Ursprung der Schweren Elemente: ELEMENTS

Wer verstehen will, warum es im Universum schwere Elemente gibt, muss Neutronensterne, Kilonovae und Gravitationswellen erkunden. Im Clusterprojekt ELEMENTS haben sich rund hundert Teilchen- und Astrophysiker*innen mit diesem Ziel zusammengeschlossen.

Unser Universum ist voller Extreme: In unvorstellbar weiter Entfernung kollidieren unglaublich massive und kompakte Objekte, um die allerwinzigsten Teilchen freizusetzen. Genau diese extremen Phänomene sind ein zentrales Thema des Forschungsprojekts ELEMENTS (Exploring the Universe from Microscopic to Macroscopic Scales). Das rund 100-köpfige Team von Physiker*innen arbeitet gemeinsam an der Frage, wie schwere Elemente, zum Beispiel Kupfer, Gold und Blei, im Universum entstehen. „Wir betreiben Grundlagenforschung – denn Gold ist überall um uns herum, aber es ist nicht auf unserem Planeten entstanden“, erklärt ELEMENTS-Sprecher Professor Luciano Rezzolla vom Institut für Theoretische Physik an der Goethe-Universität. „Es kommt aber auch nicht aus den Sternen, die nur sehr wenig schwere Elemente produzieren.“ Die Theoretiker*innen und Experimentator*innen möchten also im Prinzip wissen, woher unser Gold kommt.

Naturgewalt Neutronenstern

Dafür braucht es einige Zutaten und viel Zeit. Am Ende seines langen Lebens kollabiert ein Stern unter seiner eigenen Schwerkraft und explodiert als Supernova. Dabei werden Gas, Staub und jede Menge Energie in den umliegenden Raum geschleudert. Später sind diese Überreste als Nebel mit faszinierenden Formen und Farben sichtbar. Je nachdem, wie massereich („groß“) der Stern ursprünglich war, entsteht ein stellares Schwarzes Loch oder ein Neutronenstern. Während die Schwarzen Löcher weithin bekannt sind, werden ihre kleinen Brüder, die Neutronensterne, wenig beachtet. Dabei handelt es sich hier um ein weiteres Objekt der Superlative: Die Dichte innerhalb eines Neutronensterns ist so groß, dass er trotz einer Masse von etwa zwei Sonnen im Durchmesser nur so groß ist wie Frankfurt am Main!

V. l. n. r.: Krebsnebel (NASA and ESA, Foto: M. Weisskopf/Marshall Space Flight Center), Teilchenbeschleuniger (Foto: Klaus Mai; TU Darmstadt), Simulation kollidierender Neutronensterne (Foto: Luciano Rezzolla, Goethe-Universität).

Wie schwere Elemente entstehen

Es braucht gleich zwei von diesen außergewöhnlichen astronomischen Objekten, um schwere Elemente entstehen zu lassen – und sie müssen kollidieren. Wenn zwei Neutronensterne mit ihren gewaltigen Massen zusammenstoßen, kommt es zu einer sogenannten Kilonova, ein Phänomen, das erst 2017 durch die Messung von Gravitationswellen nachgewiesen wurde. Es wird davon ausgegangen, dass bei dieser Verschmelzung ein Zustand ähnlich dem in den ersten Sekunden nach dem Urknall herrscht, das sogenannte Quark-Gluon-Plasma. Quarks und Gluonen sind die elementaren Bestandteile von Atomkernen und somit Bausteine eines jeden Elements. Nur unter solch extremen Bedingungen wird ihre Anziehung aufgebrochen und die Entstehung schwerer Elemente erst möglich. Die Wissenschaftler*innen des Clusterprojekts erforschen auf verschiedenen Wegen die Prozesse in diesen extremen Zuständen von Materie, wie schwere Elemente entstehen können und wie sich diese komplexen Interaktionen messen und von der Erde aus beobachten lassen. Während an den Teilchenbeschleunigern in Darmstadt auf mikroskopischer Ebene experimentiert wird, nähert man sich dem Problem an der Goethe-Uni von theoretischer Seite. Dabei spielen Open Science und Open Access (dt. Offene Wissenschaft bzw. Offener Zugang, also die freie Verfügbarkeit von Daten und Ergebnissen) eine große Rolle: „Wir produzieren im Labor Daten auf ganz anderen Skalen als beispielsweise Astrophysiker*innen“, sagt Arbeitsgruppenleiterin Hannah Elfner. „Durch Open Science wird eine produktive interdisziplinäre Zusammenarbeit überhaupt erst möglich.“

Supercomputer errechnen komplexe Modelle

„Wir befassen uns hier mit sehr komplexen wissenschaftlichen Fragen, die keine Einzelperson oder meine Arbeitsgruppe allein beantworten könnte, nicht ohne ein paar Jahrhunderte Zeit zu haben. Wir brauchen hier ein sehr großes Team“, erklärt Luciano Rezzolla. So errechnet sein Team mithilfe von Hochleistungsrechnern, wie dem „Goethe NHR“, der kürzlich für seine Energieeffizienz ausgezeichnet wurde, komplexe Modelle und Simulationen, die unerlässlich für die Interpretation astronomischer Beobachtungen sind. Basierend auf Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie können so Schwarze Löcher, Neutronensterne und ihre gewaltigen Interaktionen beschrieben und erklärt werden.

Mit Lichtgeschwindigkeit den Elementen auf der Spur

Die Arbeitsgruppe um Co-Sprecher Prof. Norbert Pietralla von der Technischen Universität Darmstadt holt hingegen am Elektronenbeschleuniger „S-DALINAC“ das Universum direkt ins Labor und kann mit dem weltweit einzigartigen Energierückgewinnungsmodus Teilchen hocheffizient beschleunigen. Dabei drehen die Elektronen mehrere Runden durch den Hauptbeschleuniger, was erhebliche Mengen Energie einspart. Bei nahezu Lichtgeschwindigkeit können so die Wechselwirkungen bei der Entstehung neuer Elemente untersucht werden.

Phyllis Mania

Auf geht’s: Goethe-Universität beteiligt sich mit vier neuen und einem bestehenden Forschungscluster am Wettbewerb der Exzellenzstrategie

Für die anstehende Runde der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder bewirbt sich die Goethe-Universität Frankfurt mit vier neuen Clustern zu den Forschungsthemen Vertrauen im Konflikt (CONTRUST), Infektion und Entzündung (EMTHERA), Ursprung der schweren Elemente (ELEMENTS) und zelluläre Architekturen (SCALE). Die Anträge vereinen die Kompetenzen und zukunftsweisenden Ideen der Goethe-Universität mit denen der Kolleg*innen des Verbunds der Rhein-Main-Universitäten (RMU) und weiterer Partner der vier großen Organisationen der außeruniversitären Forschung. Der seit 2019 bestehende Exzellenzcluster Cardiopulmonary Institute (CPI) wird im kommenden Jahr direkt einen Vollantrag einreichen.

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