Virtuelle Ausstellung und dynamische Wissensplattform: Matthäus Merian d. Ä. und die Bebilderung der Alchemie

Die kunstvollen Illustrationen des in Basel geborenen Kupferstechers Matthäus Merian d. Ä. prägten die in Frankfurt florierende Szene der Alchemieliteratur um 1600. Dank der Zusammenarbeit zwischen dem Kunsthistorischen Institut der Goethe-Universität und der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg konnte ein einzigartiges Projekt rund um diesen spannenden Themenkomplex realisiert werden. Aus der erfolgreichen Kooperation resultiert die online zugängliche Dynamische Wissensplattform Matthäus Merian d.Ä. und die Bebilderung der Alchemie um 1600.

Matthäus Merian d. Ä., Alchemische Weltlandschaft
Matthäus Merian d. Ä., Alchemische Weltlandschaft. Foto: Universitätsbibliothek J.C. Senckenberg

Schon in der Anfangsphase des Forschungs- und Studierendenprojekts spielte die Kooperation mit der Universitätsbibliothek eine wichtige Rolle, da ihre umfangreiche Occulta-Sammlung mit alchemischen Druckwerken des 17. Jahrhunderts einmalige Forschungsmöglichkeiten bietet. Diese Gelegenheit durften im Wintersemester 2018/19 die Teilnehmer einer Übung des Kunsthistorischen Instituts nutzen, die in Zusammenarbeit von Dr. Berit Wagner mit den Absolventinnen Corinna Gannon und Sonja Gehrisch durchgeführt wurde. In fachlicher Kooperation mit Bärbel Wagner (Sammlung Frankfurt und Seltene Drucke der UB J.C. Senckenberg) sichteten die Studierenden die historischen Drucke und konnten so ihre theoretischen Grundlagen um Praxiserfahrung am Original ergänzen. Im Rahmen weiterer Lehrveranstaltungen konnten die Untersuchungen fortgeführt werden, deren Ergebnisse die Studierenden auf der am Kunstgeschichtlichen Institut entwickelten Wissensplattform präsentieren können. Für die Realisierung der Plattform arbeitete ab dem Wintersemester 2020/21 die aus Studierenden bestehende Projektgruppe Matthäus Merian und die Bebilderung der Alchemie (Katja Lehnert, Laura Etz, Leslie Zimmermann) unter der Leitung von Dr. Berit Wagner. Grundlage hierfür bildete die weitgehende Digitalisierung verschiedener Bücher der Occulta-Sammlung durch die Abteilung Bestandserhaltung und Digitalisierung der UB Frankfurt.

Die praktische und spirituelle Alchemie der Frühen Neuzeit vermittelte ihr gelehrtes Wissen seit der Entstehung des Buchdrucks in allerlei Druckschriften, die zunehmend mit Illustrationen bebildert wurden. Frankfurt am Main galt zu Beginn des 17. Jahrhundert als Zentrum eben solcher Alchemica illustrata, die allen voran in den Verlagen von Johann Theodor de Bry und Lucas Jennis d. J. publiziert wurden. Viele der Bilder in den Druckschriften aus den beiden Verlagshäusern stammen von Matthäus Merian d. Ä. und zählen heute zu den bekanntesten alchemischen Druckgraphiken, die ein wichtiger Teil des kulturellen Bildgedächtnisses geworden sind.

Die druckgraphische Technik der Radierung hatte sich für die Vervielfältigung der Werke dabei als besonders geeignet erwiesen und ermöglichte dem Ausführenden darüber hinaus ein hohes Maß an künstlerischer Entfaltung. Merian ließ in die Verbildlichung des schriftlichen hermetischen Inhalts künstlerisch- ästhetische Aspekte in die Bildgestaltung mit einfließen. Diese anspruchsvolle Visualisierung bewirkt, dass die Bilder eine eigene malerische Qualität entfalten, die im Rahmen des Projekts, im Kontext der in Frankfurt gedruckten Werke, erstmals in den Fokus gerückt wurde.

Auf der Wissensplattform wird das generierte Wissen durch ein abwechslungsreiches Programm vermittelt, wobei der Forschungscommunity wie auch der interessierten Öffentlichkeit eine umfangreiche Materialsammlung zur Verfügung gestellt wird. Eine virtuelle Ausstellung zeigt in sieben thematisch gegliederten Abschnitten Highlights frühneuzeitlicher Alchemica-Produktion aus den Beständen der Universitätsbibliothek Frankfurt, aber auch von internationalen Museen, Bibliotheken und Archiven. Hochauflösende Abbildungen ermöglichen das virtuelle Hineinvertiefen in die Werke, von denen ein Großteil der Frankfurter Exemplare nun auch in digitalisierter Form vorliegt. Fachliche Gastbeiträge renommierter Forscher:innen und Kuratorin:innen wie Objekttexte von Studierenden des Kunsthistorischen Instituts beschreiben und kontextualisieren die Ausstellungsobjekte. So kann zum Beispiel Merians berühmte Alchemische Weltlandschaft mit digitalen Annotationen entdeckt werden. Die Wissenschaftsplattform bietet überdies eine umfangreiche Bibliografie und längere Fachbeiträge. Unterstützt durch den Kleinen Förderfonds Lehre der Goethe-Universität und die Christa Verhein Stiftung, wird die Website um weitere Forschungsergebnisse, Materialien aus thematischen Workshops sowie Gastbeiträge laufend erweitert.

Das auf Langfristigkeit angelegte Projekt ist somit nicht nur in seiner thematischen Verquickung von Alchemie und Kunst, als auch in der Zusammenarbeit von etablierten Forscher:innen und Student:innen innovativ, sondern setzt ebenso in seiner Vermittlung auf neue und offene Standards der Digital Humanities. Die Wissensplattform versteht sich als nachhaltige Quelle für weiterführende Forschungen, die im Bereich der illustrierten alchemischen Literatur um 1600 noch lange nicht ausgeschöpft ist.

Katja Lehnert, Laura Etz, Leslie Zimmermann

Virtuelle Ausstellung und Dynamische Wissensplattform https://merian-alchemie.ub.uni-frankfurt.de

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 4/2021 (PDF) des UniReport erschienen.

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