Die Freisetzung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) in die Atmosphäre ist seit Inkrafttreten des Montreal Protokolls zum Schutz der Ozonschicht im Jahr 1987 reglementiert. Aber die ozonzerstörenden Gase sind äußerst langlebig. Sie können erst in der Stratosphäre, also in Höhen oberhalb von etwa zehn Kilometern, durch kurzwelliges, energiereiches Sonnenlicht gespalten werden. Messungen der FCKW und ihrer Ersatzstoffe am Institut für Atmosphäre und Umwelt erlauben es, die Lebenszeiten dieser Substanzen zu bestimmen und damit auch ihr Potenzial, die Ozonschicht zu schädigen und zur Klimaerwärmung beizutragen. Sie stellen einen wichtigen Beitrag zur Klimaforschung dar.
Wechselwirkungen des Sonnenlichts mit den Gasen der Erdatmosphäre spielen eine große Rolle für das Leben auf der Erde. Den größten Beitrag dazu leistet die kurzwellige UV-Strahlung mit Wellenlängen von weniger als 400 Nanometern. So wird molekularer Sauerstoff (O₂) nur von energiereichen Lichtteilchen (Photonen) mit Wellenlängen von kleiner als 240 Nanometern gespalten. Diese Aufspaltung, auch Photolyse genannt, trägt zur Entstehung der schützenden Ozonschicht in der Stratosphäre bei. Nachdem das Sauerstoffmolekül gespalten ist, verbindet sich jedes der beiden Sauerstoffatome mit einem O₂-Molekül zum Ozon (O₃). Ihre maximale Konzentration weist die hierdurch entstehende Ozonschicht in Höhen zwischen etwa 20 und 30 Kilometern auf. Die Ozonschicht absorbiert schon Strahlung mit Wellenlängen kleiner als 290 Nanometer sehr effektiv. Dadurch schützt sie die Troposphäre, in der wir leben, vor der kurzwelligen UV-B-Strahlung der Sonne. Wenn die Strahlung wegen eines Lochs oder einer Ausdünnung der Ozonschicht vermehrt in die Troposphäre gelangt, kann dies zu gesundheitlichen Problemen bei Menschen, aber auch zur Schädigung von Pflanzen und Tieren führen.
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Ozonchemie der Troposphäre
Die wesentlichen Reaktionen für den Abbau vieler Substanzen, die in die Atmosphäre emittiert werden, sind sehr ähnlich den hier für das CO-Molekül als Mustersubstanz gezeigten. In den Reaktionsgleichungen wird das Licht als Lichtquant (Photon) einer bestimmten Wellenlänge λ beschrieben. Es ist üblich, die Energie der Photonen als hν zu schreiben, wobei h für das Planck’sche Wirkungsquantum und ν für die Frequenz steht. M steht hier für einen beliebigen Stoßpartner, der bei der Reaktion nicht chemisch verändert wird.
Bildung von OH-Radikalen
O₃ + hν (λ ≤ 310 nm) → O₂ + O(1D)
O(1D) + H₂O → 2 OH
Ozonbildung beim Abbau CO
CO + OH + O₂ → CO2 + HO₂
HO₂ + NO → OH + NO₂
NO₂ + hν (λ < 424 nm) → NO + O
O + O₂ + M → O₃ + M
______________________________________
CO + 2O₂ + hν → CO₂ + O₃
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Das OH-Radikal: Waschmittel der Atmosphäre
Die Energie der Photonen, die durch den Filter der Ozonschicht in die erdnahe Troposphäre gelangt, reicht nicht aus, um die meisten Moleküle in der Troposphäre photolytisch zu spalten. Zwei wichtige Ausnahmen hiervon sind das Ozonmolekül, welches auch in der Troposphäre vorkommt und dort photolytisch gespalten werden kann, und das Stickstoffdioxid (NO₂). Damit kommt diesen beiden Molekülen eine Schlüsselrolle in der Chemie der Troposphäre zu.
Die photolytische Spaltung von Ozon und die nachfolgende Reaktion der gebildeten angeregten Sauerstoffatome (O(1D)) mit Wasser ist die Hauptquelle für das OH-Radikal (Graedel, 1994). Dieses sehr reaktionsfreudige Radikal reagiert mit einer Vielzahl von Substanzen, die aus natürlichen und anthropogenen Quellen in die Atmosphäre gelangen. Hierdurch können Substanzen wie Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid (CO), die nicht direkt photolytisch spaltbar sind, in der Troposphäre abgebaut werden. Bei diesen Reaktionen wird das OH-Radikal zurückgebildet [siehe Kasten »Ozonchemie der Troposphäre«]. OH-Radikale fungieren also lediglich als Katalysator und können in Form einer Kettenreaktion weiterreagieren, bis die Kette über Senkenreaktionen für das OH-Radikal unterbrochen wird. Über Reaktionsmechanismen, die sehr ähnlich denen für das CO-Molekül sind, werden die meisten Substanzen, die in die Atmosphäre emittiert werden, oxidiert. Hierbei entstehen entweder stabile Endprodukte wie CO₂ oder wasserlösliche Substanzen, die dann aus der Atmosphäre ausgewaschen werden können. Die Energie für die Oxidation wird in jedem Fall über das Lichtquant von der Sonne geliefert.
Die Reaktion mit dem OH-Radikal ist der wichtigste Abbauprozess für viele klimaschädigende Gase, insbesondere das Methan, aber auch für viele teilhalogenierte Kohlenwasserstoffe. Änderungen in der Photochemie der Troposphäre und damit in der mittleren Konzentration des OH-Radikals beeinflussen also die Lebenszeit von Methan und anderen Treibhausgasen und haben damit auch eine Auswirkung auf den Treibhauseffekt. Man kann das OH-Radikal als eine Art Waschmittel der Atmosphäre bezeichnen, weil es am ersten, geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der meisten Abbaureaktionsketten beteiligt ist. Andererseits entsteht bei diesem Abbau in Gegenwart von Stickoxiden auch neues Ozon. In der Troposphäre ist es als Zellgift schädlich für Mensch und Umwelt.
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Auf den Punkt gebracht
- Photochemische Prozesse in der Atmosphäre schützen unsere Planeten vor energiereicher Strahlung und führen zum Abbau vieler Treibhausgase.
- FCKW sind äußerst langlebig, weil sie erst oberhalb der Ozonschicht, in der Stratosphäre, von energiereichem Sonnenlicht gespalten werden.
- Die photochemischen Lebenszeiten können aus Messungen mit Ballons und hochfliegenden Forschungsflugzeugen in der Stratosphäre bestimmt werden.
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Photolytischer Abbau in der Stratosphäre und atmosphärische Lebenszeit
Was passiert nun, wenn Substanzen in die Atmosphäre emittiert werden, die weder wasserlöslich sind noch mit dem OHRadikal reagieren oder anderweitig in der Troposphäre abgebaut werden können? Solche Substanzen sind sehr langlebig und können in die darüberliegende Stratosphäre aufsteigen, in der sich die schützende Ozonschicht befindet. Dort sind die für einen direkten photolytischen Abbau vieler Substanzen nötigen höheren Photonenenergien, sprich kurzwelligere Photonen, vorhanden. Für die FCKW beispielsweise, die ursächlich für den anthropogenen Ozonabbau in der Stratosphäre verantwortlich sind, werden Photonen benötigt, die typischerweise unterhalb von 230 Nanometern liegen. Bei der Photolyse werden dann Chloratome freigesetzt, die das Ozon angreifen können.
Berechnungen zeigen, dass zum Beispiel FCKW tatsächlich erst in der Stratosphäre photolysiert werden, wobei die Abbaugeschwindigkeiten verschiedener FCKW sich signifikant unterscheiden. FCKW, die langsamer photolytisch gespalten werden, verbleiben dabei länger in der Atmosphäre undhaben eine längere Lebenszeit. Die photochemischen Lebenszeiten können aus Messungen der verschiedenen Substanzen in der Stratosphäre bestimmt werden (Laube et al., 2013). Solche Messungen werden am Institut für Atmosphäre und Umwelt der Goethe-Universität durchgeführt [siehe Kasten »Spurengasmessungen in der Stratosphäre«]. Die Lebenszeit ist ein essenzieller Parameter, um die Umweltrelevanz der verschiedenen FCKW zu beurteilen, insbesondere wie schnell sie wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. Substanzen, die leichter photolysiert werden, haben eine kürzere Lebenszeit und nehmen dadurch mit der Höhe schneller ab als langlebigere.
Im Rahmen von SPARC (Stratosphere-Troposphere Processes and their Role in Climate), einem der vier Kernprojekte des World Climate Research Programme (WCRP), haben wir die Lebenszeiten der wichtigsten Nicht-CO2-Treibhausgase und ozonzerstörender Gase neu evaluiert (Engel A. and Atlas E.L. et al., 2013) und neue Referenzwerte für atmosphärische Lebenszeiten bestimmt (Ko et al., 2013). Diese Referenzwerte werden für die Berechnung von Treibhausgaspotenzialen und Ozonzerstörungspotenzialen verwendet. Sie stellen wichtige Kenngrößen verschiedener Substanzen im Rahmen internationaler Regulierungen von Treibhausgasen und ozonzerstörenden Substanzen dar (IPCC, 2013; WMO, 2014).
Bevor das Ozonloch in der Stratosphäre erstmals beobachtet wurde, wusste man wenig über die Abbauprozesse und Lebenszeiten atmosphärischer Spurengase. Insbesondere sind die lange Lebenszeit der FCKW und der Abbau in der Stratosphäre erst spät als globales Problem erkannt worden. Durch die Forschung der letzten Jahrzehnte ist es gelungen,die Abbauprozesse und Mechanismen besser zu quantifizieren. Dieses bessere Verständnis hat letztendlich einen klaren Zusammenhang zwischen der Emission von FCKW in die Atmosphäre und Ozonverlusten in der Stratosphäre gezeigt, was zu der heute sehr strengen Regulierung der FCKW im Rahmen des Montreal-Protokolls geführt hat. Um quantitativ überprüfen zu können, ob das Montreal Protokoll eingehalten wird, ist die nun verbesserte Kenntnis der atmosphärischen Lebenszeiten essenziell.
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Spurengasmessungen in der Stratosphäre
Spurengasmessungen in der Stratosphäre werden am Institut für Atmosphäre und Umwelt (IAU) der Goethe-Universität mithilfe von Gaschromatographie, gekoppelt mit Massenspektrometrie durchgeführt. Diese Messungen erlauben es, den photochemischen Abbau von wichtigen Treibhausgasen und ozonzerstörenden Substanzen zu quantifizieren.
Aus Höhen bis 35 Kilometer können Proben mit einem ballongetragenen Luftprobensammler gesammelt und im Labor vermessen werden. Dazu werden am Institut für Atmosphäre und Umwelt Messtechniken entwickelt, die es erlauben, eine Vielzahl von ozonschädigenden und klimarelevanten Spurengasen in den Luftproben zu messen. Hierbei kommt es auf die Nachweisgrenzen (für einige Substanzen bis zu 1 Teilchen auf 1014 Teilchen Luft) und auf hohe Genauigkeiten und Präzision (bis zu 0.2 Prozent für einige Substanzen) an.
Bis 15 Kilometer Höhe können die Messgeräte direkt mit Forschungsflugzeugen wie dem neuen deutschen Forschungsflugzeug HALO (High Altitude Long Range Aircraft) in die untere Stratosphäre gebracht werden. Hierzu wurde in der Arbeitsgruppe ein vollautomatisiertes Gaschromatographie-/Massenspektrometrie-System entwickelt, welches für den Betrieb auf dem Flugzeug besonders auf schnelle Messungen optimiert wurde.
Ballons und hochfliegende Flugzeuge ermöglichen die Messung von Spurengasen in der Stratosphäre, dem Bereich, in dem der photochemische Abbau vieler halogenierter Substanzen durch kurzwellige Solarstrahlung stattfindet.
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Der Autor
Prof. Dr. Andreas Engel, Jahrgang 1965, studierte Chemie an der RWTH Aachen und promovierte 1993 mit einer Arbeit am Forschungszentrum Jülich an der WTH Aachen. 1995 wechselte er an die Goethe- Universität, wo er 2007 habilitierte und seit 2010 Außerplanmäßiger Professor ist. Seine Forschung basiert größtenteils auf der Messung von atmosphärischen Spurengasen. Er untersucht chemische und dynamische Prozesse in der Stratosphäre und im Tropopausenbereich sowie in den letzten Jahren auch in der Troposphäre.
an.engel@iau.uni-frankfurt.de
Experimentelle Atmosphärenforschung
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Literatur
1 Engel A. and Atlas E.L.,et al., Inferred Lifetimes from Observed Trace-Gas Distributions, in SP ARC Report N°6 (2013) Lifetimes of Stratospheric Ozone-Depleting Substances, Their Replacements, and Related Species, edited by M. K. W. Ko, P. A. Newman, S . Reimann, and S . E. Strahan, 2013.
2 Graedel, T. E., Chemie der Atmosphäre: Bedeutung für Klima und Umwelt, Spektrum Lehrbuch, edited by: Crutzen, P . J., and Brühl, C., Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1994.
3 IP CC: Climate Change 2013:The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change ,Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, 1535 pp., 2013.
4 Ko, M. K. W., Newman, P ., Reimann, S ., Strahan, S . E., Atlas, E. L., Burkholder, J. B., Chipperfield, M., Engel, A., Liang, Q., Mellouki, W., Plumb, R . A., Stolarski, R . S .,and Volk, C. M., Recommended Values for Steady-State Atmospheric Lifetimes and their Uncertainties, in SP ARC Report N °6 (2013) Lifetimes of Stratospheric Ozone-Depleting Substances, Their Replacements, and Related Species, edited by M. K. W. Ko, P . A. Newman, S. Reimann, and S . E. Strahan, 2013.
5 Laube, J. C., Keil, A., Bönisch, H ., Engel, A., Röckmann, T., Volk, C. M., and S turges, W. T., Observation- based assessment of stratospheric fractional release, lifetimes, and ozone depletion potentials of ten important source gases, Atmos. Chem. Phys., 13, 2779-2791, 10.5194/ acp-13-2779-2013, 2013.
6 WMO: World Meteorological Organization (WMO), Scientific Assessment of Ozone Depletion: 2014, World Meteorological Organization, Global Ozone Research and Monitoring Project-Report N o. 55, 416 pp., Geneva, Switzerland, 2014., 2014.
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Beitrag aus Forschung Frankfurt 2/2015 Photonen spalten FCKW