Homeoffice & COVID-19 – neue Erkenntnisse aus der Sozialpsychologie

UniReport: Frau Dr. Kaluza, Herr Professor van Dick, Homeoffice ist wahrscheinlich einer der prägendsten Begriffe im Jahr 2020. Sie haben Arbeitnehmer*innen befragt, was sie darüber denken – was wurde als positiv angegeben?

Antonio Kaluza: Ja, das stimmt. Homeoffice oder auch Telearbeit genannt, also das Arbeiten außerhalb eines zentralen Arbeitsplatzes, ist gerade momentan besonders wichtig, um Kontakte zu reduzieren und damit die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. In unserer Studie haben wir über 300 Mitarbeitende aus verschiedenen deutschen Unternehmen befragt, wie sie verschiedene Vor- und Nachteile vom Homeoffice einschätzen. Als Vorteile wurden vor allem die flexible Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort und auch die vermehrte Autonomie sowie weniger Zeit für Arbeitswege gesehen. Auch nahmen die Teilnehmenden als Vorteil wahr, dass sie mehr Zeit für die eigentliche Arbeit hätten, weniger abgelenkt seien und deshalb bessere Leistungen erbringen könnten.

Was wurde am Homeoffice negativ bewertet?

Rolf van Dick: Als größter Nachteil wurde der fehlende persönliche Kontakt mit Kollegen gesehen. Auch berichteten die Teilnehmenden, dass es schwieriger sei, Informationen auszutauschen oder Absprachen mit Kollegen zu treffen. Als ein weiterer Nachteil wurde auch die Verwischung der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben gesehen. Zum Beispiel beklagten die Teilnehmenden ebenfalls, dass sie zu Hause leicht durch anderes, wie z. B. Kinder, abgelenkt würden.

Sie haben vor und nach dem Ausbruch der Pandemie gefragt, was hat sich dadurch in der Bewertung geändert?

Kaluza: Ein Teil der Teilnehmenden hat die Umfrage vor den Restriktionen im März 2020 ausgefüllt, während ein anderer Teil die Umfrage beantwortet hat, nachdem weitreichende Maßnahmen – wie z. B. das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung, Arbeiten im Homeoffice – eingeführt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass diejenigen Personen, welche vor den Restriktionen Telearbeit durchführten, das heißt höchstwahrscheinlich freiwillig diese Arbeitsform gewählt hatten, mehr Vorteile wahrnahmen, je mehr Telearbeit sie ausführten. Dies traf jedoch nicht auf die Personen zu, die nach der Einführung der Corona-Restriktionen die Umfrage beantworteten, das heißt wahrscheinlich eher aufgrund der aktuellen Situation von zu Hause arbeiten mussten und dies mehrheitlich nicht freiwillig gewählt hatten.

Van Dick: Interessant war bei dieser zweiten Gruppe, dass vor allem diejenigen, die von einer geringen Identifikation mit ihrem Arbeitsteam berichteten, mehr Nachteile der Telearbeit wahrnahmen, je mehr sie im Homeoffice arbeiteten. Sie fühlten sich vor allem sozial isoliert und beklagten die schwierigere Koordination mit den Kollegen. Dies traf jedoch nicht auf solche Personen zu, die sich mit ihren Kollegen eng verbunden fühlten.

Welches Fazit würden Sie aus der Befragung ziehen?

Van Dick: Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass besonders dann, wenn Mitarbeitende nicht im Büro arbeiten und damit physisch nicht anwesend sind, die Identifikation mit dem Team, d. h. die psychologische Verbundenheit mit anderen Kollegen, wichtig ist. Unternehmen und vor allem Führungskräfte sollten also insbesondere in Zeiten der COVID-19-Pandemie die Identifikation innerhalb des Teams stärken. Dies lässt sich schon mit einfachen Maßnahmen umsetzen: Regelmäßige virtuelle Treffen oder gemeinsame Rituale, wie virtuelle Kaffeepausen oder eine virtuelle Weihnachtsfeier, können helfen, die Identifikation in einem Arbeitsteam zu stärken.


Prof. Rolf van Dick ist Professor für Sozialpsychologie, Leiter der Abteilung Sozialpsychologie und Vizepräsident der Goethe-Universität;
Dr. Antonia Kaluza ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin.


Weitere Ergebnisse finden Sie hier.

Die Abteilung führt aktuell eine Follow-up-Studie zum Thema durch. Bitte beteiligen Sie sich gerne, auch an der Goethe-Universität ist das Thema Homeoffice ja für viele relevant – spätestens seit Beginn der Krise. Die Umfrage ist natürlich anonym und kann hier bearbeitet werden.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 6.20 (PDF) des UniReport erschienen.

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