Seine weltberühmte Felsbildsammlung wurde unter anderem schon im Berliner Gropius-Bau ausgestellt: Das Frobenius-Institut für kulturanthropologische Forschung, beheimatet auf dem Campus Westend, gehört zu den der Goethe-Universität angegliederten Forschungs- und Kulturinstituten.
Im Oktober feierte das Team um die beiden Ethnologie-Professoren Roland Hardenberg und Mamadou Diawara einen großen Erfolg: Das Deutsche Nominierungskomitee des UNESCO-Programms „Memory of the World“ fordert das Frobenius-Institut dazu auf, einen Nominierungsantrag zur Aufnahme seiner Felsbildsammlung in das internationale Register des UNESCO-Weltdokumentenerbes einzureichen. Dies ist ein Meilenstein in der Instituts-Geschichte, der dessen Stellung als weltweit führend in der Felsbildforschung konsolidiert. Mit über 8.600 inzwischen vielfach als Raritäten geltenden Felsbildkopien aus Afrika, Ozeanien, Australien und Europa besitzt das Frobenius-Institut eine der ältesten und umfassendsten Felsbildsammlungen überhaupt.
Das Profil
Das Frobenius-Institut befasst sich mit der Erforschung kultureller Diversität. Es sieht seine Aufgaben darin, kulturanthropologisches Wissen zu erweitern und über den wissenschaftlichen Dialog einen reflektierten Umgang mit kultureller Differenz zu fördern. Um diese Ziele zu erreichen, führt das Frobenius-Institut regelmäßig weltweit empirische Feldforschungen durch, bearbeitet und erweitert seine umfangreichen Archive und Sammlungen, publiziert wissenschaftliche Erkenntnisse in eigenen Reihen und der Zeitschrift „Paideuma“, fördert eine fundierte Reflexion der Fachgeschichte, organisiert Symposien und Workshops und kuratiert international Ausstellungen zu einer Vielfalt von Themen.
Die Geschichte
1898 von Leo Frobenius als „Afrika Archiv“ in Berlin gegründet, übersiedelte das Institut nach einer kurzen Zeit in München 1925 nach Frankfurt am Main und wurde dort der Goethe-Universität angegliedert, an der Frobenius einen Lehrauftrag für Kultur- und Völkerkunde erhielt. Seit 1946 trägt es den Namen seines Gründers. Beheimatet ist das Institut heute im IG-Farben-Haus auf dem Campus Westend.
Sammlungen und Bibliothek
Mit seinen Archiven und Sammlungen trägt das Institut zur Pflege materieller Kultur bei. Neben dem Felsbildarchiv verfügt das Frobenius-Institut über ein ethnografisches Bildarchiv mit rund 40.000 Aquarellen, Ölbildern und Zeichnungen sowie ein Fotoarchiv mit ca. 70.000 Aufnahmen von den Forschungsreisen des Instituts seit dem frühen 20. Jahrhundert. Die Ethnografische Sammlung mit rund 7.000 Objekten, die auf Forschungsreisen seit den 1970er Jahren erworben wurden, dokumentiert materielle Alltagskultur und Globalisierungsprozesse der Gegenwart. Das Nachlassarchiv enthält mehr als ein Dutzend Vor- und Nachlässe namhafter deutscher Ethnologinnen und Ethnologen, darunter insbesondere Feldtagebücher und wissenschaftshistorisch bedeutsame Korrespondenzen. Diese Bestände stehen über Online-Datenbanken der internationalen Öffentlichkeit für Recherchen zur Verfügung. In aktuellen Forschungsprojekten wird das historische Quellenmaterial gemeinsam mit Vertretern der Herkunftsgesellschaften bearbeitet.
Mit über 130.000 Bänden und 500 Zeitschriften ist die Ethnologische Bibliothek Leo Frobenius am Frobenius-Institut die bedeutendste Spezialbibliothek für Sozial- und Kulturanthropologie im deutschsprachigen Raum. Sie ist eine Ausleihbibliothek, die sich an Wissenschaftler, Studierende und die interessierte Öffentlichkeit richtet. Auch die vielfältigen Veranstaltungen des Frobenius-Instituts – Kolloquien, Symposien, Workshops und Konferenzen – mit internationalen Gästen stehen einem wissenschaftlichen Publikum wie auch allen anderen Interessenten offen.
Die Köpfe
Neben vier wissenschaftlichen Mitarbeitenden sind derzeit acht Projektmitarbeitende, darunter fünf Doktoranden, mit ihren Forschungsprojekten an das Frobenius-Institut angebunden. Hinzu kommen ein Fotograf sowie die Mitarbeitenden in Bibliothek und Verwaltung. Geleitet wird das Institut von Roland Hardenberg, Professor am Institut für Ethnologie der Goethe-Universität, sowie seinem Vertreter Mamadou Diawara, ebenfalls Professor am Institut für Ethnologie der Goethe-Universität.
Die Kooperation mit der Goethe-Universität
Institut und Universität kooperieren in Lehre und Forschung, u.a. führen sie gemeinsame Projekte durch wie etwa im Rahmen des Forschungsverbundes „Normative Ordnungen“, des Zentrums für Internationale Afrikaforschung oder des Maria Sibylla Merian Institute for Advanced Studies in Africa. Hier zeigt sich auch die interdisziplinäre Ausrichtung des Instituts. „Wir möchten die früher in unserem Fach so übliche Abgrenzung zwischen Fächern überwinden,“ so Roland Hardenberg. „Die gemeinsame Bearbeitung von Fragstellungen mit Archäologen und Historikern, beispielsweise, hat großes Potenzial. Die Goethe-Universität bietet hier ein anschlussfähiges wissenschaftliches Umfeld, von dem wir als Institut profitieren.“ Umgekehrt ermöglicht das Institut Studierenden und (Nachwuchs-)Wissenschaftlern der Universität die Beteiligung an seiner Forschung und die Nutzung seiner Einrichtungen. Mitarbeitende des Instituts sind ebenfalls an der Lehre beteiligt. Im Rahmen von Seminaren besuchen Studierende die Archive und Sammlungen des Instituts, werden bei der Planung und Kuratierung von Ausstellungen eingebunden und können mehrmonatige Praktika absolvieren. „Die enge Kooperation zwischen Goethe-Universität und Frobenius-Institut ist für beide Seiten ein großer Gewinn,“ so Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität. „Die Bündelung fachlicher Expertise, der kontinuierliche wissenschaftliche Austausch und die wechselseitige Nutzung der Einrichtungen bieten einfach viel mehr Möglichkeiten für die beteiligten Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Studierenden und erhöhen die Chancen, ambitionierte Ziele zu erreichen und größere Sichtbarkeit zu erlangen.“
Roland Hardenberg, Yanti Hölzchen, Richard Kuba, Verena Stenger
Weiterführende Informationen: https://frobenius-institut.de/
Wer war Leo Frobenius?
Leo Frobenius (1873-1938) war eine schillernde, ambivalente und doch faszinierende Persönlichkeit: Abenteurer, Ethnologe und Kulturphilosoph, Irrationalist und Antimodernist, Monarchist und Militarist, Nonkonformist und Autodidakt, Quereinsteiger in die akademische Welt. 1873 als Sohn eines preußischen Offiziers geboren, wurde er zu einem führenden Ethnologen seiner Zeit und war schon zu Lebzeiten heftig umstritten. Einen Lehrauftrag an der Goethe-Universität erhielt er 1925 nur gegen internen Widerstand, 1932 wurde er hier Honorarprofessor und 1935 in Personalunion Direktor des Städtischen Museums für Völkerkunde.
Allgemeine Anerkennung finden heute seine Sammlung ethnografischer Daten und mündlicher Traditionen sowie die umfassende Dokumentation afrikanischer Felsbilder, in denen er eine Art „Bilderbuch der Kulturgeschichte“ sah. Die Ergebnisse seiner Forschungsreisen fanden Niederschlag in zahlreichen Publikationen. Ein großer Teil seiner Feldnotizen und die Bilddokumente, die von seinen Reisebegleiterinnen und –begleitern geschaffen wurden (Zeichnungen, Aquarelle, Fotos), sind erhalten und werden in den Archiven des Frobenius-Instituts betreut.
Als einer der ersten Europäer erkannte Frobenius die Geschichtlichkeit der afrikanischen Kulturen, die man noch nach ihm gern als „geschichtslos“ bezeichnete, und er erkannte gleichzeitig ihre prinzipielle Gleichwertigkeit an. So wurde er zu einem Kronzeugen der „Négritude“, deren Protagonisten um die Wiedergewinnung eines kulturellen Selbstbewusstseins der Afrikaner bemüht waren. Die kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit Leo Frobenius und seinem Wirken ist Teil der laufenden Forschungsarbeit am Frobenius-Institut.
Die Kulturanthropologie – eine Definition
In Amerika werden unter Anthropologie (anthropology) vier Disziplinen zusammengefasst: physische Anthropologie (physical anthropology), Archäologie (archaeology), Linguistik (linguistic anthropology) und Kulturanthropologie (cultural anthropology). Letztere untersucht die verschiedenen kulturellen Entwürfe des Menschseins, also jene Vorstellungen, Werte und Praktiken, die Menschen als Teil sozialer Gemeinschaften erlernen, aber auch aktiv prägen und mitgestalten. Gesellschaftliche Beziehungen, Normen und Organisationsformen, welche im Fokus der britischen social anthropology stehen, sind aus kulturanthropologischer Perspektive bereits kulturell geformt und werden daher nicht isoliert von – verhandelbaren – Bedeutungen und Kategorien untersucht. Da sich die Kulturanthropologie für eine ganzheitliche Erforschung des Menschen einsetzt, ist sie stark interdisziplinär ausgerichtet und sucht insbesondere die Zusammenarbeit mit verschiedenen geistes- und sozialwissenschaftlichen, aber auch naturwissenschaftlichen Fächern.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 4/2020 des Mitarbeitermagazins GoetheSpektrum erschienen.