Masterstudiengang Comparative Democracy: Analysieren, warum Politik in die Krise gerät

Proteste in Athen gegen die Austeritätspolitik der EU (2015).

Englischsprachig und forschungsbasiert: Der Masterstudiengang Comparative Democracy startet zum Wintersemester.

Prof. Julian Garritzmann freut sich sichtlich auf das nächste Wintersemester: Der neue Studiengang, den er gemeinsam mit seinen Kolleginnen aus der Taufe gehoben hat, geht dann an den Start. 20 Studienplätze werden am Anfang im Master Comparative Democracy zur Verfügung stehen, das Angebot soll noch vergrößert werden. „Das Interesse ist sehr groß, die Anfragen sind international“, sagt Garritzmann. Es handelt sich um den ersten Masterstudiengang des Teilbereichs der Vergleichenden Politikwissenschaft. „Wir sind ein forschungsstarker Bereich mit vielen Professuren, Postdocs und Promovierenden, daher war die Entwicklung eines solchen Studienangebotes überfällig“, betont Garritzmann.

Im Sommersemester läuft bereits eine von ihm organisierte Vorlesungsreihe zum Thema „Comparative Politics“, auch ein Doktoranden- Kolloquium beschäftigt sich mit der Thematik. In den anderen beiden Teilbereichen der Politikwissenschaft, der Politischen Theorie und den Internationalen Studien/ Friedens- und Konfliktforschung, gibt es schon länger entsprechende Studienangebote. Der Masterstudiengang Comparative Democracy wird als erster rein englischsprachiger Studiengang in den Gesellschaftswissenschaften angeboten werden – „damit sind wir natürlich für eine internationale Klientel sehr interessant“, betont Garritzmann, der seine wissenschaftliche Ausbildung und Qualifikation unter anderem in Zürich, Harvard und Florenz absolviert hat. Entsprechende englische Sprachkenntnisse sind daher Voraussetzung für die Teilnahme am internationalen Studiengang. „Frankfurt ist ein idealer Standort für unseren Studiengang – nirgendwo anders in Deutschland hat man in der Stadt ein derart internationales Publikum. Wir hoffen natürlich auch, mit diesem Studienangebot einen Beitrag zur weiteren Internationalisierung der Goethe-Universität leisten zu können.“

Das Fach Politikwissenschaft habe sich seit einigen Jahren internationalisiert, sodass die relevante Forschungsliteratur in der Regel auf Englisch vorliege. Mit Ergebnissen aus einem Projekt des Programms „Starker Start“ könne man, so Garritzmann, eine diverse Studierendenschaft, wie sie im neuen Masterstudiengang zu erwarten ist, gut in die Frankfurter Studierendenkultur integrieren.

Krise der Demokratie

Die thematische Ausrichtung des neuen Studienangebots knüpft bewusst an aktuelle Diskussionen an: Die Krise der Demokratie, der Vertrauensverlust der politischen Institutionen in der Bevölkerung, immer mehr Nicht- und Protestwähler sind nur einige Stichworte, die den Hintergrund bilden für eine vergleichende Demokratieforschung.

„In der Vergleichenden Politikwissenschaft haben wir nun noch weitere Arbeitsbereiche, in denen diese Fragen behandelt werden: in der politischen Verhaltensforschung, in der politischen Ökonomie und in der politischen Institutionsforschung.“ Garritzmann verweist auf eines der wichtigsten Bücher der letzten Jahre zum Thema: „How democracies die“ (Wie Demokratien sterben) von Steven Levitsky und Daniel Ziblatt. „Die beiden Autoren führen überzeugend aus, dass im Zuge der Krise eine stufenweise Zerstörung einsetzt: erst der politischen Normen und politischen Kultur, dann der Institutionen“. Garritzmann ist überzeugt davon, dass sich die heutigen Studierenden sehr für diese Fragen interessieren. Junge Leute könnten auch Impulsgeber sein für ein neues Verständnis von Politik und Demokratie.

„Die Vergleichende Politikwissenschaft kann Erkenntnisse liefern, unter welchen Bedingungen neue partizipative Demokratiemodelle funktionieren, wo nicht. Denn natürlich kann man sich alle möglichen Modelle von Beteiligung theoretisch ausdenken. Wenn die Modelle aber so komplex sind, dass nur noch hochgebildete Akademikerinnen daran teilnehmen, ist das auch nicht zielführend und könnte sogar eher noch zu mehr Populismus führen.“

Mehr Informationen zum Studiengang Comparative Democracy auf den Webseiten des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften (03). Die englische Version des Beitrages finden Sie hier.

Synthese aus Theorie und Empirie

Garritzmann betont, dass der MA Comparative Democracy als empirisch-analytischer Studiengang konzipiert ist. „Theoretische Grundlagen sind natürlich sehr wichtig, aber wir fragen immer auch: Wie sieht die Realität aus, passt die zur Theorie, muss die Theorie demgegenüber überdacht werden?“ Der empirischen Forschung kommt daher im Studium eine große Bedeutung zu. Ein Schwerpunkt liegt auf Forschungsdesigns und Methoden: „Wir haben mit Claudius Wagemann einen Experten für qualitative Sozialforschung, mit Constantin Ruhe einen für quantitative und experimentelle Methoden. Es liegt uns viel daran, die Studierenden so gut auszubilden, dass sie aktuelle Forschung verstehen können, sich mit Methoden und Statistik auskennen und ihr Verständnis davon auch wieder ins Seminar einbringen können. Wir müssen im Blick haben, dass wir sie für eine Forschungskarriere ausbilden, was natürlich ganz Unterschiedliches bedeuten kann: zum einen an der Universität, aber auch in benachbarten Forschungsinstituten. Ebenso kommen auch später Tätigkeiten bei Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und im Journalismus in Frage.“

Sind empirische Kompetenzen in der Politikwissenschaft wichtiger geworden? „Ja, definitiv“, antwortet Garritzmann sofort. Die Politikwissenschaft sei lange Zeit sehr theoretisch ausgerichtet gewesen, was auch mit ihrer Herkunft aus Verwaltungswissenschaft und Rechtswissenschaft zusammenhänge. Es habe ein eher deduktiv-normatives Verständnis von Politik dominiert. Nachdem zwischendurch der „empirische Turn“ für ein anderes Extrem gesorgt habe, sei die Politikwissenschaft heute vom Geiste des Methodenpluralismus geprägt. Die Methode hänge stark von der jeweiligen Forschungsfrage ab. „Ich spreche gerne von einer theoretisch angeleiteten, empirischanalytischen Wissenschaft – eine Synthese ganz im Hegel’schen Sinne“, sagt er augenzwinkernd.

Mit Interesse und Neugierde in das Abenteuer Forschung

Garritzmann hat gerade eine studentische Arbeit gelesen, die ihn beeindruckt hat: Eine Studierende hat Tweets politikwissenschaftlich analysiert; dafür hat sie selber ein Programm geschrieben, um die Tweets quantitativ auszuwerten. „Ebenso kann man natürlich auch Umfrageergebnisse oder Wahlprogramme quantitativ auswerten.“ Praktische Anteile werden im neuen Studiengang großgeschrieben: So beispielsweise ein spezielles Praxismodul zum forschungsbasierten Lernen, aber auch ein Praktikum, wie es auch in anderen Masterstudiengängen des Fachs obligatorisch ist. „Dafür bieten sich Parteien, Ministerien, Institutionen und auch Medien an“, sagt Garritzmann. Wie sieht für ihn der/die „ideale“ Studierende des neuen Studienganges aus? „Interesse wäre für mich das Wichtigste. Mit Neugierde kann man alles lernen, selbst die kompliziertesten Inhalte aus Theorie und Empirie.“

Studierende sollten nach Möglichkeit bereits im Bachelor Vorkenntnisse im Bereich der Vergleichenden Politikwissenschaft erworben haben. Quereinstiege aus der Soziologie sind auch möglich, fehlende Politikmodule können nachgeholt werden. „Generell sollte die Bereitschaft vorhanden sein, sich auf einen rein englischsprachigen und forschungsbasierten Studiengang einzulassen“, betont Julian Garritzmann abschließend.

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