Keine Promotionen im Alleingang: Beim DFG-Graduiertenkolleg CLiC erforschen alle Doktorandinnen und Doktoranden vernetzt und in engem Austausch, wie Licht die molekularen Prozesse regulieren kann. Ein Modell auch für andere Fachdisziplinen?
GoetheSpektrum: Herr Prof. Heckel, vor Weihnachten hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Ihre Graduiertenschule CLiC um weitere viereinhalb Jahre verlängert. Um was geht es bei CLiC?
Prof. Alexander Heckel: CLiC steht für Complex Light Control, das heißt, wir nutzen Licht als Werkzeug, um molekulare Prozesse zu regulieren. Da die wenigsten Systeme von Natur aus auf Licht reagieren, können wir durch Einbringen lichtempfindlicher Moleküle, sogenannter Chromophore, Prozesse selektiv anregen. Und zwar mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung.
Für die Goethe-Universität ist CLiC inzwischen zu einem Vorbild für die Konzeption erfolgreicher Graduiertenschulen geworden. Was hat die Gutachter von Ihrem Konzept überzeugt?
Das ist erst einmal die Idee, verschiedene Disziplinen zum Thema Licht zusammenzubringen: Unsere Theoretiker berechnen zum Beispiel, welche lichtempfindlichen Moleküle man für eine Anregung mit dem Licht einer bestimmten Wellenlänge verwenden könnte. Die Chemiker synthetisieren dann diese Moleküle, und die Spektroskopiker testen deren Eigenschaften in verschiedenen Systemen. Da die Prozesse recht komplex sind, ist es in der Praxis nicht immer so, wie die Theorie vorausgesagt hat. Das heißt: Wir müssen nachjustieren, indem wir den Prozess erneut durchlaufen. Dass ein solcher Kreisprozess funktioniert, haben wir in der ersten Phase von CLiC durch mehrere Publikationen gezeigt. Zum anderen sind die Forschungsprojekte bei CLiC so designt, dass mehrere Doktoranden für deren Lösung die Köpfe zusammenstecken müssen. Wir haben unsere PhDs² bewusst so ausgewählt, dass sie Spezialisten auf ihrem eigenen Gebiet sind und gleichzeitig genug von den Nachbardisziplinen verstehen, um sich austauschen zu können.
Was sind für Sie die wichtigsten Erfolge aus der ersten Phase von CLiC?
Für mich ist es schön zu sehen, dass das Prinzip der Kohortenbildung so gut aufgegangen ist. Das bedeutet, dass alle PhDs innerhalb einer Kohorte zusammen anfangen und drei Jahre bis zur Abgabe ihrer Arbeit zusammenarbeiten. Für das Teambuilding ist das ungeheuer wichtig. Wie man Teambuilding und Motivation effektiv fördert, habe ich übrigens durch meine fast 30-jährige ehrenamtliche Tätigkeit für das Deutsche Rote Kreuz gelernt. Diese Erfahrung habe ich in das Konzept einfließen lassen. Unsere PhDs haben früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen, selbstständig und interdisziplinär zu arbeiten. Wie gut sie das inzwischen beherrschen, konnten wir bei der Begutachtung durch die DFG sehen. Da habe ich als Principal Investigator³ nur eine Viertelstunde einführende Worte gesagt, danach mussten die PhDs selbst ihre Projekte verteidigen. Wir haben sie in einem mehrmonatigen Training darauf vorbereitet. Schließlich war allen bewusst, dass es bei der Verlängerung eines Graduiertenkollegs um viel Geld geht.
Auf welche fachlichen Erfolge sind Sie stolz?
Da gibt es ganz viel. In CLiC haben wir haben zum Beispiel die hochselektive Anregung lichtempfindlicher Moleküle mit der VIPER-Methode entwickelt. Das ist ein zweistufiger Prozess, bei dem ein Chromophor zunächst Infrarotlicht absorbiert. Dadurch wird die Absorption für ein zweites Photon aus dem sichtbaren oder ultravioletten Bereich zu größeren Wellenlängen hin verschoben. Außerdem haben wir tolle Erfolge bei der Zwei-Photonen-Anregung erzielt. Dabei verwendet man ultrakurz gepulste Laser und kann einen schwebenden Punkt in einer Lösung erzeugen, wo sonst ein Lichtstrahl einfach gerade hindurchgeht. Durch das Zusammenspiel von Theorie, Synthese und Spektroskopie haben wir große Fortschritte gemacht, um mit dieser Technik molekulare Prozesse zu steuern.
Frau Zetzsche, Herr Grün, Frau Becker – wie ist Ihr Feedback als Doktoranden der Förderphase eins und zwei?
Heidi Zetzsche (Sprecherin Phase eins): Während der Zeit im Graduiertenkolleg hatten wir CLiCies untereinander so viel Austausch wie in einer Art Klassenverband. Und das meine ich nicht in einem verschulten Sinne, sondern aus einem intrinsischen Interesse heraus. Außerdem konnten wir auf die Angebote innerhalb des Graduiertenkollegs Einfluss nehmen. Das ist bis heute ein flexibler und dynamischer Prozess. In Phase eins haben wir beispielsweise festgestellt, dass der Präsentations-Workshop früher gebraucht wird. Das ist dann für die nächste Kohorte geändert worden. Es gibt für CLiC viele maßgeschneiderte Angebote, etwa zu Scientific Writing, aber wir können auch die Workshops von GRADE4 besuchen; wie zum Beispiel Kurse zur Good Manufacturing Practise, eine Qualifikation, die für eine Bewerbung in der Industrie wichtig ist. Ich habe auch einen Workshop über Karriereperspektiven speziell für Frauen besucht, bei dem wir uns mit Vertreterinnen aus der Industrie und Wirtschaft austauschen konnten.
Tassilo Grün (Sprecher Phase zwei): Als Doktorandenvertreter waren wir unter anderem auch beteiligt an der Formulierung des Verlängerungsantrags. Außerdem sitzen Yvonne Becker und ich im Steering Committee, das alle wichtigen Entscheidungen zu CLiC trifft. Es war anfangs schon ein merkwürdiges Gefühl, im Interesse der PhDs zu sprechen und gegebenenfalls auch mal gegen die eigenen Betreuer stimmen zu können. Da hat uns Heidi in der Übergangsphase sehr geholfen. Überhaupt ist es so, dass durch die Zusammenarbeit und den Überlapp der Kohorten die Promotionszeiten deutlich verkürzt werden konnten im Vergleich zum Durchschnitt im Fachbereich. Hier geht kein Doktorand und hinterlässt seinem Nachfolger nur ein Laborjournal, so dass der quasi wieder von vorn anfangen muss.
Wie haben Sie den Begutachtungsprozess erlebt? Tassilo Grün: Das war sehr aufregend. Ich war einer von Vieren, die präsentieren durften. In der darauffolgenden Poster-Session haben wir dann alle zusammen unsere Projekte vorgestellt. Die Gutachter meinten anschließend, dass sie von unserem Enthusiasmus sehr beeindruckt waren.
Yvonne Becker (Sprecherin Phase zwei): Wenn man so ein Projekt selbst verteidigt hat, dann bedeutet einem der Erfolg auch viel mehr, als wenn man nur anschließend erfährt: Daumen hoch oder runter.
Wie funktioniert Interdisziplinarität bei CLiC?
Heidi Zetzsche: Das Verständnis, das jeder von uns für die Nachbardisziplinen entwickelt, geht schon sehr tief. In Phase eins haben wir uns ein Mini-Methoden-Seminar gewünscht. Ich wollte zum Beispiel wissen: Was bedeutet es, wenn mir ein Spektroskopiker sagt, die Spektren sehen ganz gut aus? Wie beurteilt er die Daten?
Tassilo Grün: Als Spektroskopiker muss ich auch wissen: Warum dauert es manchmal so lang, bis Yvonne meine Proben synthetisiert hat?
Yvonne Becker: Und wenn die Proben bei ihm sind, frage ich mich, wie lange muss ich auf die Spektren warten? Welche Probleme können bei der Messung auftreten? Bei dem Seminar haben wir auch gelernt, dass der SpektroskopieArbeitskreis von Prof. Wachtveitl für Versuche zur Ultrakurzzeit-Spektroskopie allein schon einen Monat für den experimentellen Aufbau braucht. Wenn man als Fachfremder so etwas weiß, fördert es das gegenseitige Verständnis.
Heidi Zetzsche: Nicht zu unterschätzen ist auch der informelle Austausch. Sei es bei den einmal im Monat stattfindenden Lunch Time Meetings oder bei den Summer Schools mit externen Vortragenden. Wenn man sich auf einer Wanderung an landschaftlich schönen Orten wie dem Bodensee noch einmal privat mit einer Koryphäe unterhalten kann, ist das von unschätzbarem Wert.
Wie gehen Sie mit Konflikten um?
Tassilo Grün: Wir haben zum einen in unserem wissenschaftlichen Koordinator Dr. Christian Grünewald einen idealen Mediator, weil er weder zu den Professoren noch zu den Doktoranden gehört. Zusätzlich können wir etwaige wissenschaftliche Differenzen mit unseren Betreuern über die beiden zusätzlichen Mentoren lösen, die jeder von uns hat. Die Erfahrungen mit diesem Prinzip sind so positiv, dass Doktoranden außerhalb von CLiC darauf aufmerksam geworden sind.
Das Interview führte Anne Hardy
Glossar
1 – CLiC: DGF-gefördertes Graduiertenkolleg zum Thema Complex Light Control.
2 – PhD: kurz für »Doctor of Philosophy«; in englischsprachigen Ländern wissenschaftlicher Doktorgrad. Seit dem Bologna-Prozess können Promotionsstudiengänge (Graduiertenschulen) auch an deutschen Hochschulen zum Ph.D. führen. In diesem Interview wird PhD verkürzt verwendet für Doktoranden.
3 – Principal Investigator: Leitender Wissenschaftler eines Forschungsprogramms.
4 – GRADE: Graduiertenakademie der Goethe-Universität
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1-2019 des Mitarbeitermagazins GoetheSpektrum erschienen.