensprojekt ist die Sanierung unseres Bootshauses und die Neuanschaffung von Booten, die den alten und maroden Bootsbestand ersetzen können.
Blumenroth: Wir wünschen uns natürlich, dass wir unsere Sportstätten wieder nutzen können und die Sanierung in Ginnheim ihren Abschluss findet. Perspektivisch wäre auch eine Wunschvorstellung, in jedem Campus Räume mit Duschen und Umkleidekabinen zu haben, um Hochschulsport viel komfortabler anbieten zu können.
Miecke: Ich bin froh, dass wir mit der Auszeichnung mehr Aufmerksamkeit erzeugt haben. Schön wäre es, dass dadurch die Gesundheitsförderung hochschulpolitisch gestärkt wird. Und dass man sich insgesamt zu diesem wichtigen Thema bekennt. Ich glaube, dass zu einer leistungsfähigen und gut organisierten Bildungsreinrichtung auch das Thema Gesundheitsbildung gehört. Das Thema sollte besetzt werden.
Sie setzen bei dem Thema ja jetzt schon wesentliche Akzente.
Miecke: Es gibt aber in der Universität viele Einrichtungen, die zum Thema Gesundheit arbeiten, zum Beispiel das Studierendenwerk, die psychotherapeutische Beratungsstelle und das betriebliche Gesundheitsmanagement. Es wäre schön, wenn es einen klaren Auftrag gäbe und man gemeinsam ein Netzwerk entwickeln könnte.
Kliewer: Wir haben so viel fachliche Expertise an der Universität – wir sollten alle Bemühungen, auch für die Bediensteten, bündeln für die größte Zielgruppe: die Studierenden. Und dann könnten wir auch fragen, wie eine gesunde Lehre gestaltet werden kann. Oder noch umfassender: Was kann ein Gesundheitsmanagement dazu beitragen, eine Atmosphäre für ein gelingendes Studium, ein gelingendes Miteinander geschaffen? Das ist ein idealistisches, aber lohnendes Ziel.
Wer von Ihnen fährt zur Preisverleihung nach Berlin?
Miecke, Klein, Kliewer, Blumenroth: Alle!
Interview: Pia Barth